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Petra Roth zu Gast bei Markus Lanz
Eine Talkshow wie ein Pilcher-Film
Frech nachfragen, das kann Markus Lanz. Leider stellte er in seiner Sendung die falschen Fragen. Denn: Ist es wirklich so wichtig, wer Petra Roth fragte, ob sie sich vorstellen könne, Bundespräsidentin zu werden?
Als ungeübter Zuschauer der Sendung von Markus Lanz ist man leicht irritiert. Gibt es hier ein Thema? Gibt es einen Leitfaden? Nun, vielleicht besteht der Leitfaden einfach aus dem Titel der Sendung. Die heißt, wie ihr Moderator, schlicht Markus Lanz. An diesem Abend sitzt der adrette Mann neben einer adretten Dame, Frankfurts früherer Oberbürgermeisterin Petra Roth. Sie werde über ihren Ziehvater Helmut Kohl sprechen und über ihren Abschied von der Stadtpolitik, hieß es in der Ankündigung des Senders. Ansonsten sind da: die Schauspielerin Natalia Wörner, die von ihrer Rolle in einem Pilcher-Film erzählen wird, kein deutscher Pilcher-Film, wie sie betont, sondern einer der besseren, englischen Varianten, die im gezeigten Ausschnitt aber rein dialogmäßig den sonstigen Cornwall-Ergüssen in nichts nachstehen. Dann der Schauspieler Richy Müller, der auch vor der Kamera war und davon erzählt. Dann der Kabarettist Tobias Mann, der jede Frage mit einem Scherz zu kontern weiß. Und schließlich Samuel Koch, dieser Typ, der querschnittsgelähmt ist, seit er im ZDF über Autos sprang. Wer passt nicht in die Reihe, würde es in einem IQ-Test heißen und hier ist man geneigt zu sagen: alle passen nicht in die Reihe. Jeder erzählt ein bisschen davon, was er grade so macht. Oder nicht mehr macht. Petra Roth gibt also wieder die Story zum Besten, dass sie einst Willy Brandt wählte, weil ihre nächsten Verwandten sozialdemokratisch geprägt waren, bevor die Familienpolitik, die Aufbruchstimmung in der CDU sie ins bürgerliche Lager lockten. "Ich dachte mir, Mensch, da kannst Du richtig was verändern." Das tat sie dann auch, bis sie irgendwann im Landtag ein Anruf Helmut Kohls ereilte. "Ich saß neben Volker Bouffier in der Fraktionssitzung als der livrierte Saaldiener kam - ich konnte es gar nicht glauben." Der strenge Manfred Kanther erlaubte, dass Frau Roth mal kurz telefonieren durfte, zwei Tage später saß sie bei Helmut Kohl zur Inaugenscheinnahme, der beachtete sie nicht, bis er am Ende den versammelten Herren erklärte: "Die Petra Roth soll das mal machen, die kann mit den Leuten." So trat sie dann gegen den "schönsten Oberbürgermeister" des Landes an, gegen Andreas von Schoeler, der Rest ist Geschichte. Dass sie zuletzt auch für das Bundespräsidentenamt im Gespräch war, begeisterte wiederum Herrn Lanz, der gefühlt hundertmal nachhakte, wer denn nun den entscheidenden Anruf bei ihr tätigte, an einem Sonntagmorgen um 11 Uhr. War es Angela Merkel? Kauder? Eine sie, ein er, ein es? Das sind so Fragen, während sich der ungeübte Lanz-Gucker fragt: Was spielt das für eine Rolle? Reicht es nicht zu wissen, dass sie im Gespräch war und es am Ende ein anderer wurde? Wäre nicht interessanter zu erfahren, warum Frau Roth zurücktrat? Doch solche Geheimnisse zu lüften, passen nicht in eine Show, die schnell zum nächsten Gast, zur nächsten Geschichte hüpfen muss. Das interessanteste war noch ein alter Mitschnitt aus dem Nusoul von der Veranstaltung Frankfurt legt auf, Petra Roth hinterm Plattenteller, den Laden gibt es auch nicht mehr dank der Strenge der Deka-Bank. Manchmal wünscht man sich diese Talkshows aus den 70er-Jahren zurück. Zwei Menschen, ein Gespräch, viele Antworten. So bleiben 90 vergeudete Minuten, die gefilmt sind für Menschen mit niedriger Aufmerksamkeitsspanne, für Zapper im Nachtprogramm, ach guck mal, der Lanz, lass doch mal kurz schauen. Die Gäste sind austauschbar, die Geschichten auch, nur Markus Lanz bleibt wie Cornwall in Pilcher-Filmen immer präsent. Das ist tatsächlich der einzige rote Faden. Wie schade.
20. Dezember 2012, 10.52 Uhr
Nils Bremer
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