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Straßenwahlkampf in Sachsenhausen
Im Schein von Boris Rhein
Freitag. Wahlkampf von Boris Rhein. Er wird zum Anzugspunkt des Frankfurter CDU-Klischeewählers. Vergoldete iPhones, pomadisierte Haare und Burberry-Schals versammeln sich um die gleißende, politische Lichtgestalt Rheins.
Boris Rhein kreuzt am 16.März, einem sonnigen, wunderschönen Freitag, pünktlich um 15 Uhr auf dem Schweizer Platz auf. In seinem Gefolge: vier absolut unauffällige, in schwarzen Men-In-Black-Anzügen gekleidete Securityleute, die sich geschickt unter das gewöhnliche Volk mischen sollen, um ihren womöglich zukünftigen Oberbürgermeister vor den bösen Menschen in Sachsenhausen zu schützen. Ist ja auch ein echt schlimmes Ghetto da drüben, auf der anderen Seite des Mains.
Rhein hat einen festen Händedruck und freut sich jemanden von der Presse da zu haben: „Ach, vom Journal Frankfurt, das ist ja schön!“, strahlt er mich an. Kurz darauf wird er schon vom Feind belagert: Eine junge Dame mit lila T-Shirt und Bad-Hair-Day macht sich Sorgen: „Herr Rhein, was planen Sie denn konkret gegen den Fluglärm zu machen, ich bin nicht bereit, in Zukunft Sprüche zu ertragen – so nach dem Motto, ich hätte ja die freie Wahl aus Sachsenhausen wegzuziehen, wie sie unsere gute Oberbürgermeisterin Frau Roth schon von sich gelassen hat. Ich bin um die Gesundheit unserer Bürger sehr besorgt.“ Rheins Antwort: „Ja gut, also das fand ich auch unmöglich, ich werde mich natürlich bemühen, etwas gegen Fluglärm zu tun, aber das ist ja jetzt alles nicht mehr so einfach, wir haben einen Planfeststellungsbeschluss und die Leute, die das da gebaut haben, sind auch durch das Grundgesetz geschützt.“ Die junge Dame daraufhin: „Ja, aber Herr Rhein, das geht doch so nicht. Irgendwann ist die Grenze des Erträglichen erreicht, da gibt es Kinder, die nicht mehr schlafen können.“ Rhein erwidert: „Weiß ich doch, das ist ja auch alles ganz schrecklich.“
Als die Frau sich mit seinen inhaltslosen Aussagen nicht mehr zufrieden geben möchte und nach einem echten Statement verlangt, dreht Rhein sich unvermittelt, ohne Antwort zu geben, von ihr weg und marschiert auf einen seiner echten Fans zu, gekleidet mit Hermèsgürtel und Longchamp-Täschchen, zugeschoben vom hochmotivierten Wahlkampf-Team: „Ach, wie schön sie zu sehen, das freut mich, ich habe doch neulich ihre Tochter kennengelernt, sie studiert Jura, nicht wahr?“, die Antwort der gutbetuchten Frau fällt bescheiden aus: „Ja, wie schön sie wiederzusehen! Ich bin begeistert, das ist ja toll hier! Ja, sie studiert im achten Semester Jura, sie hat gerade einen Platz im Bundestag bekommen.“
Small-Talk geht immer, ist ja auch viel einfacher, als die Karten mal auf den Tisch zu legen. Drei weitere Wähler schiebt ihm sein Team hin, dreimal Smalltalk, dreimal strahlende Gesichter auf beiden Seiten, dreimal komplett inhaltsleeres Geplänkel auf höchstem gesellschaftlichen Niveau.
Als der nächste Wähler kommt, ist Boris das Lächeln schon im Gesicht festgefroren. Aber dieses Mal hat er es nicht ganz so leicht, denn zum ersten Mal bekommt er das Versprechen gewählt zu werden, aber doch gleichzeitig die Bitte, nicht untätig beim Fluglärm zu bleiben. Rhein ist klug genug, um seinen Wählern Zustimmung und Verständnis zu vermitteln und trotzdem kein Versprechen zu geben – vielleicht ist das sogar noch das Ehrlichste, was wir von Politikern erwarten können.
Immer wieder betont er, dass er ja auch an einer Hauptstraße lebe und deshalb um das Problem des Lärms wisse, dass er das ja auch nicht schön fände, wie sich das alles entwickelt, aber das ginge jetzt nun mal alles nicht so einfach. Bezüglich des Themas Fluglärm sind Rheins Vorträge gegenüber den Bürgern mehr redundant, denn wertvoll.
Die letzte Frau, deren Begehren ich mir zusammen mit Rhein anhöre, ist eine ältere Dame in Wohnungsnot: „Ja, hier in Sachsenhausen verkaufen die meine Mietwohnung, das kann ich mir doch nicht leisten, wo soll ich denn jetzt hin, ich bin älter, ich brauche die Anbindung an die Infrastruktur, meine Ärzte sind hier!“ Beruhigend redet Rhein auf sie ein: „ Ich kann ihre Sorgen sehr gut verstehen und absolut nachvollziehen, das geht ja so auch nicht, ich kann verstehen, dass sie zentral wohnen bleiben möchten. Haben Sie schon mal das Hochbauamt angerufen?“ Die Frau schüttelt den Kopf. Und zum ersten Mal an diesem Nachmittag versucht Rhein eine konkrete Aussage zu machen: „Na dann melden Sie sich mal bei uns, vielleicht können wir da was für Sie machen“, zwinkert er der älteren Dame zu und verabschiedet sich von ihr.
