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Jan Schneider im Interview
„Die AfD ist keine bürgerliche Partei, sondern eine populistische“
Die CDU kämpft um Stimmen und Relevanz – und muss daher klarer formulieren, wofür sie steht, sagt Jan Schneider, Baudezernent und Vorsitzender der Frankfurter CDU. Im Gespräch hat er erklärt, für welche Werte seine Partei steht und weshalb eine Koalition mit der AfD für ihn nicht infrage kommt.
JOURNAL FRANKFURT: Herr Schneider, am 1. September wurde in Sachsen und Brandenburg gewählt, am 27. Oktober ist die Landtagswahl in Thüringen. Die Rechtspopulisten sind in den neuen Bundesländern deutlich auf dem Vormarsch, während die CDU an Relevanz verliert. Macht Ihnen diese Entwicklung Sorgen?
Jan Schneider: Dass die CDU in Brandenburg nur noch drittstärkste Kraft geworden ist und deutlich hinter der AfD liegt, muss jedem Demokraten Sorgen machen. Darüber kann auch nur bedingt hinwegtrösten, dass die Union am selben Tag in Sachsen mit gut 32 Prozent die stärkste Kraft geworden ist – schließlich liegt die AfD dort ebenfalls auf dem zweiten Platz. Dieser Entwicklung müssen sich alle demokratischen Parteien entgegenstellen, um ein weiteres Erstarken der Rechtspopulisten zu verhindern.
Klare Kante gegen die AfD oder offen bleiben für Gespräche: Welche Linie halten Sie für die richtige?
Die CDU muss gegen die AfD klare Kante zeigen und deutlich machen, wie fundamental die inhaltlichen Unterschiede sind. Die AfD ist keine bürgerliche Partei, sondern eine populistische. Die AfD steht nicht für konservative Werte, sondern schürt vielmehr bewusst Ressentiments gegen Minderheiten, um sich auf deren Kosten zu profilieren. Deshalb kann, darf und wird es auch keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Zugleich müssen wir aber offen für Gespräche mit Wählerinnen und Wählern sein, welche die AfD etwa aus Protest gewählt haben. Wir müssen diese Personen mit unserem Programm, mit unseren Lösungen überzeugen und sie für uns gewinnen.
Sind die Christdemokraten noch eine wählbare Partei für konservative Wählerinnen und Wähler?
Ja, unbedingt. Ich würde sogar sagen, dass die CDU die einzige Partei ist, die für Konservative wählbar ist. Die CDU vertritt nach wie vor mit großer Überzeugung konservative Werte und streitet für sie. Allerdings war und ist die CDU nicht nur eine konservative Partei. Als Volkspartei der Mitte vereint die Union traditionell christlich-soziale, liberale und eben konservative Elemente, womit wir uns deutlich von anderen Parteien wie beispielsweise der FDP unterscheiden.
Ist die Definition als „Volkspartei der Mitte“ nicht etwas vage in einer Zeit, in der so vehement um Stimmen gekämpft werden muss?
Im Gegenteil: Die thematische Breite der CDU war immer ihre Stärke. Über unsere Vereinigungen - von der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) bis zur Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) – erreichen wir von der Arbeitnehmer- bis hin zur Arbeitgeberseite ein sehr großes gesellschaftliches Spektrum. Das macht es zuweilen nicht leicht, sich in unserer schnelllebigen Mediendemokratie zu profilieren, führt in der Sache aber zu ausgewogenen politischen Konzepten, die den unterschiedlichen Interessen Rechnung tragen.
Nun ist die Situation in den neuen Bundesländern eine andere als in Hessen oder Frankfurt, ein zunehmender Rechtsruck ist aber auch bei uns spürbar. Wie will die CDU dem begegnen?
Ich würde weder bezogen auf Hessen noch auf Frankfurt am Main von einem Rechtsruck sprechen wollen. Auch wenn die AfD in den Hessischen Landtag eingezogen und auch im Römer vertreten ist, so waren ihre Wahlergebnisse hier weit unterdurchschnittlich. Außerdem würde den vergleichsweise kleinen Fraktionen im Landtag und im Römer damit eine Bedeutung beigemessen, die sie in der Praxis eben nicht haben.
