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Interview
„Frankfurt hat mein Herz. Es ist mein Zuhause“
Sonia Bhika soll abgeschoben werden. Sie ist in Frankfurt zu Hause, hat eine feste Stelle und spricht perfekt Deutsch. Nun hat sie eine Petition gestartet.
JOURNAL FRANKFURT: Frau Bhika, Sie sollen am Samstag abgeschoben werden. Warum dürfen Sie nicht in Deutschland bleiben?
Sonia Bhika: Meine Aufenthaltserlaubnis hatte ich zunächst – vor nunmehr über drei Jahren – über die Ehe mit meinem deutschen Exmann erhalten. Durch Gewalt und Erniedrigungen war es mir aber unmöglich, die drei Jahre des gemeinsamen Hausstandes, die man für eine eigenständige Aufenthaltsgenehmigung formell braucht, auszuhalten. Dass ich also nach 2,5 Jahren meinen Mut zusammengenommen habe und aus einer immer wieder eskalierenden häuslichen Situation in eine eigene kleine Wohnung – in Sicherheit – gezogen bin, wird mir nun zum Verhängnis.
Des Weiteren wurde lediglich mein Exmann zu der Situation befragt, der selbstverständlich mich belastet um sich selbst zu entlasten, weshalb der zuständige Entscheider keinerlei Härtefall in der Situation der häuslichen Gewalt rauslesen können will. Hier merkt man leider deutlich, dass den Schilderungen des Mannes innerhalb staatlichen Strukturen noch viel unkritischer geglaubt wird und deutlich weniger Rechtfertigung verlangt wird, als von einer Frau.
„Ich habe mich voll und ganz bemüht, mich zu integrieren“
Sie sprechen perfekt Deutsch, haben eine feste Stelle und können ihren Lebensunterhalt alleine verdienen. Hat das niemanden überzeugt?
Leider sind das alles „weiche“ Faktoren, die die deutsche Bürokratie nicht überzeugen. Das hat nicht nur mich, sondern auch meine Freunde und die Menschen in dieser Gemeinschaft sehr erschüttert. Ich habe mich voll und ganz bemüht, mich zu integrieren. Ich habe den erforderlichen B1 Deutsch-Test gemacht, den „Leben in Deutschland“-Test abgelegt, zahle Steuern, habe einen Job und eine eigene Wohnung. Oft wird angenommen, dass ich hier geboren wurde. Trotzdem wurde dies vom Ausländeramt nicht berücksichtigt. Es ist eine wirklich erschütternde Situation, das zu erleben.
In meinem Fall war es ein „One on one“ und offensichtlich hat mein deutscher Exmann – was Studien zum Beispiel zur strukturellen Diskriminierung in unserem Rechtssystem nach nicht verwunderlich ist – den Gutachter mehr überzeugt als ich. Am Ende ist so ein Urteil immer gewissermaßen willkürlich, je nachdem, in wessen Hände ein Fall gerät.
„Frankfurt hat mein Herz, und ich betrachte es als mein Zuhause“
Sie kommen aus Südafrika. Warum wollten Sie dort nicht bleiben?
Das Leben außerhalb Europas ist in den letzten Jahren für mich schlichtweg unvorstellbar geworden, ich gehöre mittlerweile einfach hierher. Ich schätze, wie wir hier zusammenleben, welche Werte gerade im bunten und vielfältigen Frankfurt hochgehalten werden und natürlich das Thema Sicherheit. In Südafrika kann man nie ohne Angst sein. Ich bin ein sehr geselliger und sozialer Mensch und bin gerne unterwegs. Ich habe hier einfach ein Zuhause gefunden, sowohl privat als auch beruflich – in Südafrika müsste ich bei null anfangen. Es bricht mir das Herz zu sehen, dass ich meine Freunde, die teilweise auch meine Unterstützung brauchen, zurücklassen muss, weil ich ausreisen muss. Frankfurt hat mein Herz, und ich betrachte es als mein Zuhause.
„Ich konnte in Frankfurt eine Karriere in den großartigsten Hotels aufbauen“
Erzählen Sie uns von Ihrem Werdegang. Wie kamen Sie nach Frankfurt?
Ich hatte das große Glück, die Möglichkeit zu bekommen, an der CAA Schweiz zu studieren, und hatte ursprünglich geplant, dort zu bleiben und einen tollen Job im Bürgenstock Resort und Hotel zu übernehmen. Doch dann habe ich meinen Mann kennengelernt, und während der Corona-Zeit haben wir beschlossen, zu heiraten. Der Plan war, weiterhin in der Schweiz zu bleiben, aber er hatte ein Jobangebot in Frankfurt, und so sind wir hierher gezogen.
