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Zwischenruf von Omid Nouripour
Raus aus der Spirale der Gewalt
"Meine Hoffnung liegt auf den linken Parteien in Israel", schreibt der Grünen-Politiker Omid Nouripour in seinem Gastbeitrag. Darin schildert er auch, wie er den Raketenbeschuss in Tel Aviv erlebte.
An dem Tag als die Operation der Israelis begann, war in Tel Aviv eine große Friedenskonferenz, unterstützt unter anderem von der Heinrich-Böll-Stiftung. Dieser Tage ist eine solche Konferenz ein immens wichtiges Zeichen und ich bin froh, dass ich dabei sein konnte. Natürlich habe ich die Reise für intensive Gespräche genutzt: Ich war in Militärgefängnissen und habe mir Verhandlungen gegen Palästinenser angeschaut, ich habe mit Kolleginnen und Kollegen aus der Knesset gesprochen und bin auf der Reise mit unzähligen Israelis und Palästinensern ins Gespräch gekommen. Es waren wahnsinnig dichte und sehr intensive Gespräche. Immer merkt man wie sehr alle Menschen aufgewühlt sind von den Morden an den israelischen und dem palästinensischen Jugendlichen.
Überall sind die Folgen von Besatzung und gegenseitigem Raketenbeschuss zu spüren. Die Israelis zum Beispiel kennen die Regeln bei Raketenbeschuss, wenn du die Sirene hörst, die man längst nicht in allen Vierteln hört, dann hast du optimal 20 Sekunden, um Schutz zu suchen.
Nicht jedes Haus hat einen Bunker, also geht man nicht nach unten, am Besten in den ersten Stock an tragende Wände, weit entfernt von Fensterscheiben. Ich kenne das aus meiner Kindheit, aus dem Iran-Irak-Krieg. Das lässt einen nie mehr los, ich hatte mich sogar mit meiner Frau gestritten, die die Krippe unseres Kindes unter das Fenster stellen wollte. Irgendwann hat sie mich geschüttelt und gesagt: „Omid, wir sind hier nicht im Krieg.“ In Israel wurde ich gefragt: „Ah ja, der Iran-Irak-Krieg, wer hat da nochmal gewonnen?“ Die Antwort ist wie beim Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern: Es gibt keine Gewinner. Natürlich kann man diese bewaffneten Konflikte nicht vergleichen, aber jede dieser Auseinandersetzungen beruht auf der Logik von Schlag und Gegenschlag, so wie jetzt auch wieder. Das Ergebnis im Nahen Osten sind jedes Mal einige hundert Tote und Verletzte, darunter viele Kinder. Ändern tut sich nichts. Dabei ist es einer der Konflikte, bei dem die Lösung seit Jahren klar und deutlich auf dem Tisch liegt: eine Zwei-Staatenlösung, Beendigung der Besatzung, Rückbau der Siedlungen, Grenzen von 1967, Jerusalem als gemeinsame Hauptstadt, Gewaltverzicht. Sicherheit gibt es nur für beide Seiten gleichzeitig und alle müssen auf Gewalt verzichten.
Solange Kinder auf beiden Seiten sterben oder in Angst aufwachsen kann es keine Sicherheit und kein Vertrauen geben, auch in Zukunft nicht. Meine Hoffnung liegt auf den linken Parteien in Israel, die laut den letzten Umfragen auf knapp 50 Prozent kommen und die gewillt sind, einen Friedensplan zu verfolgen und die beiden Konfliktparteien aus der Spirale der Gewalt zu befreien. Von diesen linken Kräften kommt der Ruf, auch aus dem Ausland Druck auf die konservativen Kreise der israelischen Politik auszuüben. Daran sollten wir alle mittun.
Der Autor ist Frankfurter Abgeordneter und außenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag.
Der Text erscheint zeitgleich im Journal Frankfurt und online. Die Kommentarfunktion ist 14 Tage lang freigeschaltet – bis ein neuer Zwischenruf erscheint. Wir freuen uns über Ihre Meinung, auch via Twitter, Facebook oder E-Mail.
Überall sind die Folgen von Besatzung und gegenseitigem Raketenbeschuss zu spüren. Die Israelis zum Beispiel kennen die Regeln bei Raketenbeschuss, wenn du die Sirene hörst, die man längst nicht in allen Vierteln hört, dann hast du optimal 20 Sekunden, um Schutz zu suchen.
Nicht jedes Haus hat einen Bunker, also geht man nicht nach unten, am Besten in den ersten Stock an tragende Wände, weit entfernt von Fensterscheiben. Ich kenne das aus meiner Kindheit, aus dem Iran-Irak-Krieg. Das lässt einen nie mehr los, ich hatte mich sogar mit meiner Frau gestritten, die die Krippe unseres Kindes unter das Fenster stellen wollte. Irgendwann hat sie mich geschüttelt und gesagt: „Omid, wir sind hier nicht im Krieg.“ In Israel wurde ich gefragt: „Ah ja, der Iran-Irak-Krieg, wer hat da nochmal gewonnen?“ Die Antwort ist wie beim Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern: Es gibt keine Gewinner. Natürlich kann man diese bewaffneten Konflikte nicht vergleichen, aber jede dieser Auseinandersetzungen beruht auf der Logik von Schlag und Gegenschlag, so wie jetzt auch wieder. Das Ergebnis im Nahen Osten sind jedes Mal einige hundert Tote und Verletzte, darunter viele Kinder. Ändern tut sich nichts. Dabei ist es einer der Konflikte, bei dem die Lösung seit Jahren klar und deutlich auf dem Tisch liegt: eine Zwei-Staatenlösung, Beendigung der Besatzung, Rückbau der Siedlungen, Grenzen von 1967, Jerusalem als gemeinsame Hauptstadt, Gewaltverzicht. Sicherheit gibt es nur für beide Seiten gleichzeitig und alle müssen auf Gewalt verzichten.
Solange Kinder auf beiden Seiten sterben oder in Angst aufwachsen kann es keine Sicherheit und kein Vertrauen geben, auch in Zukunft nicht. Meine Hoffnung liegt auf den linken Parteien in Israel, die laut den letzten Umfragen auf knapp 50 Prozent kommen und die gewillt sind, einen Friedensplan zu verfolgen und die beiden Konfliktparteien aus der Spirale der Gewalt zu befreien. Von diesen linken Kräften kommt der Ruf, auch aus dem Ausland Druck auf die konservativen Kreise der israelischen Politik auszuüben. Daran sollten wir alle mittun.
Der Autor ist Frankfurter Abgeordneter und außenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag.
Der Text erscheint zeitgleich im Journal Frankfurt und online. Die Kommentarfunktion ist 14 Tage lang freigeschaltet – bis ein neuer Zwischenruf erscheint. Wir freuen uns über Ihre Meinung, auch via Twitter, Facebook oder E-Mail.
15. Juli 2014, 13.50 Uhr
Omid Nouripour
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