Frankfurt am Main ist traditionell eine liberale und weltoffene Stadt, in der Menschen aus praktisch allen Nationen friedlich zusammenleben. Außerdem wurde die Aufnahme tausender Flüchtlinge, die in den vergangenen Jahren zu uns gekommen sind, in Frankfurt vorbildlich bewerkstelligt. Das ist vor allem der Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld zu verdanken, die als CDU-Vertreterin im Magistrat Hervorragendes geleistet hat, damit die ankommenden Menschen nicht nur untergebracht und versorgt, sondern zügig integriert werden können. In einem solchen Umfeld tut sich auch die AfD deutlich schwerer, Vorurteile zu schüren und mit fremdenfeindlichem Gedankengut auf Stimmenfang zu gehen.
Wie gehen Sie damit um, wenn Parteikollegen wie Moritz Hunziger Geflüchtete öffentlich als „Wilde“ bezeichnen oder sich andere rassistische Entgleisungen erlauben?
Die Aussagen von Herrn Hunzinger, der im Übrigen zwar Mitglied meiner Partei ist, aber keine Ämter oder Mandate innehat, habe ich sehr entschieden kritisiert. Seine Wortwahl war völlig inakzeptabel und nicht im Entferntesten mit dem Wertegerüst der Christlich Demokratischen Union vereinbar. Ich hoffe deshalb sehr, dass es in Zukunft zu keinen derartigen Entgleisungen mehr kommt. Wenn doch, müssten wir über entsprechende Konsequenzen nachdenken und gegebenenfalls beschließen.
Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie in Frankfurt primär für Ihre Partei?
Ich habe, als ich mein Amt angetreten habe, das Ziel formuliert, dass die CDU wieder deutlich bessere Wahlergebnisse erreichen muss. Nur als Zweite durchs Ziel zu gehen oder nur um Haaresbreite stärkste Kraft zu werden, kann nicht unser Anspruch sein. Deshalb müssen wir klarer formulieren, wofür wir stehen. Wir müssen sagen, was wir in dieser Stadt verändern und wie wir das erreichen wollen. Mit Petra Roth als Oberbürgermeistern ist uns diese Profilbildung natürlich leichter gefallen. Aber mit guten und erfolgreichen Dezernenten wie der bereits erwähnten Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld oder unserem Ordnungs- und Wirtschaftsdezernenten Markus Frank sowie dem neuen Fraktionsvorsitzenden Nils Kößler wird uns das sicherlich nicht weniger gut gelingen.
Die etablierten Parteien kämpfen vor allem um Ansehen bei den jungen Wählerinnen und Wählern. Wie wollen Sie diese Stimmen in der nächsten Wahl gewinnen?
Die CDU war schon immer eine Partei, die das Wohl der nachfolgenden Generationen beziehungsweise die Generationengerechtigkeit im Blick hatte. Das gilt für die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik ebenso wie bei Rente und Nachhaltigkeit. Ich glaube, dass wir gerade deshalb junge Menschen für unsere Partei gewinnen können. Denn nicht mit Verboten wird ihre – also unser aller – Zukunft gestaltet, sondern durch gute Bildung, durch modernste Forschung und mit der Förderung von innovativen Technologien. Und genau damit müssen wir junge Menschen für unsere Partei begeistern.
Was kann die Bundes-CDU von der Frankfurter CDU lernen?
In Anbetracht der letzten Frankfurter Wahlergebnisse wäre es anmaßend, der Bundespartei Ratschläge geben zu wollen. Aber ich glaube, dass man am Beispiel Frankfurts sehen kann, dass wir in den Ballungszentren nur als liberale Großstadtpartei erfolgreich sein können. Petra Roth hat es ihrerzeit vorgemacht: Eine moderne, am Wohl der drogenabhängigen Menschen ausgerichtete Drogenpolitik gehörte damals nicht gerade zum Markenkern der Union – und dennoch hat Petra Roth sie aus Überzeugung durchgesetzt. Ein weiteres Beispiel ist eine frühe und konstruktive Zusammenarbeit mit den Grünen. Die schwarz-grüne Koalition ist damals noch von vielen kritisch beäugt worden, heute ist es ein Modell auf der Landesebene – vielleicht bald auch schon im Bund.
