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OB Peter Feldmann & Rosemarie Heilig im Interview

„Wir brauchen endlich ein Paritätsgesetz“

Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) und Frauen- und Umweltdezernentin Heilig (Bündnis 90/Die Grünen) setzen sich dafür ein, dass der Weltfrauentag in Hessen ein gesetzlicher Feiertag wird. Im Gespräch erklären sie, warum es wichtig ist, ein Zeichen zu setzen.
JOURNAL FRANKFURT: Dieses Jahr ist für die Frauenbewegung ein besonderes Jahr: Das Frauenwahlrecht besteht seit 100 Jahren. Nun fordern Sie, Frau Heilig, und Oberbürgermeister Feldmann, dass der Internationale Frauentag ein gesetzlicher Feiertag wird. Warum ist dies für Sie als Frauendezernentin ein besonderes Anliegen?

Rosemarie Heilig: Wenn man in die Welt schaut, die Welt der neuen, martialischen Autokraten, dann treibt uns die Sorge vor einem anti-emanzipatorischen Rollback. Und diese Welt ist nicht irgendwo weit weg, sondern auch ganz in unserer Nachbarschaft hier mitten in Europa. Wir sind allerdings nicht bereit, eine Zeitenwende neuer Ressentiments klaglos zu erdulden. Denn wir spüren alle, dass der Wind uns entgegenweht – gesellschaftliche Kräfte, Rechtspopulisten und Antifeministen versuchen zu spalten, Frauenrechte auszuhöhlen, Frauen gegeneinander auszuspielen und Erreichtes zu demontieren. Wir sollten gemeinsam dafür eintreten, dass die, die Frauenrechte in Frage stellen, nicht die Debatte dominieren – weder auf der Straße noch in den Parlamenten.

Warum ist es prinzipiell sinnvoll, den Internationalen Frauentag zum gesetzlichen Feiertag zu machen? Was wird sich dadurch verändern?

Oberbürgermeister Feldmann: Es ist in der heutigen Zeit einfach ein richtiges und wichtiges Signal. In Bezug auf die Gleichstellung von Frauen und Männern muss man sicherlich anerkennen, dass viel erreicht wurde in den vergangenen Jahrzehnten, aber es ist noch mindestens ebenso viel zu tun. Frauen verdienen bei gleichen Aufgaben oft immer noch weniger als Männer, ihnen wird es im Berufsleben schwerer gemacht voranzukommen und selbst wenn sie eine bestimmte hohe Position erreicht haben, müssen sie sich allerlei dumme Sprüche und Vorurteile anhören. Das muss aufhören! Vielleicht ist der Feiertag das richtige Mittel, um hier den Finger in die Wunde zu legen.

RH: Feiertage würdigen Ereignisse von hohem gesellschaftlichem oder religiösem Rang. Es ist unbestritten, dass der jahrhundertelange Kampf der Frauen um Gleichberechtigung ganz eindeutig diesen gesellschaftlichen Rang besitzt. Die Einführung eines Feiertages hat hohen Symbolwert und schafft mehr Aufmerksamkeit für frauenpolitische Themen und die nach wie vor existierende Benachteiligung von Frauen in unserer Gesellschaft.

Steht schon fest, ob und wann der gesetzliche Feiertag eingeführt wird?

RH: Frankfurt kann dies nicht entscheiden, aber wir können diese Debatte anregen. Ob mit der Festlegung des 8.3. als Feiertag so wie in Berlin ein zusätzlicher freier Tag beschlossen wird oder eine Regelung, die ohne eine Erhöhung der freien Tage insgesamt auskommt, darüber sollten wir in dieser Diskussion erstmal ohne Vorbehalte sprechen.

OB: Ich fände es gut, wenn wir es lieber heute als morgen entscheiden würden. Berlin hat es da als Bundesland einfacher – wir in Frankfurt müssen auf das Land Hessen hoffen.