Ob Rhein sein Angebot in die Tat umsetzen wird, werde ich wohl nie erfahren. Ob ich das Kreuzchen bei der Wahl für ihn setzen würde? Fraglich, aber diese Entscheidung werde ich als Neu-Isenburgerin gottseidank nicht treffen müssen.
In einer früheren Version dieses Artikels war vom Freitag, 19. März, die Rede. Wir haben den Fehler korrigiert, und danken den aufmerksamen Lesern. Die Red.
Rhein hat einen festen Händedruck und freut sich jemanden von der Presse da zu haben: „Ach, vom Journal Frankfurt, das ist ja schön!“, strahlt er mich an. Kurz darauf wird er schon vom Feind belagert: Eine junge Dame mit lila T-Shirt und Bad-Hair-Day macht sich Sorgen: „Herr Rhein, was planen Sie denn konkret gegen den Fluglärm zu machen, ich bin nicht bereit, in Zukunft Sprüche zu ertragen – so nach dem Motto, ich hätte ja die freie Wahl aus Sachsenhausen wegzuziehen, wie sie unsere gute Oberbürgermeisterin Frau Roth schon von sich gelassen hat. Ich bin um die Gesundheit unserer Bürger sehr besorgt.“ Rheins Antwort: „Ja gut, also das fand ich auch unmöglich, ich werde mich natürlich bemühen, etwas gegen Fluglärm zu tun, aber das ist ja jetzt alles nicht mehr so einfach, wir haben einen Planfeststellungsbeschluss und die Leute, die das da gebaut haben, sind auch durch das Grundgesetz geschützt.“ Die junge Dame daraufhin: „Ja, aber Herr Rhein, das geht doch so nicht. Irgendwann ist die Grenze des Erträglichen erreicht, da gibt es Kinder, die nicht mehr schlafen können.“ Rhein erwidert: „Weiß ich doch, das ist ja auch alles ganz schrecklich.“
Als die Frau sich mit seinen inhaltslosen Aussagen nicht mehr zufrieden geben möchte und nach einem echten Statement verlangt, dreht Rhein sich unvermittelt, ohne Antwort zu geben, von ihr weg und marschiert auf einen seiner echten Fans zu, gekleidet mit Hermèsgürtel und Longchamp-Täschchen, zugeschoben vom hochmotivierten Wahlkampf-Team: „Ach, wie schön sie zu sehen, das freut mich, ich habe doch neulich ihre Tochter kennengelernt, sie studiert Jura, nicht wahr?“, die Antwort der gutbetuchten Frau fällt bescheiden aus: „Ja, wie schön sie wiederzusehen! Ich bin begeistert, das ist ja toll hier! Ja, sie studiert im achten Semester Jura, sie hat gerade einen Platz im Bundestag bekommen.“
Small-Talk geht immer, ist ja auch viel einfacher, als die Karten mal auf den Tisch zu legen. Drei weitere Wähler schiebt ihm sein Team hin, dreimal Smalltalk, dreimal strahlende Gesichter auf beiden Seiten, dreimal komplett inhaltsleeres Geplänkel auf höchstem gesellschaftlichen Niveau.
Als der nächste Wähler kommt, ist Boris das Lächeln schon im Gesicht festgefroren. Aber dieses Mal hat er es nicht ganz so leicht, denn zum ersten Mal bekommt er das Versprechen gewählt zu werden, aber doch gleichzeitig die Bitte, nicht untätig beim Fluglärm zu bleiben. Rhein ist klug genug, um seinen Wählern Zustimmung und Verständnis zu vermitteln und trotzdem kein Versprechen zu geben – vielleicht ist das sogar noch das Ehrlichste, was wir von Politikern erwarten können.
Immer wieder betont er, dass er ja auch an einer Hauptstraße lebe und deshalb um das Problem des Lärms wisse, dass er das ja auch nicht schön fände, wie sich das alles entwickelt, aber das ginge jetzt nun mal alles nicht so einfach. Bezüglich des Themas Fluglärm sind Rheins Vorträge gegenüber den Bürgern mehr redundant, denn wertvoll.
Die letzte Frau, deren Begehren ich mir zusammen mit Rhein anhöre, ist eine ältere Dame in Wohnungsnot: „Ja, hier in Sachsenhausen verkaufen die meine Mietwohnung, das kann ich mir doch nicht leisten, wo soll ich denn jetzt hin, ich bin älter, ich brauche die Anbindung an die Infrastruktur, meine Ärzte sind hier!“ Beruhigend redet Rhein auf sie ein: „ Ich kann ihre Sorgen sehr gut verstehen und absolut nachvollziehen, das geht ja so auch nicht, ich kann verstehen, dass sie zentral wohnen bleiben möchten. Haben Sie schon mal das Hochbauamt angerufen?“ Die Frau schüttelt den Kopf. Und zum ersten Mal an diesem Nachmittag versucht Rhein eine konkrete Aussage zu machen: „Na dann melden Sie sich mal bei uns, vielleicht können wir da was für Sie machen“, zwinkert er der älteren Dame zu und verabschiedet sich von ihr.
Ob Rhein sein Angebot in die Tat umsetzen wird, werde ich wohl nie erfahren. Ob ich das Kreuzchen bei der Wahl für ihn setzen würde? Fraglich, aber diese Entscheidung werde ich als Neu-Isenburgerin gottseidank nicht treffen müssen.
In einer früheren Version dieses Artikels war vom Freitag, 19. März, die Rede. Wir haben den Fehler korrigiert, und danken den aufmerksamen Lesern. Die Red.
19. März 2012, 11.59 Uhr
Annika Schlendermann
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