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Vor der Landtagswahl
Janine Wissler: "Frankfurt ist eine Stadt der Widersprüche"
Am 28. Oktober wählt Hessen einen neuen Landtag: Janine Wissler, Spitzenkandidatin der LINKEN, hat im Interview mit dem JOURNAL FRANKFURT über die soziale Spaltung in Hessen, höhere Löhne in Pflegeberufen und bezahlbaren Wohnraum in Frankfurt gesprochen.
JOURNAL FRANKFURT: DIE LINKE ist seit zehn Jahren in der Opposition: Was konnten Sie in der Zeit umsetzen?
Janine Wissler: Großartig war natürlich die Abschaffung der Studiengebühren 2008. Das zeigt, dass sich auch aus der Opposition heraus, wichtige Dinge erreichen lassen. DIE LINKE war außerdem die erste Fraktion, die einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der KiTa-Gebühren in den Landtag eingebracht hat. Wir haben immer versucht, betriebliche Kämpfe, Streiks und Missstände im Landtag zu thematisieren. Natürlich sind unsere Anträge erstmal abgelehnt worden, aber trotzdem konnten wir viele Diskussionen anstoßen und einiges verändern.
Welches Thema hätten Sie gerne stärker diskutiert gesehen?
Wir müssen ein stärkeres Bewusstsein für die soziale Spaltung in Hessen entwickeln. Auf der einen Seite ist dieses Bundesland wirtschaftlich sehr stark, auf der anderen Seite steigt die Anzahl der Niedriglohnempfänger und der von Armut betroffenen Kinder und Rentner immer weiter an. Wir befinden uns in einer sozialen Schieflage. Beispielsweise benötigen wir in der Pflege einen Mindestlohn und eine generelle Aufwertung dieses Berufs. Wenn Krankenschwestern Doppelschichten ableisten und trotzdem Angst vor Altersarmut haben müssen, dann ist das ein untragbarer Zustand.
Ist eine Aufwertung des Pflegeberufs, zum Beispiel durch höhere Löhne, für unser System finanziell tragbar?
Natürlich kann Deutschland seine Pflegekräfte besser bezahlen - wir sind eine der reichsten Volkswirtschaften der Welt. Deutschland wird jedes Jahr reicher. Das private Geldvermögen wächst jedes Jahr. Allein in Hessen leben 1600 Einkommen-Millionäre. Die Verhältnisse stimmen einfach nicht: Wenn ein Pförtner einer Bank 300 Jahre arbeiten müsste, um das Jahresgehalt seines Chefs zu verdienen, dann stimmen die Maßstäbe nicht. Diese soziale Spaltung ist ab einem gewissen Punkt demokratiegefährdend. In unserem Land gibt es Geld wie Heu, es ist bloß falsch verteilt. Daher ist die Frage nach der Aufwertung bestimmter Berufe, eine Frage der Verteilung.
Wie wollen Sie die Mieten in Frankfurt wieder bezahlbar machen?
Frankfurt rühmt sich damit, eine investorenfreundliche Stadt zu sein. Wir müssen uns die Frage stellen: Wem gehört die Stadt? Frankfurt muss eine Stadt sein für die Menschen, die hier leben und nicht ein Tummelfeld für Investoren. Viele Menschen können sich die hohen Mieten nicht leisten. Frankfurt zeigt, was passiert, wenn man die Versorgung mit Wohnungen dem Markt überlässt. Investoren bauen keinen bezahlbaren Wohnraum für Familien, für Studierende, für Rentnerinnen und Rentner, sie bauen Objekte, mit denen sich Geld verdienen lässt. Wohnungen sind aber keine Renditeobjekte, sondern ein Zuhause für Menschen.
Was schätzen Sie an Frankfurt am meisten?
Frankfurt ist eine Stadt von Widersprüchen. Auf der einen Seite wird Frankfurt wahrgenommen als die Stadt der Börse, der Banken, des Kapitals. Auf der anderen Seite ist Frankfurt eine Stadt, von der immer schon progressive Bewegungen ausgegangen sind, beispielsweise 1968. Frankfurt ist vielfältig und international. Natürlich gibt es auch in Frankfurt Rassismus und Diskriminierung, dennoch ist es den Neo-Nazis schon seit Jahren nicht mehr gelungen, durch die Stadt zu marschieren - einfach, weil die Zivilgesellschaft das nicht zulässt. In Frankfurt gibt es viele Menschen, die bereit sind, demokratische Errungenschaften zu verteidigen.
