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Oliver Maria Schmitt
Wie Wahlkampf in Frankfurt funktioniert
Was für eine Langeweile von Wahlkämpfen ausgehen kann, war in Frankfurt stets deutlich. Rühmliche Ausnahme: 2012, als Oliver Maria Schmitt zum Stadtoberhaupt der Herzen wurde. Jetzt hat er ein Buch darüber geschrieben.
"95 Thesen für Frankfurt - und keine für Offenbach", damit ging Oliver Maria Schmitt in die Offensive. War leider ein kleiner Druckfehler, letztlich ging er mit 9,5 Thesen in den Wahlkampf ums Oberbürgermeisteramt. Geschadet hat ihm der Faux-pas nicht. Ganz im Gegenteil. Passable 1,7 Prozent holte er im ersten Wahlgang am 11. März 2012. Seine Stimmen schenkte er danach Peter Feldmann - die Entscheidung darüber fällte ein Käufer einer eBay-Auktion. Herr Schmitt selbst war's herzlich egal: "Entweder einer aus dem schwarzen Sumpf oder die Pappnase", sagte er über die Konkurrenten Boris Rhein (CDU) und Peter Feldmann (SPD). Es war der finale Akt eines Wahlkampfs, der ohne Oliver Maria Schmitt ziemlich langweilig gewesen wäre. Nicht, dass das Ergebnis nicht überrascht hätte. Boris Rhein abgeschlagen, Peter Feldmann weit vorne. Aber nur ungerne erinnern wir uns an die eine oder andere Wahlkampfveranstaltung der Spitzenkandidaten zurück. Das Motto von Schmitts Partei "Inhalte überwinden" hätte auch gut zum CDU-Kandidaten gepasst, der milde lächelnd und bar jeder politischen Aussage von den Plakaten lächelte. Da half am Ende auch nicht, einfach seine Vorgängerin Petra Roth zu plakatieren. Und Peter Feldmann? War zu sehen, wie er mit Kindern ein Regal zusammenbaute. Haben wir nicht verstanden, aber aus der SPD-Kampa hieß es nur, das sei auch eher für die Leute in den Hochhäusern. Die würden die Message voll checken.
Nee, dann doch lieber Oliver Maria Schmitt, Oberbürgermeister der Herzen. Der sagte bei der Vorstellung seines Wahlprogramms: "Ich verspreche Ihnen heute einen schmutzigen Wahlkampf." Na, also, geht doch. Auf den Plakaten wurden Handkäs-Ohrschützer präsentiert (gegen Fluglärm), zeigte sich der Kandidat inmitten süßer Häschen ("Keine Experimente") oder bekannte schlicht: "Ich brauch den Job". Er versprach, mit dem Projekt Frankfurt 21 das Bankenviertel unter die Erde zu bringen, das Holzhausenviertel ins Gallus zu verlegen und: "Das große Euro-Signet vor dem EZB-Hochhaus wird nicht entfernt - es wird nur ein Minuszeichen davor gesetzt."
Über ein Jahr ist das alles nun schon wieder her. Wie schön also, dass man diese lustige Zeit nun noch einmal nacherleben kann. Schmitt schreibt über seine Gedankenwelt nach dem Anruf seines Partei-Vorsitzenden: "Vor einigen Tagen hatte die Oberbürgermeisterin, die diese Stadt seit einem gefühlten Jahrhundert regierte, ihren Rückzug angekündigt. Pensionsansprüche verprassen. Ein Nachfolger war nicht in Sicht. Ich hatte das zunächst nur am Rande mitbekommen, ich war mit dem Relaunch meines Lebenskonzepts beschäftigt. Frankfurt hin oder her – wie es mit mir weitergehen sollte, das war die große Frage. Manchmal ist es wie mit dem Wald, den man vor lauter Bäumen nicht sieht: Ich erkannte erst gar nicht, dass das Amt des Oberbürgermeisters der ideale Einstieg in die Profipolitik war,der Steigbügel für den Kanzlersattel." So wird es auch kommen, gerade hat der Frankfurter nicht nur seine Kandidatur für die Landtagswahl bekanntgegeben, auch Kanzler will er laut eigenem Bekunden werden. Das könnte eine Doppelbelastung werden, aber eine, mit der Oliver Maria Schmitt umzugehen weiß.
Im Buch heißt es: "Der Endkampf um Frankfurt war, ich kann das nicht anders sagen, eine verzweifelte Schlacht, ein Ringen, roh und unerbittlich, Härte zehn. Streng genommen sogar Härte fünfzehn, denn bei tiefsten Stalingradtemperaturen, bei minus fünfzehn Grad, starteten wir die letzte große Materialschlacht dieser Frankfurter Kampagne.(...) Mit steifgefrorenen Fingern plakatierten wir Wände, Laternenmasten, Mülleimer, U-Bahn-Eingänge und, wenn sie sich nicht schnell genug in Sicherheit brachten, auch Passanten." Anders gesagt: Wer in Frankfurt Oberbürgermeister der Herzen werden kann, dem stehen alle Türen offen. Was bleibt? Ein Buch. Ein Kandidat. Der Aufstieg des FSV, den Schmitt vehement forderte, steht kurz bevor. Und ein Tränchen: Denn die von Oliver Maria Schmitt so geliebten Erdmännchen verschieden im vergangenen Jahr, nachdem ihr unterirdischer Bau eingestürzt war. Klarer Verstoß der Stadtgesellschaft gegen These Nummer 9: "Mehr kleine und niedliche Tiere für den Frankfurter Zoo!" Deswegen geht der Erlös der am Donnerstagabend stattfinden Lesung auch zugunsten eines einsturzsicheren Erdmännchengeheges. Die Stimmen der putzigen Tierchen dürften Schmitt sicher sein.
