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Migrationkonferenz an der Goethe-Uni

„Palmer, Mansour und Ostermann sind mit teils rassistischen Aussagen aufgefallen“

An der Goethe-Uni findet ein Migrationskongress statt. In der Kritik steht das Podium: Eingeladen sind u.a. Boris Palmer und Manuel Ostermann. Juristin Başay-Yıldız hat mit dem JOURNAL über die Veranstaltung und institutionellen Rassismus gesprochen.
Frau Başay-Yıldız, 2018 wurden die Morddrohungen gegen Sie und Ihre Tochter durch Rechtsextremisten öffentlich. Was hat sich seitdem getan?
Die Beamten des 1. Polizeireviers in Frankfurt, die gezielt Informationen über mich und meine Familie abgerufen haben, haben uns durch die Verbreitung dieser Daten einer Gefahr ausgesetzt, die nach wie vor besteht. Konsequenzen für die Beamten hat es keine gegeben. Sie sind zwar noch suspendiert, beziehen aber immer noch, das heißt seit 2018, Geld vom Land Hessen, obwohl klar ist, dass sie rechtsextreme und antisemitische Nachrichten ausgetauscht haben, die mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht vereinbar sind. Also um ihre Frage zu beantworten, es hat sich wenig bis gar nichts getan.

„Als Beamter und insbesondere als Polizist darf man sich offensichtlich alles erlauben“

Regelmäßig wird rechter Extremismus in staatlichen Institutionen aufgedeckt. Warum kann der Staat sich nicht vor der Infiltrierung in seinen eigenen Reihen schützen?
Weil es keine spürbaren Konsequenzen gibt. Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2020 in einem Fall, wo ein Arbeitnehmer einen Kollegen mit dunkler Hautfarbe mit den nachgeahmten Affenlauten „Ugah, Ugah!“ provozieren wollte, ausgeführt, dass das rassistisch ist und zur fristlosen Kündigung führen kann. Die Laute stellten, so jedenfalls das Bundesverfassungsgericht, eine herabsetzende, die Menschenwürde antastende Äußerung dar, die nicht mehr vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt sei.

Und bei der Polizei?
Für Polizisten scheinen diese Vorgaben nicht zu gelten. Als Beamter und insbesondere als Polizist darf man sich offensichtlich alles erlauben. Zu einer Beendigung des Dienstverhältnisses ist es beispielsweise bei den Beamten in Hessen auch nach fünf Jahren nicht gekommen, obwohl die über Jahre ausgetauschten Nachrichten rassistisch, antisemitisch und menschenverachtend sind. Um dienstrechtlich vorzugehen, muss man auch nicht – wie immer wieder vom Land Hessen und damit dem Innenminister vorgetragen wird – den Ausgang des Strafverfahrens abwarten. Das ist das eine.

Klage von Polizisten gegen rassistische Tendenzen hat keine Konsequenzen

Und zum anderen werden bei der Polizei die Strukturen, die solche rechtsextremen Umtriebe melden, nicht gestärkt. Ich bekomme sehr viele Nachrichten von Polizisten, die klagen, dass sie rassistische Tendenzen bei ihren Vorgesetzten gemeldet hätten, aber frustriert seien, weil dies für die Personen keine Konsequenzen gehabt habe. Es scheitert am Ende daran, dass der politische Wille, der für Veränderungen zwingend erforderlich ist, wohl nicht gegeben ist.

Ist rassistisches Gedankengut mittlerweile gesellschaftsfähig geworden? Auf Twitter zitieren Sie einen Satz aus dem Tatort: „Warum gehen Sie nicht zurück, wenn hier alles so scheiße ist?“ Wie ordnen Sie solche Sätze ein?
Ich würde nicht sagen, dass das gesellschaftsfähig geworden ist. Ich glaube, dass wir als Gesellschaft – zumindest Teile davon – mittlerweile viel weiter sind, als beispielsweise vor zehn Jahren. Es muss sich aber noch viel tun und wir sind erst am Anfang. Ich höre den im Tatort zitierten Satz auch oft.

