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Foto: Angela Merkel bei ihrer Lesung im Schauspiel Frankfurt © Bernd Kammerer
Foto: Angela Merkel bei ihrer Lesung im Schauspiel Frankfurt © Bernd Kammerer

Merkel in Frankfurt

„SPD-Kanzler neigen offensichtlich zum vorzeitigen Ausrufen von Neuwahlen“

Bei der Lesung ihrer Autobiografie „Freiheit“ im Schauspiel Frankfurt gewährt Angela Merkel Einblicke in ihre Kindheit, den politischen Werdegang und die Amtszeiten als Bundeskanzlerin. Einen Kommentar verkneift sie sich dabei nicht.
Bereits um 18.20 Uhr, eine gute Stunde bevor die Lesung im Schauspiel beginnt, stehen Dutzende Menschen unterschiedlichen Alters vor der noch geschlossenen Abendkasse Schlange und frieren. Alle wollen sie versuchen, eine Restkarte für die seit Monaten ausverkaufte Veranstaltung zu ergattern. Einige Minuten später öffnen sich die Türen zu dem kleinen Vorraum, die Schlange bewegt sich langsam voran. Dann kommt ein junger Mann wieder heraus und verkündet, es hätte genau zwei Restkarten gegeben. Mit etwas Glück seien eine Viertelstunde vor Veranstaltungsbeginn wieder welche verfügbar.

Im Schauspiel selbst herrscht um besagte Uhrzeit reges Treiben. Schnell wird doch noch eines der signierten Exemplare im Foyer gekauft. Er habe heute so viele Bücher durch die Stadt geschleppt, witzelt einer der Verkäufer, dass er sich den Besuch im Fitnessstudio sparen könne. Irgendwann klingelt es und die Besucherinnen und Besucher begeben sich nach und nach auf ihre Parkett-Plätze. Durch den Saal geht erst ein Raunen, dann herrscht Stille. Nach einem kurzen Grußwort betritt Angela Merkel (CDU) die Bühne – in jenem blauen Blazer, den sie auch auf dem Cover ihrer Autobiografie „Freiheit“ trägt. Ungefähr eine halbe Minute lang wird applaudiert.

Merkels Autobiografie: „Sie müssen nicht das ganze Buch lesen“

Man müsse nicht das ganze Buch lesen, sagt Merkel, kaum dass sie sich an den vorbereiteten Tisch mit den beiden Mikrofonen gesetzt hat. Ihre im November 2024 erschienene Autobiografie, die sie gemeinsam mit ihrer jahrelangen Beraterin Beate Baumann geschrieben hat, erzählt chronologisch Merkels Lebensgeschichte: von der Kindheit und Jugend in der DDR über ihren politischen Werdegang bis hin zur 16-jährigen Kanzlerschaft. Leserinnen und Leser könnten zwischen den einzelnen Kapiteln springen, je nachdem, welches der behandelten Themen sie am meisten interessiere, erklärt Merkel. Man könne auch lediglich den Prolog und den Epilog lesen. „Dann ist man am schnellsten fertig.“ Das Publikum lacht.

Ganz so schnell ist der Abend jedoch nicht vorbei. Zwischen Auszügen aus dem Pro- und Epilog liest Merkel insgesamt zehn Passagen aus ihrem Buch vor und ordnet diese zeitlich ein, angefangen mit einem Vorfall, der sich vier Tage vor der ersten (und letzten) freien Volkskammerwahl der DDR im März 1990 ereignete. Merkel war damals Pressesprecherin des Demokratischen Aufbruchs (DA) und dessen Vorsitzender, Wolfgang Schnurr, gerade bezichtigt worden, Stasi-Mitarbeiter gewesen zu sein. Das Publikum hört ihr gebannt zu. Danach geht es um Merkels „glückliche Kindheit“ auf dem Waldhof, einen Skandal in ihrer Abiturzeit und das Physik-Studium an der Akademie der Wissenschaften in Leipzig.

Schauspiel Frankfurt: Angela Merkel plädiert für die Freiheit

Als Merkel bei ihrer ersten Kandidatur zur Bundeskanzlerin, den Bundestagswahlen 2005 und dem Wahlkampf gegen Gerhard Schröder angekommen ist, bemerkt sie spitz: „SPD-Kanzler neigen offensichtlich zum vorzeitigen Ausrufen von Neuwahlen“ – und fährt ungehindert des Gelächters aus dem Publikum mit ihrer Lesung fort. Im weiteren Verlauf geht es um die Finanzkrise 2008, den Überfall Russlands auf die Ukraine und die Fernsehansprache zur Corona-Pandemie, die sich am 18. März zum fünften Mal jährt, wie Merkel anmerkt. Danach berichtet die ehemalige Bundeskanzlerin von einem Treffen mit US-Präsident Donald Trump, das während seiner ersten Amtszeit stattfand und dessen Faszination von Putin, die heute aktueller sei denn je.

Abschließend geht es um Merkels Entscheidung aus dem September 2015, die deutsch-österreichische Grenze nicht zu schließen und die aus Ungarn kommenden Flüchtlinge aufzunehmen. In ihrer Autobiografie beschreibt Merkel jene Entscheidung und ihre Folgen als „Zäsur“ in ihrer Kanzlerschaft. Es habe ein Vorher und ein Nachher gegeben. Dieses Verständnis sei es auch gewesen, das sie motivierte habe, „den Ablauf der Ereignisse, die Motive meiner Entscheidung, mein mit ihr verbundenes Verständnis von Europa und Globalisierung in einer Form zu schildern, die nur ein Buch ermöglicht“, wie es im Prolog heißt.

Gemäß des Titels ihrer Autobiografie beendet Angela Merkel die Lesung im Schauspiel Frankfurt mit einem Plädoyer für die Freiheit und einem Appell, sich dafür zu engagieren. Wie auch schon zu Beginn des Abends stehen Menschen sämtlicher Altersklassen – knapp drei Stunden später und nicht mehr in der Kälte – und applaudieren.
 
Fotogalerie:
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18. März 2025, 12.45 Uhr
Sina Claßen
 
Sina Claßen
Studium der Publizistik und des Öffentlichen Rechts an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2023 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Sina Claßen >>
 
 
 
 
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