>> Oliver Maria Schmitt: Mein Wahlkampf
Rowohlt Berlin, 256 Seiten, 9,99 Euro
>> Buchpräsentation
2.5., 20 Uhr, Caricatura-Museum, mit Boris Rhein, Eintritt: 5 €, der Erlös wird für die Errichtung eines sicheren Erdmännchengeheges gestiftet. Reservierung:
meinwahlkampf@gmx.de
Einen Vorabdruck aus dem Buch lesen Sie im aktuellen Journal Frankfurt.
Nee, dann doch lieber Oliver Maria Schmitt, Oberbürgermeister der Herzen. Der sagte bei der Vorstellung seines Wahlprogramms: "Ich verspreche Ihnen heute einen schmutzigen Wahlkampf." Na, also, geht doch. Auf den Plakaten wurden Handkäs-Ohrschützer präsentiert (gegen Fluglärm), zeigte sich der Kandidat inmitten süßer Häschen ("Keine Experimente") oder bekannte schlicht: "Ich brauch den Job". Er versprach, mit dem Projekt Frankfurt 21 das Bankenviertel unter die Erde zu bringen, das Holzhausenviertel ins Gallus zu verlegen und: "Das große Euro-Signet vor dem EZB-Hochhaus wird nicht entfernt - es wird nur ein Minuszeichen davor gesetzt."
Über ein Jahr ist das alles nun schon wieder her. Wie schön also, dass man diese lustige Zeit nun noch einmal nacherleben kann. Schmitt schreibt über seine Gedankenwelt nach dem Anruf seines Partei-Vorsitzenden: "Vor einigen Tagen hatte die Oberbürgermeisterin, die diese Stadt seit einem gefühlten Jahrhundert regierte, ihren Rückzug angekündigt. Pensionsansprüche verprassen. Ein Nachfolger war nicht in Sicht. Ich hatte das zunächst nur am Rande mitbekommen, ich war mit dem Relaunch meines Lebenskonzepts beschäftigt. Frankfurt hin oder her – wie es mit mir weitergehen sollte, das war die große Frage. Manchmal ist es wie mit dem Wald, den man vor lauter Bäumen nicht sieht: Ich erkannte erst gar nicht, dass das Amt des Oberbürgermeisters der ideale Einstieg in die Profipolitik war,der Steigbügel für den Kanzlersattel." So wird es auch kommen, gerade hat der Frankfurter nicht nur seine Kandidatur für die Landtagswahl bekanntgegeben, auch Kanzler will er laut eigenem Bekunden werden. Das könnte eine Doppelbelastung werden, aber eine, mit der Oliver Maria Schmitt umzugehen weiß.
Im Buch heißt es: "Der Endkampf um Frankfurt war, ich kann das nicht anders sagen, eine verzweifelte Schlacht, ein Ringen, roh und unerbittlich, Härte zehn. Streng genommen sogar Härte fünfzehn, denn bei tiefsten Stalingradtemperaturen, bei minus fünfzehn Grad, starteten wir die letzte große Materialschlacht dieser Frankfurter Kampagne.(...) Mit steifgefrorenen Fingern plakatierten wir Wände, Laternenmasten, Mülleimer, U-Bahn-Eingänge und, wenn sie sich nicht schnell genug in Sicherheit brachten, auch Passanten." Anders gesagt: Wer in Frankfurt Oberbürgermeister der Herzen werden kann, dem stehen alle Türen offen. Was bleibt? Ein Buch. Ein Kandidat. Der Aufstieg des FSV, den Schmitt vehement forderte, steht kurz bevor. Und ein Tränchen: Denn die von Oliver Maria Schmitt so geliebten Erdmännchen verschieden im vergangenen Jahr, nachdem ihr unterirdischer Bau eingestürzt war. Klarer Verstoß der Stadtgesellschaft gegen These Nummer 9: "Mehr kleine und niedliche Tiere für den Frankfurter Zoo!" Deswegen geht der Erlös der am Donnerstagabend stattfinden Lesung auch zugunsten eines einsturzsicheren Erdmännchengeheges. Die Stimmen der putzigen Tierchen dürften Schmitt sicher sein.
>> Oliver Maria Schmitt: Mein Wahlkampf
Rowohlt Berlin, 256 Seiten, 9,99 Euro
>> Buchpräsentation
2.5., 20 Uhr, Caricatura-Museum, mit Boris Rhein, Eintritt: 5 €, der Erlös wird für die Errichtung eines sicheren Erdmännchengeheges gestiftet. Reservierung:
meinwahlkampf@gmx.de
Einen Vorabdruck aus dem Buch lesen Sie im aktuellen Journal Frankfurt.
2. Mai 2013, 11.56 Uhr
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