Ein zentrales Thema des ersten Frauentages 1911 war die Forderung nach dem Frauenwahlrecht. Nun, da das Frauenwahlrecht bereits seit 100 Jahren besteht, benötigt man da überhaupt noch einen Weltfrauentag? Welche Themen stehen heutzutage auf der Agenda?

RH: Die feministische Bewegung ist die längste und hartnäckigste Revolution, die es je gab. Und diese Revolution ist getragen vom Kampf vieler Frauen weltweit, die mit ihrem Einsatz, mit ihrer Leidenschaft die Welt und unsere Gesellschaft besser und lebenswerter gemacht haben und machen wollen. Meine Botschaft ist: Lasst uns alle gemeinsam diesen Geist weiterleben, indem wir uns unterstützen, wir weiter unsere Forderungen einbringen, kämpfen und Veränderungen im Kleinen und im Großen herbeiführen. Jede und jeder kann etwas dazu beitragen, unsere Gesellschaft zu einem gleichberechtigten Ort für alle Menschen zu machen. Wir müssen wieder Fahrtwind aufnehmen und die politische Beteiligung von Frauen in den Mittelpunkt rücken. Wir brauchen endlich ein Paritätsgesetz.

OB: Letztlich geht es um die Verteilung von Macht in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Sie ist immer noch mehr als ungleich verteilt. In Pflegeberufen sind Männer unterrepräsentiert, in Vorständen von DAX-Unternehmen überrepräsentiert. Das hat nichts mit unterschiedlicher Qualifikation zu tun, sondern damit, dass Mechanismen greifen, die eine Einzelne oder ein Einzelner nicht ändern kann. Also muss die Politik den richtigen Rahmen schaffen. Dazu gehört kostenlose Kinderbetreuung, dazu gehören familienfreundliche Arbeitszeiten, dazu gehören Quoten für die Führungsebenen von Unternehmen. Ändert sich der Rahmen, dann ändert sich irgendwann auch der Umgang miteinander, davon bin ich überzeugt.

Herr Oberbürgermeister Feldmann, sind Sie Feminist?

OB: Das ist eine Frage der Definition. Ich bin für Gleichberechtigung und trete dafür ein, dass Menschen unabhängig von ihrem Geschlecht gleich viel wert sind, dieselben Rechte und Pflichten haben, und auch prinzipiell dieselben Möglichkeiten im Leben haben sollen. Wir werden die Gleichberechtigung von Männern und Frauen aber nur erreichen, wenn auch genügend Männer diesen Weg gehen – und Frauen explizit fördern.

Was wurde konkret in Frankfurt in den 108 Jahren seit der Einführung des Weltfrauentages erreicht und an welchen Stellen sehen Sie noch immer Defizite?

OB: Was mich freut ist, dass die Anzahl der Frauen in Führungspositionen in der Stadtverwaltung sehr hoch ist. Auch in der Politik nimmt die Zahl der engagierten Frauen zu, wenn man mal von den Rechtsaußen-Rändern absieht. Begonnen hat die Frauenbewegung in der Breite erst in den Sechziger- und Siebzigerjahren, die Studentenrevolte wurde von Frauen mitgestaltet und wesentliche gesellschaftliche Änderungen damals angestoßen.

RH: Es gibt noch mehr Themen, wo wir wieder laut und deutlich Widerstand leisten müssen: Ein exemplarisches Beispiel ist die Auseinandersetzung um die Paragraphen 218 und 219a. Das Strafrecht widerspricht der körperlichen Selbstbestimmung von Frauen. Ärztinnen und Ärzte, die Abbrüche vornehmen und darüber informieren, werden kriminalisiert. Frauen, die Abbrüche vornehmen wollen, werden entmündigt, indem ihnen Informationen vorenthalten werden. Ihnen wird unterstellt, dass die sogenannte „Werbung“ sie zu einer Abtreibung ermutigen würde. Die Zwangsberatung unterstellt den Frauen einen verantwortungslosen Umgang mit der Entscheidung für oder gegen ein Kind. Und die Mahnwachen der sogenannten Lebensschützer vor der ProFamilia-Beratungsstelle setzten die Frauen dann noch mehr unter Druck. Das ist unerträglich! Wir brauchen hier würdige Bedingungen, eine Entkriminalisierung, schonende Abtreibungsmethoden, gut ausgebildete Ärztinnen und Ärzte und eine qualifiziertes Informations- und Beratungsangebot ohne Zwang.

