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Nach Atom-Unfall

Fukushima und Biblis im Vergleich

Nach dem Atomunfall in Fukushima flammt die Kernenergie-Debatte in Deutschland neu auf. Auch in Bezug auf die beiden Reaktoren im 50 Kilometer von Frankfurt entfernten Biblis. Eine Analyse.
Lassen sich die Kernkraftwerke in Fukushima und Biblis überhaupt miteinander vergleichen? In Japan ein hochaktives Erdbebengebiet, in Deutschland relative seismische Ruhe. In Fukushima: 40 Jahre alte Siedewasserreaktoren. In Biblis: zwei etwa 35 Jahre alte Druckwasserreaktoren. Doch eine Gemeinsamkeit gibt es: das Restrisiko. Der Frankfurter Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit sagt deshalb: "Es ist ein allgemeines Problem von Atomkraftwerken, dass man sie gegen Naturkatastrophen oder auch Flugzeugabstürze nicht ausreichend sichern kann." Und, so fügt er im Gespräch mit dem Journal Frankfurt hinzu: "Mich erinnert das an Russisch Roulette." SPD-Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel sprach sich im Sinne des lange vorher geforderten Atom-Ausstiegs durch seine Partei dafür aus, auf Atomenergie zu verzichten: „Das Abschalten der Atomreaktoren ist die notwendige Konsequenz.“
Das sieht das Deutsche Atomforum, bei dem auch der Biblis-Betreiber RWE Power Mitglied ist, anders. In einer Mitteilung heißt es: "Eine Verkettung eines derart schweren Erdbebens und eines schweren Tsunamis ist in Deutschland nicht vorstellbar. Auch von offizieller Seite ist bereits gestern darauf hingewiesen worden, dass die deutschen Kernkraftwerke so ausgelegt sind, dass die Schutzziele auch bei starken Erdbeben eingehalten werden."

Diese Kampflinien sind seit Jahrzehnten bekannt. Die Kraftwerksbetreiber argumentieren mit mehrfach gesicherten Anlagen, die Atomkraftgegner stellen sie in Frage. Das war schon vor 25 Jahren nach der Tschernobyl-Katastrophe so. Damals hieß es, die Anlagen in Deutschland und der Sowjetunion, und insbesondere deren Sicherheitsarchitektur seien nicht miteinander vergleichbar. Die Russen spielten Roulette, in Deutschland sei so etwas undenkbar.

Diesmal trifft die japanische Katastrophe die deutsche Atomwirtschaft deswegen an einem wunden Punkt. Japan gilt in Sachen Technik und Sicherheit dem deutschen Ingenieurwesen als mindestens ebenbürtig, auch dort wiesen die Kraftwerksbetreiber beständig auf die mehrfach gesicherten Systeme in ihren Anlagen hin. Deswegen berufen sich Bundesregierung und Atomforum in ihren Äußerungen auch auf die Unwahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen in Deutschland. Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier und seine Umweltministerin Lucia Puttrich (CDU) schlagen in die gleiche Kerbe, geben aber bekannt: "Wir werden überprüfen, ob sich neue Erkenntnisse für eine zusätzliche Sicherheit für deutsche Kernkraftwerke ergeben. Bei der Sicherheit wird es mit der hessischen Landesregierung keinen Rabatt geben."

Das Kraftwerk Biblis liegt in einem seismisch aktiven Gebiet, wenn auch nicht - wie Fukushima - am Rande von Kontinentalplatten. Vor elf Jahren wurden die Sicherheitsbestimmungen verschärft, die Anlage in Biblis wurde aufwendig nachgerüstet. Ausgerechnet die dabei verwendeten Dübel stellten sich schließlich aber als nicht erdbebensicher heraus und mussten erneut ausgewechselt werden. Die Reparaturarbeiten retteten die Reststrommengen von Biblis über die Bundestagswahl hinüber - mit bekanntem Ergebnis: Die von der schwarz-gelben Regierung beschlossene Laufzeitverlängerung sorgte dafür, dass in Biblis auch heute noch Strom gewonnen wird. Seit Ende Februar wird Block B einer Revision unterzogen, die laut RWE 120 Millionen Euro kosten soll. Das Kraftwerk soll danach für eine längere Laufzeit gerüstet sein. Ministerpräsident Volker Bouffier und Umweltministerin Lucia Puttrich halten ein solch starkes Beben wie in Japan in Deutschland für "nach menschlichem Ermessen" ausgeschlossen.

Zuletzt war es 2004 zu einer Notabschaltung in Biblis gekommen. Zwei Hauptnetzanschlüsse waren ausgefallen, auch der Reserveanschluss lieferte keinen Strom mehr. Strom aber ist, das zeigte sich jetzt in Fukushima, zum Herunterfahren des Kraftwerks dringend nötig. Während in Japan aufgrund der Überschwemmung auch die Notstromdiesel ausfielen, sprangen die Aggregate in Biblis damals an. Grund für den Stromausfall war dort allerdings kein Erdbeben, sondern ein Gewitter.

Grünen-Landeschef Tarek Al-Wazir bemängelt, dass die Biblis-Meiler im Vergleich zu Reaktoren neueren Typs nicht über externe Notstandswarten verfügten, sondern die beiden Blöcke A und B „sich gegenseitig stützen sollen.“ Die Grünen seien nicht bereit, die Restrisiken weiter zu tragen.
Am Samstag waren die Mitglieder der „Internationalen Ärzte zur Verhütung des Atomkriegs“ (IPPNW) zu einer Jahrestagung nach Frankfurt gekommen und demonstrierten spontan in der Innenstadt. „Gestern Tschernobyl, heute Fukushima, morgen Biblis – Atomausstieg sofort“, so lautete ihr Schlachtruf gegen die Kernenergie.

Henrik Paulitz von der IPPNW kritisierte, die Notfallsysteme in Biblis und in anderen deutschen Meilern seinen grundsätzlich zu störanfällig. Er bezog sich dabei nicht nur auf die Stromversorgung, sondern auch auf die Notkühlwasservorräte. Biblis B habe nicht einmal ein allerletztes dampfbetriebenes Notkühlsystem, das den Wasserfluss bei Stromausfall noch eine zeit lang aufrechterhalten könne – anders als in Fukushima, wo das Notkühlsystem den Reaktor noch eine Weile am Laufen gehalten habe.
 
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14. März 2011, 11.05 Uhr
Nils Bremer
 
 
 
 
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