Ich bin sehr froh, dass ich diesen Schritt gemacht habe, da ich hier in Frankfurt eine Karriere in den großartigsten Hotels aufbauen konnte. Ich habe in einigen der großen Hotels hier gearbeitet, unter anderem im Sofitel Frankfurt Opera als Junior Sous Chef, im Melia und Hilton Frankfurt City als Sous Chef und bin nach meiner Zeit bei Franziska 2022 wieder zurück bei der Mook Group im Mon Amie Maxi. Ich hatte auch die Möglichkeit, für die Ministerpräsidenten Konferenz zu kochen, als ich im Melia war, an Catering für Messen – die in Frankfurt sehr wichtig sind – teilzunehmen und als Markenbotschafterin für viele Hotels tätig zu sein.
„Es müsste eine Neubewertung des Falls mit den jetzt vorliegenden Informationen geben“
Sind alle Rechtsmittel ausgeschöpft? Gibt es noch Hoffnung oder ist die Abschiebung unvermeidbar?
Meine engen Freunde und mein rechtliches Team arbeiten daran, eine Lösung zu finden, die noch möglich sein könnte, aber dieser Stichtag 16.11. ist nicht mehr weit. Letzten Endes müsste es eine Neubewertung des Falls mit den jetzt vorliegenden Informationen geben. Es liegt jetzt ja viel Neues vor, beispielsweise ist wohl durch Briefe und Engagement meiner Freunde das Argument des Urteils, dass ich keine persönlichen Bindungen hätte, eindeutig widerlegt. Und leider brauchen viele rechtliche Prozesse Zeit. Zeit, die ich leider nicht mehr habe.
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass so eine Entscheidung getroffen werden darf“
Sie haben eine Petition bei change.org initiiert, die sich an unseren Oberbürgermeister Mike Josef richtet. Welche Aussichten hat diese?
Diese Petition ist ein Aufruf zum Handeln für unsere Gemeinschaft. Ich hatte Angst, meine Geschichte zu teilen, aber nachdem ich realisiert habe, dass, obwohl ich die Regeln befolgt habe, alles richtig gemacht habe, die Anforderungen erfüllt habe und trotzdem nicht als „qualifiziert“ angesehen werde, konnte ich es nicht einfach hinnehmen. Ich konnte und kann immer noch nicht glauben, dass so eine Entscheidung getroffen werden darf. Ich musste meine Stimme erheben. Aber ich brauche die Hilfe der Gemeinschaft. Offensichtlich wollte man meine Stimme nicht allein hören. Deshalb habe ich die Petition online erstellt.
Die Resonanz, die ich erhalten habe, ist wirklich überwältigend. Die Kommentare, die Menschen hinterlassen haben, die Liebe und Unterstützung, die mir gezeigt wurde. Ich meine, ich weiß, ich bin hier alleine hingezogen, aber ich habe mich noch nie so dankbar und als Teil einer Gemeinschaft gefühlt. Allein diese Online-Petition zeigt, wie viele Menschen hinter mir stehen – und auch hinter denen, die dasselbe oder Ähnliches durchmachen – und dass wir zusammen eine Veränderung bewirken können. Es ist eigentlich beschämend, jemandem sein Recht zu verweigern, ohne ihn als Person zu betrachten, sondern nur als Zahl und Visum.
Sonia Bhika: Meine Aufenthaltserlaubnis hatte ich zunächst – vor nunmehr über drei Jahren – über die Ehe mit meinem deutschen Exmann erhalten. Durch Gewalt und Erniedrigungen war es mir aber unmöglich, die drei Jahre des gemeinsamen Hausstandes, die man für eine eigenständige Aufenthaltsgenehmigung formell braucht, auszuhalten. Dass ich also nach 2,5 Jahren meinen Mut zusammengenommen habe und aus einer immer wieder eskalierenden häuslichen Situation in eine eigene kleine Wohnung – in Sicherheit – gezogen bin, wird mir nun zum Verhängnis.
Des Weiteren wurde lediglich mein Exmann zu der Situation befragt, der selbstverständlich mich belastet um sich selbst zu entlasten, weshalb der zuständige Entscheider keinerlei Härtefall in der Situation der häuslichen Gewalt rauslesen können will. Hier merkt man leider deutlich, dass den Schilderungen des Mannes innerhalb staatlichen Strukturen noch viel unkritischer geglaubt wird und deutlich weniger Rechtfertigung verlangt wird, als von einer Frau.
Sie sprechen perfekt Deutsch, haben eine feste Stelle und können ihren Lebensunterhalt alleine verdienen. Hat das niemanden überzeugt?
Leider sind das alles „weiche“ Faktoren, die die deutsche Bürokratie nicht überzeugen. Das hat nicht nur mich, sondern auch meine Freunde und die Menschen in dieser Gemeinschaft sehr erschüttert. Ich habe mich voll und ganz bemüht, mich zu integrieren. Ich habe den erforderlichen B1 Deutsch-Test gemacht, den „Leben in Deutschland“-Test abgelegt, zahle Steuern, habe einen Job und eine eigene Wohnung. Oft wird angenommen, dass ich hier geboren wurde. Trotzdem wurde dies vom Ausländeramt nicht berücksichtigt. Es ist eine wirklich erschütternde Situation, das zu erleben.