OB: Dass es solche Demonstrationen gibt, die einzig den Zweck haben, Frauen einzuschüchtern, passt nicht nach Frankfurt. Wir haben sogar einen Beschluss der Stadtverordneten – und ich wünsche mir, dass sämtliche rechtliche Mittel ausgeschöpft werden.

Der Weltfrauentag wurde am 19. März 1911 zum ersten Mal begangen. Clara Zetkin und Käte Duncker hatten sich dafür stark gemacht. Frau Heilig, warum sind Schlüsselfiguren wie Zetkin und Duncker so wichtig?

RH: Wir wollen Frauen und Mädchen auch weiterhin „empowern“, ermutigen, für ihre Rechte einzutreten und ihr Leben selbstbestimmt zu leben. Dafür brauchen wir starke und vielfältige Frauenbilder und Vorbilder. Diese finden wir in der Geschichte und in der Gegenwart. Unser gemeinsames Ziel ist ein unabhängiges, gleichberechtigtes und gewaltfreies Leben für alle Frauen und Mädchen. In Frankfurt und überall.

Herr Feldmann, was macht ein Oberbürgermeister eigentlich an einem Feiertag? Und was werden Sie am Weltfrauentag tun?

OB: Meistens arbeiten, aber auch mal entspannen – und an jedem 1. Mai bin ich bei den Gewerkschaften. Wenn der Weltfrauentag ein Feiertag wird, freue ich mich, auch da auf die Straße zu gehen, nicht zuletzt für meine Töchter.

Frau Heilig, die Grünen definieren sich als Partei, in der Feminismus eine wichtige Rolle spielt. Mit Führungspersönlichkeiten wie damals Joschka Fischer und heute Robert Habeck ist die Grüne Spitze jedoch eher männlich geprägt. Wo sind die Frauen in der Grünen-Führung?

RH: Mit dieser Frage kultivieren Sie ja wieder diesen Mythos, den schon Annalena Baerbock so wunderbar ironisch aufgebrochen hat: „Ich bin nicht die Frau an seiner Seite“. Wenn Sie die Geschehnisse objektiv betrachten, treten die Frauen auf Bundesebene genauso oft in Erscheinung: Annalena Baerbock oder Katrin Göring-Eckard heute oder Petra Kelly und Waldtraud Schoppe in den grünen Gründerzeiten. Die Frauen bestimmen den politischen Diskurs der Grünen gleichberechtigt und maßgeblich mit. Unsere Wahllisten sind seit Jahrzehnten erfolgreich quotiert. Bei uns können sich andere abschauen, wie gleichberechtigte Politik funktioniert.

Herr Oberbürgermeister, in Berlin ist der Internationale Frauentag bereits von diesem Jahr an gesetzlicher Feiertag. Dort hat der katholische Erzbischof Heiner Koch das Vorhaben unter anderem kritisiert, weil es sich nicht um einen christlichen Feiertag handelt. Ist in Frankfurt mit ähnlichen Gegenstimmen zu rechnen?

OB: Ich schätze die Kirche und ihr Engagement, und bin überzeugt, dass ihnen die Gleichberechtigung von Mann und Frau ähnlich wichtig ist und sie sich daran beteiligen werden. Wir brauchen auch weltliche Feiertage um gesamtgesellschaftliche Bezugspunkte zu schaffen.
 
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8. März 2019, 11.13 Uhr
kab
 
 
 
 
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