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Thorsten Schäfer-Gümbel im Gespräch
„Wenn der Staat Banken retten kann, kann er auch Mieterinnen und Mieter schützen.“
Thorsten Schäfer-Gümbel ist stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD und tritt bei der hessischen Landtagswahl am 28. Oktober als Spitzenkandidat für seine Partei an. Mit uns hat er über die wichtigsten Punkte seines Wahlprogramms gesprochen.
JOURNAL FRANKFURT: Was konnte die SPD in den vergangenen fünf Jahren in der Opposition bewirken?
TSG: Als Opposition haben wir einen Kontroll- und Transparenzauftrag. Mit unseren permanenten politischen Initiativen zum Thema Gebührenfreiheit und dem so erzeugten Druck haben wir die Koalition zumindest zu kleinen Schritten hin zu einer freien Bildung bewegen können. Am meisten erfüllt uns allerdings mit Stolz, dass es uns auf dem Höhepunkt der Humanitätskrise gelungen ist, mit der Regierung zu kooperieren und gemeinsame Lösungen zu finden. Wir haben uns klar positioniert, mit und nicht gegen die Landesregierung gearbeitet und damit einen wesentlichen Beitrag zum Zusammenhalt des Landes geleistet.
Wie wollen Sie beispielsweise dem Lehrermangel in Hessen begegnen?
Der Lehrermangel, den wir gerade erleben, hat sich bereits seit Langem abgezeichnet. Wenn man zu wenige Lehrer ausbildet, fehlen sie zwangsläufig später in der Schule. Und wenn das Land Hessen die Arbeitsbedingungen von Lehrerinnen und Lehrern verschlechtert, bewerben sich diese selbstverständlich in anderen Bundesländern. Wir brauchen weniger Bürokratie und mehr Ganztagsschulen. Damit meine ich keine Nachmittagsbetreuung, sondern echte Ganztagsschulen mit einem Pädagogik-Konzept, das nicht bloß auf stumpfen Wiederholungen und
Hausaufgaben aufbaut.
Ist das finanzierbar?
Ja, das ist finanzierbar. Das Interessante ist: Wenn die Landesregierung etwas möchte, ist es immer finanzierbar. Fordert dagegen die Opposition etwas, ist es plötzlich zu teuer. Durch die Reform der Bildungspläne in den vergangenen Jahren sind vor allem Fragen der politischen und kulturellen Bildung immer stärker zurückgedrängt worden. Nun wird man aber nicht als Demokrat geboren – auch Demokratie muss man lernen. Der respektvolle Umgang miteinander, offener Austausch, das Eingehen von Kompromissen, konstruktives Argumentieren – all das muss man lernen und dafür benötigen wir ein System, das Bildungsbenachteiligung entgegenwirkt.
Nur die Lehrkräfte-Situation zu verändern, wird aber vermutlich nicht ausreichen, um echte Bildungs- und Chancengleichheit zu schaffen. Was können Sie für Kinder aus sozial schwächeren Familien oder aus solchen mit Migrationshintergrund machen?
Sie haben völlig recht, nur neue Lehrstellen zu schaffen, reicht nicht aus. Wir brauchen vor allem multiprofessionelle Teams in den Schulen, das heißt, wir brauchen eine funktionierende Schulsozialarbeit. Die will die aktuelle Landesregierung aber nicht finanzieren, was ein enormes Problem darstellt. Wir brauchen dringend mehr Psychologinnen und Psychologen in den Schulen. Derzeit ist der psychologische Dienst an staatlichen Schulen völlig überlastet. Es geht darum, junge Menschen in der Phase ihrer Identitätsfindung zu unterstützen.
„Bauen, bauen, bauen“ – ist das die Antwort auf die Frage nach bezahlbaren Wohnraum?
Bezahlbares Wohnen ist die zentrale soziale Frage unserer Zeit. Es ist absurd, dass die Menschen, die Städte wie Frankfurt lebendig machen, sich ihren Wohnraum nicht mehr leisten können. Wie schaffen wir bezahlbaren Wohnraum? Indem wir den Spekulanten den Stecker ziehen. Wie ziehen wir ihnen den Stecker? Indem wir bezahlbare Wohnungen bauen und indem wir eine Auszeit bei der Mietpreisexplosion erreichen. Die Mietpreisbremse muss scharf gestellt werden. Wir brauchen eine Auszeit in der Mietentwicklung, damit wir in der Lage sind, bezahlbare Wohnungen zu bauen und den Verdrängungswettbewerb von Menschen mit normalem Einkommen aufzuhalten. Wenn der Staat Banken retten kann, kann er auch Mieterinnen und Mieter schützen.
Über Thorsten Schäfer-Gümbel: genannt TSG, 48 Jahre, bereits seit 2009 Landesvorsitzender der SPD Hessen, seit 2013 stellvertretender Bundesvorsitzender.