Veranstaltung zur Migration an der Goethe-Uni: Eingeladene tragen zur Spaltung der Gesellschaft bei

Wann zum Beispiel?
Ich bin manchmal auf Podiumsdiskussionen, wo ich über strukturellen Rassismus spreche. Regelmäßig höre ich danach, dass ich doch „zurückkehren“ könne, wenn ich so unzufrieden sei. Zurück wohin? Nach Marburg, wo ich geboren wurde, entgegne ich. Wir wollen alle, dass unser Rechtsstaat funktioniert, dass sich Menschen in diesem Land – unabhängig von Herkunft, Religion, Geschlecht und sexueller Orientierung – gleichbehandelt und gleich geschützt fühlen. Das alles ist kein Selbstläufer. Dafür müssen Rassismen benannt und angeprangert werden, damit sich etwas ändert.

Die Goethe-Uni veranstaltet einen Migrations- und Pluralitätskongress. Als Experten eingeladen sind unter anderem Boris Palmer, Ahmad Mansour und Ruud Koopmans sowie Manuel Ostermann. Alle sind für ihre restriktiven Haltungen bekannt. Was ist von solch einer Debatte zu erwarten?
Palmer, Mansour und Ostermann sind in der Vergangenheit mit teils rassistischen, diskriminierenden und menschenverachtenden Aussagen aufgefallen. Alle drei äußern sich vor allem überwiegend populistisch, faktenfrei und damit zutiefst fragwürdig. Davon abgesehen gibt es so viele renommierte Wissenschaftler, die zu Migration forschen. Und dann werden Personen eingeladen, die entweder keine Expertise haben oder mit populistischen Äußerungen eher zu einer Spaltung der Gesellschaft beitragen als sie zusammenzuführen.

„Äußerungen sind jedenfalls ein Schlag ins Gesicht von Millionen von Menschen muslimischen Glaubens“

Auch bei Ruud Koopmans ist es nicht anders. So hat er in der Vergangenheit die These vertreten, dass sich Muslime in westliche Gesellschaften nicht so gut integrierten wie nicht-muslimische Migranten. Diese Äußerungen sind jedenfalls ein Schlag ins Gesicht von Millionen von Menschen muslimischen Glaubens in diesem Land, die gut integriert sind. Mit solchen Gästen wird absichtlich polarisiert.

Wenn man sich die Rednerinnenliste so anschaut: Ist hier eine konstruktive Debatte zum Thema Migration möglich?
Ostermann und Palmer sind keine Wissenschaftler. Sie haben demnach auch keine Expertise auf diesem Gebiet. Wenn man Menschen einlädt, die antimuslimischen Rassismus fördern, dann geht es mit Sicherheit nicht darum, konstruktiv über Migration zu sprechen.

Was sagen Sie zu der Argumentation, es handele sich hier um den Austausch verschiedener Meinungen?
Hier geht es nicht um einen Austausch verschiedener Meinungen. Rassismus ist keine Meinung und Menschen, die sich rassistisch und diskriminierend äußern, sollten keine Bühne an einer Universität bekommen. Damit wir uns nicht falsch verstehen: Mir liegt es fern, die Absage der Veranstaltung zu fordern. Aber Kritik muss erlaubt sein.
 
Fotogalerie:
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18. April 2023, 14.01 Uhr
Katja Thorwarth
 
Katja Thorwarth
Die gebürtige Frankfurterin studierte an der Goethe-Uni Soziologie, Politik und Sozialpsychologie. Ihre journalistischen Schwerpunkte sind Politik, politisches Feuilleton und Meinung. Seit März 2023 Leitung online beim JOURNAL FRANKFURT. – Mehr von Katja Thorwarth >>
 
 
 
 
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