Janine Wissler, 37 Jahre alt, hat Politikwissenschaft studiert und ist seit 2007 Mitglied im Parteivorstand der LINKEN.
Janine Wissler: Großartig war natürlich die Abschaffung der Studiengebühren 2008. Das zeigt, dass sich auch aus der Opposition heraus, wichtige Dinge erreichen lassen. DIE LINKE war außerdem die erste Fraktion, die einen Gesetzentwurf zur Abschaffung der KiTa-Gebühren in den Landtag eingebracht hat. Wir haben immer versucht, betriebliche Kämpfe, Streiks und Missstände im Landtag zu thematisieren. Natürlich sind unsere Anträge erstmal abgelehnt worden, aber trotzdem konnten wir viele Diskussionen anstoßen und einiges verändern.
Welches Thema hätten Sie gerne stärker diskutiert gesehen?
Wir müssen ein stärkeres Bewusstsein für die soziale Spaltung in Hessen entwickeln. Auf der einen Seite ist dieses Bundesland wirtschaftlich sehr stark, auf der anderen Seite steigt die Anzahl der Niedriglohnempfänger und der von Armut betroffenen Kinder und Rentner immer weiter an. Wir befinden uns in einer sozialen Schieflage. Beispielsweise benötigen wir in der Pflege einen Mindestlohn und eine generelle Aufwertung dieses Berufs. Wenn Krankenschwestern Doppelschichten ableisten und trotzdem Angst vor Altersarmut haben müssen, dann ist das ein untragbarer Zustand.
Ist eine Aufwertung des Pflegeberufs, zum Beispiel durch höhere Löhne, für unser System finanziell tragbar?
Natürlich kann Deutschland seine Pflegekräfte besser bezahlen - wir sind eine der reichsten Volkswirtschaften der Welt. Deutschland wird jedes Jahr reicher. Das private Geldvermögen wächst jedes Jahr. Allein in Hessen leben 1600 Einkommen-Millionäre. Die Verhältnisse stimmen einfach nicht: Wenn ein Pförtner einer Bank 300 Jahre arbeiten müsste, um das Jahresgehalt seines Chefs zu verdienen, dann stimmen die Maßstäbe nicht. Diese soziale Spaltung ist ab einem gewissen Punkt demokratiegefährdend. In unserem Land gibt es Geld wie Heu, es ist bloß falsch verteilt. Daher ist die Frage nach der Aufwertung bestimmter Berufe, eine Frage der Verteilung.
Wie wollen Sie die Mieten in Frankfurt wieder bezahlbar machen?
Frankfurt rühmt sich damit, eine investorenfreundliche Stadt zu sein. Wir müssen uns die Frage stellen: Wem gehört die Stadt? Frankfurt muss eine Stadt sein für die Menschen, die hier leben und nicht ein Tummelfeld für Investoren. Viele Menschen können sich die hohen Mieten nicht leisten. Frankfurt zeigt, was passiert, wenn man die Versorgung mit Wohnungen dem Markt überlässt. Investoren bauen keinen bezahlbaren Wohnraum für Familien, für Studierende, für Rentnerinnen und Rentner, sie bauen Objekte, mit denen sich Geld verdienen lässt. Wohnungen sind aber keine Renditeobjekte, sondern ein Zuhause für Menschen.
Was schätzen Sie an Frankfurt am meisten?
Frankfurt ist eine Stadt von Widersprüchen. Auf der einen Seite wird Frankfurt wahrgenommen als die Stadt der Börse, der Banken, des Kapitals. Auf der anderen Seite ist Frankfurt eine Stadt, von der immer schon progressive Bewegungen ausgegangen sind, beispielsweise 1968. Frankfurt ist vielfältig und international. Natürlich gibt es auch in Frankfurt Rassismus und Diskriminierung, dennoch ist es den Neo-Nazis schon seit Jahren nicht mehr gelungen, durch die Stadt zu marschieren - einfach, weil die Zivilgesellschaft das nicht zulässt. In Frankfurt gibt es viele Menschen, die bereit sind, demokratische Errungenschaften zu verteidigen.
Janine Wissler, 37 Jahre alt, hat Politikwissenschaft studiert und ist seit 2007 Mitglied im Parteivorstand der LINKEN.
5. Oktober 2018, 11.54 Uhr
Ronja Merkel
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. Mehr von Ronja
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