Ein Auszug aus diesem Interview erschien zuerst in Ausgabe 10/2018 des JOURNAL FRANKFURT.
TSG: Als Opposition haben wir einen Kontroll- und Transparenzauftrag. Mit unseren permanenten politischen Initiativen zum Thema Gebührenfreiheit und dem so erzeugten Druck haben wir die Koalition zumindest zu kleinen Schritten hin zu einer freien Bildung bewegen können. Am meisten erfüllt uns allerdings mit Stolz, dass es uns auf dem Höhepunkt der Humanitätskrise gelungen ist, mit der Regierung zu kooperieren und gemeinsame Lösungen zu finden. Wir haben uns klar positioniert, mit und nicht gegen die Landesregierung gearbeitet und damit einen wesentlichen Beitrag zum Zusammenhalt des Landes geleistet.
Wie wollen Sie beispielsweise dem Lehrermangel in Hessen begegnen?
Der Lehrermangel, den wir gerade erleben, hat sich bereits seit Langem abgezeichnet. Wenn man zu wenige Lehrer ausbildet, fehlen sie zwangsläufig später in der Schule. Und wenn das Land Hessen die Arbeitsbedingungen von Lehrerinnen und Lehrern verschlechtert, bewerben sich diese selbstverständlich in anderen Bundesländern. Wir brauchen weniger Bürokratie und mehr Ganztagsschulen. Damit meine ich keine Nachmittagsbetreuung, sondern echte Ganztagsschulen mit einem Pädagogik-Konzept, das nicht bloß auf stumpfen Wiederholungen und
Hausaufgaben aufbaut.
Ist das finanzierbar?
Ja, das ist finanzierbar. Das Interessante ist: Wenn die Landesregierung etwas möchte, ist es immer finanzierbar. Fordert dagegen die Opposition etwas, ist es plötzlich zu teuer. Durch die Reform der Bildungspläne in den vergangenen Jahren sind vor allem Fragen der politischen und kulturellen Bildung immer stärker zurückgedrängt worden. Nun wird man aber nicht als Demokrat geboren – auch Demokratie muss man lernen. Der respektvolle Umgang miteinander, offener Austausch, das Eingehen von Kompromissen, konstruktives Argumentieren – all das muss man lernen und dafür benötigen wir ein System, das Bildungsbenachteiligung entgegenwirkt.
Nur die Lehrkräfte-Situation zu verändern, wird aber vermutlich nicht ausreichen, um echte Bildungs- und Chancengleichheit zu schaffen. Was können Sie für Kinder aus sozial schwächeren Familien oder aus solchen mit Migrationshintergrund machen?
Sie haben völlig recht, nur neue Lehrstellen zu schaffen, reicht nicht aus. Wir brauchen vor allem multiprofessionelle Teams in den Schulen, das heißt, wir brauchen eine funktionierende Schulsozialarbeit. Die will die aktuelle Landesregierung aber nicht finanzieren, was ein enormes Problem darstellt. Wir brauchen dringend mehr Psychologinnen und Psychologen in den Schulen. Derzeit ist der psychologische Dienst an staatlichen Schulen völlig überlastet. Es geht darum, junge Menschen in der Phase ihrer Identitätsfindung zu unterstützen.
„Bauen, bauen, bauen“ – ist das die Antwort auf die Frage nach bezahlbaren Wohnraum?
Bezahlbares Wohnen ist die zentrale soziale Frage unserer Zeit. Es ist absurd, dass die Menschen, die Städte wie Frankfurt lebendig machen, sich ihren Wohnraum nicht mehr leisten können. Wie schaffen wir bezahlbaren Wohnraum? Indem wir den Spekulanten den Stecker ziehen. Wie ziehen wir ihnen den Stecker? Indem wir bezahlbare Wohnungen bauen und indem wir eine Auszeit bei der Mietpreisexplosion erreichen. Die Mietpreisbremse muss scharf gestellt werden. Wir brauchen eine Auszeit in der Mietentwicklung, damit wir in der Lage sind, bezahlbare Wohnungen zu bauen und den Verdrängungswettbewerb von Menschen mit normalem Einkommen aufzuhalten. Wenn der Staat Banken retten kann, kann er auch Mieterinnen und Mieter schützen.
Über Thorsten Schäfer-Gümbel: genannt TSG, 48 Jahre, bereits seit 2009 Landesvorsitzender der SPD Hessen, seit 2013 stellvertretender Bundesvorsitzender.
Ein Auszug aus diesem Interview erschien zuerst in Ausgabe 10/2018 des JOURNAL FRANKFURT.
17. Oktober 2018, 21.12 Uhr
Ronja Merkel
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. Mehr von Ronja
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