Zweifellos müssen wir für unsere bürgerlichen Ansichten noch stärker als in der Vergangenheit werben, den Menschen verdeutlichen, wofür die Union steht. Dabei werden wir aber immer unsere eigenen christdemokratischen Werte in den Mittelpunkt stellen und uns nicht von Populisten und Demagogen beeinflussen oder gar treiben lassen, die dummdreist vorgeben, Vertreter des Bürgertums zu sein.
Jan Schneider: Dass die CDU in Brandenburg nur noch drittstärkste Kraft geworden ist und deutlich hinter der AfD liegt, muss jedem Demokraten Sorgen machen. Darüber kann auch nur bedingt hinwegtrösten, dass die Union am selben Tag in Sachsen mit gut 32 Prozent die stärkste Kraft geworden ist – schließlich liegt die AfD dort ebenfalls auf dem zweiten Platz. Dieser Entwicklung müssen sich alle demokratischen Parteien entgegenstellen, um ein weiteres Erstarken der Rechtspopulisten zu verhindern.
Klare Kante gegen die AfD oder offen bleiben für Gespräche: Welche Linie halten Sie für die richtige?
Die CDU muss gegen die AfD klare Kante zeigen und deutlich machen, wie fundamental die inhaltlichen Unterschiede sind. Die AfD ist keine bürgerliche Partei, sondern eine populistische. Die AfD steht nicht für konservative Werte, sondern schürt vielmehr bewusst Ressentiments gegen Minderheiten, um sich auf deren Kosten zu profilieren. Deshalb kann, darf und wird es auch keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Zugleich müssen wir aber offen für Gespräche mit Wählerinnen und Wählern sein, welche die AfD etwa aus Protest gewählt haben. Wir müssen diese Personen mit unserem Programm, mit unseren Lösungen überzeugen und sie für uns gewinnen.
Sind die Christdemokraten noch eine wählbare Partei für konservative Wählerinnen und Wähler?
Ja, unbedingt. Ich würde sogar sagen, dass die CDU die einzige Partei ist, die für Konservative wählbar ist. Die CDU vertritt nach wie vor mit großer Überzeugung konservative Werte und streitet für sie. Allerdings war und ist die CDU nicht nur eine konservative Partei. Als Volkspartei der Mitte vereint die Union traditionell christlich-soziale, liberale und eben konservative Elemente, womit wir uns deutlich von anderen Parteien wie beispielsweise der FDP unterscheiden.
Ist die Definition als „Volkspartei der Mitte“ nicht etwas vage in einer Zeit, in der so vehement um Stimmen gekämpft werden muss?
Im Gegenteil: Die thematische Breite der CDU war immer ihre Stärke. Über unsere Vereinigungen - von der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) bis zur Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) – erreichen wir von der Arbeitnehmer- bis hin zur Arbeitgeberseite ein sehr großes gesellschaftliches Spektrum. Das macht es zuweilen nicht leicht, sich in unserer schnelllebigen Mediendemokratie zu profilieren, führt in der Sache aber zu ausgewogenen politischen Konzepten, die den unterschiedlichen Interessen Rechnung tragen.
Nun ist die Situation in den neuen Bundesländern eine andere als in Hessen oder Frankfurt, ein zunehmender Rechtsruck ist aber auch bei uns spürbar. Wie will die CDU dem begegnen?
Ich würde weder bezogen auf Hessen noch auf Frankfurt am Main von einem Rechtsruck sprechen wollen. Auch wenn die AfD in den Hessischen Landtag eingezogen und auch im Römer vertreten ist, so waren ihre Wahlergebnisse hier weit unterdurchschnittlich. Außerdem würde den vergleichsweise kleinen Fraktionen im Landtag und im Römer damit eine Bedeutung beigemessen, die sie in der Praxis eben nicht haben.
Frankfurt am Main ist traditionell eine liberale und weltoffene Stadt, in der Menschen aus praktisch allen Nationen friedlich zusammenleben. Außerdem wurde die Aufnahme tausender Flüchtlinge, die in den vergangenen Jahren zu uns gekommen sind, in Frankfurt vorbildlich bewerkstelligt. Das ist vor allem der Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld zu verdanken, die als CDU-Vertreterin im Magistrat Hervorragendes geleistet hat, damit die ankommenden Menschen nicht nur untergebracht und versorgt, sondern zügig integriert werden können. In einem solchen Umfeld tut sich auch die AfD deutlich schwerer, Vorurteile zu schüren und mit fremdenfeindlichem Gedankengut auf Stimmenfang zu gehen.
