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Wahl in Thüringen

Frankfurt gegen Faschismus

Die überraschende Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten mit Hilfe von AfD und CDU hat in ganz Deutschland Proteste ausgelöst. Auch in Frankfurt gingen Hunderte auf die Straße.
Der FDP-Politiker Thomas Kemmerich wurde am gestrigen Mittwoch mit Stimmen von CDU, FDP und der AfD überraschend ins Amt gewählt und löste den amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) ab. Die Wahl des Ministerpräsidenten in Thüringen mit Unterstützung der AfD ruft Empörung in ganz Deutschland hervor. Tausende Politikerinnen und Politiker wie auch Bürgerinnen und Bürger äußerten sich noch am Mittwochabend fassungslos.

Der Landesvorsitzende der CDU Hessen, Volker Bouffier, nennt die Verhältnisse der Wahl „unerträglich“ und fordert eine Neuwahl für eine Regierung, ohne Einfluss der AfD. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) fordert entschieden eine Neuwahl. Der Wahlvorgang habe mit der Grundüberzeugung der CDU, dass keine Mehrheiten mit Stimmen der AfD gewonnen werden sollen, gebrochen. Der Vorgang sei „unverzeihlich“, so die Bundeskanzlerin.

Kemmerich lehnte einen Rücktritt noch am Mittwoch ab. Der FDP-Bundesvorsitzende Christian Linder appellierte an Union, SPD und Grüne, das Gesprächsangebot von Thomas Kemmerich anzunehmen. Nur in dem Fall, dass diese eine Kooperation „fundamental verweigern, dann wären baldige Neuwahlen zu erwarten und aus meiner Sicht auch nötig“, so Lindner.

Aktualisierter Stand, 6.2.2020, 14.30 Uhr: Die FDP-Fraktion in Thüringen will die Auflösung des Landtags beantragen und so Neuwahlen herbeiführen. Der Rücktritt sei unumgänglich, sagte Thomas Kemmerich.

Der Frankfurter FDP-Chef, Thorsten Lieb, sagte gegenüber der Frankfurter Rundschau, er sei „zwiegespalten“ über die Wahl. Stefan Ruppert, Vorsitzender der FDP in Hessen, betonte, es habe keine Absprachen mit der AfD gegeben. „Als Freie Demokraten bleiben wir der schärfste Gegenentwurf zur AfD – wir sind liberal und weltoffen.“ Der Vorsitzende der Fraktion im Hessischen Landtag fand lobende Worte für Kemmerich: „Ein aufrichtiger Demokrat hat die Wahl gewonnen“

Nun ist ein Schreiben aufgetaucht, das beweist, dass Björn Höcke (AfD) dem neuen FDP-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich bereits Anfang November 2019 eine Zusammenarbeit angeboten hat. Höcke hatte in dem Brief für eine gemeinsam getragene Expertenregierung oder eine von der AfD unterstützte Minderheitsregierung in Thüringen geworben.

Reaktionen in Frankfurt

Auch in Frankfurt zeigen sich viele schockiert über die Wahl in Thüringen. Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) zieht Parallelen zur ersten Wahl einer Landesregierung in Deutschland mit Beteiligung der NSDAP vor 90 Jahren – auch dort war es eine Wahl im Bundesland Thüringen. „Die Geschichte darf sich nicht wiederholen! Erst vergangene Woche haben Menschen weltweit gerufen: ‚Nie wieder!‘ Es ist jetzt an uns Demokrat*innen, uns an diesen beiden Worten messen zu lassen“, denn Demokratie, so Feldmann, sei vor allem eines nicht: selbstverständlich.

Auch Bürgermeister und Hessens Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker (CDU) fordert Neuwahlen. „Wer sich in die Abhängigkeit der Neo-Faschisten begibt, begibt sich seiner moralischen Integrität. Dem Ungeist der Hetzer von einst, den Göbbels und Himmlers folgen heute die Höckes und Konsorten. Bisher steht ihnen eine gefestigte Bundesrepublik Deutschland und eine gefestigte freie, demokratische und menschliche Gesellschaft gegenüber. Die Politik in Thüringen steht in der Pflicht, dass dies auch so bleibt. “

Der Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt spricht von einem „historischen Tabubruch“, der den Weg für künftige Kooperationen mit der AfD ebne. „Keine Partei, die sich der freiheitlich demokratischen Grundordnung verpflichtet fühlt, darf ein Bündnis mit der AFD zur Wahl eines Ministerpräsidenten eines Bundeslandes eingehen.“

Demonstration auf Paulsplatz

Hunderte versammelten sich am gestrigen Dienstag in Frankfurt auf dem Paulsplatz, um gegen die Wahl von FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten in Thüringen zu protestieren. Dort, vor der Wiege der Demokratie, wehten Fahnen von Grünen, Linken, Fridays for Future, SPD und vielen mehr. Zu der Kundgebung hatte knapp zwei Stunden zuvor unter anderem SPD, Grüne und Linke aufgerufen. Zuvor hatten sich mehrere Demonstrierende vor der Hauptwache zu einer Kundgebung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) getroffen. Anwesend waren auch mehrere Politikerinnen und Politiker, unter anderem Janine Wissler (Die Linke), die von „einer Schande für die Demokratie“ sprach.



Nach der Kundgebung zogen viele der Demonstrierenden mit Rufen wie „Alle zusammen gegen den Faschismus“ vom Paulsplatz, über die Konstablerwache und den Mainkai in Richtung FDP-Parteizentrale in der Niddastraße.
 
Fotogalerie:
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6. Februar 2020, 12.42 Uhr
Elena Zompi
 
 
 
 
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