Wie gehen Sie damit um, wenn Parteikollegen wie Moritz Hunziger Geflüchtete öffentlich als „Wilde“ bezeichnen oder sich andere rassistische Entgleisungen erlauben?
Die Aussagen von Herrn Hunzinger, der im Übrigen zwar Mitglied meiner Partei ist, aber keine Ämter oder Mandate innehat, habe ich sehr entschieden kritisiert. Seine Wortwahl war völlig inakzeptabel und nicht im Entferntesten mit dem Wertegerüst der Christlich Demokratischen Union vereinbar. Ich hoffe deshalb sehr, dass es in Zukunft zu keinen derartigen Entgleisungen mehr kommt. Wenn doch, müssten wir über entsprechende Konsequenzen nachdenken und gegebenenfalls beschließen.
Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie in Frankfurt primär für Ihre Partei?
Ich habe, als ich mein Amt angetreten habe, das Ziel formuliert, dass die CDU wieder deutlich bessere Wahlergebnisse erreichen muss. Nur als Zweite durchs Ziel zu gehen oder nur um Haaresbreite stärkste Kraft zu werden, kann nicht unser Anspruch sein. Deshalb müssen wir klarer formulieren, wofür wir stehen. Wir müssen sagen, was wir in dieser Stadt verändern und wie wir das erreichen wollen. Mit Petra Roth als Oberbürgermeistern ist uns diese Profilbildung natürlich leichter gefallen. Aber mit guten und erfolgreichen Dezernenten wie der bereits erwähnten Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld oder unserem Ordnungs- und Wirtschaftsdezernenten Markus Frank sowie dem neuen Fraktionsvorsitzenden Nils Kößler wird uns das sicherlich nicht weniger gut gelingen.
Die etablierten Parteien kämpfen vor allem um Ansehen bei den jungen Wählerinnen und Wählern. Wie wollen Sie diese Stimmen in der nächsten Wahl gewinnen?
Die CDU war schon immer eine Partei, die das Wohl der nachfolgenden Generationen beziehungsweise die Generationengerechtigkeit im Blick hatte. Das gilt für die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik ebenso wie bei Rente und Nachhaltigkeit. Ich glaube, dass wir gerade deshalb junge Menschen für unsere Partei gewinnen können. Denn nicht mit Verboten wird ihre – also unser aller – Zukunft gestaltet, sondern durch gute Bildung, durch modernste Forschung und mit der Förderung von innovativen Technologien. Und genau damit müssen wir junge Menschen für unsere Partei begeistern.
Was kann die Bundes-CDU von der Frankfurter CDU lernen?
In Anbetracht der letzten Frankfurter Wahlergebnisse wäre es anmaßend, der Bundespartei Ratschläge geben zu wollen. Aber ich glaube, dass man am Beispiel Frankfurts sehen kann, dass wir in den Ballungszentren nur als liberale Großstadtpartei erfolgreich sein können. Petra Roth hat es ihrerzeit vorgemacht: Eine moderne, am Wohl der drogenabhängigen Menschen ausgerichtete Drogenpolitik gehörte damals nicht gerade zum Markenkern der Union – und dennoch hat Petra Roth sie aus Überzeugung durchgesetzt. Ein weiteres Beispiel ist eine frühe und konstruktive Zusammenarbeit mit den Grünen. Die schwarz-grüne Koalition ist damals noch von vielen kritisch beäugt worden, heute ist es ein Modell auf der Landesebene – vielleicht bald auch schon im Bund.
Zweifellos müssen wir für unsere bürgerlichen Ansichten noch stärker als in der Vergangenheit werben, den Menschen verdeutlichen, wofür die Union steht. Dabei werden wir aber immer unsere eigenen christdemokratischen Werte in den Mittelpunkt stellen und uns nicht von Populisten und Demagogen beeinflussen oder gar treiben lassen, die dummdreist vorgeben, Vertreter des Bürgertums zu sein.
10. September 2019, 11.26 Uhr
Ronja Merkel
Ronja Merkel
Jahrgang 1989, Kunsthistorikerin, von Mai 2014 bis Oktober 2015 leitende Kunstredakteurin des JOURNAL FRANKFURT, von September 2018 bis Juni 2021 Chefredakteurin. Mehr von Ronja
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