In meinem Fall war es ein „One on one“ und offensichtlich hat mein deutscher Exmann – was Studien zum Beispiel zur strukturellen Diskriminierung in unserem Rechtssystem nach nicht verwunderlich ist – den Gutachter mehr überzeugt als ich. Am Ende ist so ein Urteil immer gewissermaßen willkürlich, je nachdem, in wessen Hände ein Fall gerät.
Sie kommen aus Südafrika. Warum wollten Sie dort nicht bleiben?
Das Leben außerhalb Europas ist in den letzten Jahren für mich schlichtweg unvorstellbar geworden, ich gehöre mittlerweile einfach hierher. Ich schätze, wie wir hier zusammenleben, welche Werte gerade im bunten und vielfältigen Frankfurt hochgehalten werden und natürlich das Thema Sicherheit. In Südafrika kann man nie ohne Angst sein. Ich bin ein sehr geselliger und sozialer Mensch und bin gerne unterwegs. Ich habe hier einfach ein Zuhause gefunden, sowohl privat als auch beruflich – in Südafrika müsste ich bei null anfangen. Es bricht mir das Herz zu sehen, dass ich meine Freunde, die teilweise auch meine Unterstützung brauchen, zurücklassen muss, weil ich ausreisen muss. Frankfurt hat mein Herz, und ich betrachte es als mein Zuhause.
Erzählen Sie uns von Ihrem Werdegang. Wie kamen Sie nach Frankfurt?
Ich hatte das große Glück, die Möglichkeit zu bekommen, an der CAA Schweiz zu studieren, und hatte ursprünglich geplant, dort zu bleiben und einen tollen Job im Bürgenstock Resort und Hotel zu übernehmen. Doch dann habe ich meinen Mann kennengelernt, und während der Corona-Zeit haben wir beschlossen, zu heiraten. Der Plan war, weiterhin in der Schweiz zu bleiben, aber er hatte ein Jobangebot in Frankfurt, und so sind wir hierher gezogen.
Ich bin sehr froh, dass ich diesen Schritt gemacht habe, da ich hier in Frankfurt eine Karriere in den großartigsten Hotels aufbauen konnte. Ich habe in einigen der großen Hotels hier gearbeitet, unter anderem im Sofitel Frankfurt Opera als Junior Sous Chef, im Melia und Hilton Frankfurt City als Sous Chef und bin nach meiner Zeit bei Franziska 2022 wieder zurück bei der Mook Group im Mon Amie Maxi. Ich hatte auch die Möglichkeit, für die Ministerpräsidenten Konferenz zu kochen, als ich im Melia war, an Catering für Messen – die in Frankfurt sehr wichtig sind – teilzunehmen und als Markenbotschafterin für viele Hotels tätig zu sein.
Sind alle Rechtsmittel ausgeschöpft? Gibt es noch Hoffnung oder ist die Abschiebung unvermeidbar?
Meine engen Freunde und mein rechtliches Team arbeiten daran, eine Lösung zu finden, die noch möglich sein könnte, aber dieser Stichtag 16.11. ist nicht mehr weit. Letzten Endes müsste es eine Neubewertung des Falls mit den jetzt vorliegenden Informationen geben. Es liegt jetzt ja viel Neues vor, beispielsweise ist wohl durch Briefe und Engagement meiner Freunde das Argument des Urteils, dass ich keine persönlichen Bindungen hätte, eindeutig widerlegt. Und leider brauchen viele rechtliche Prozesse Zeit. Zeit, die ich leider nicht mehr habe.
Sie haben eine Petition bei change.org initiiert, die sich an unseren Oberbürgermeister Mike Josef richtet. Welche Aussichten hat diese?
Diese Petition ist ein Aufruf zum Handeln für unsere Gemeinschaft. Ich hatte Angst, meine Geschichte zu teilen, aber nachdem ich realisiert habe, dass, obwohl ich die Regeln befolgt habe, alles richtig gemacht habe, die Anforderungen erfüllt habe und trotzdem nicht als „qualifiziert“ angesehen werde, konnte ich es nicht einfach hinnehmen. Ich konnte und kann immer noch nicht glauben, dass so eine Entscheidung getroffen werden darf. Ich musste meine Stimme erheben. Aber ich brauche die Hilfe der Gemeinschaft. Offensichtlich wollte man meine Stimme nicht allein hören. Deshalb habe ich die Petition online erstellt.
Die Resonanz, die ich erhalten habe, ist wirklich überwältigend. Die Kommentare, die Menschen hinterlassen haben, die Liebe und Unterstützung, die mir gezeigt wurde. Ich meine, ich weiß, ich bin hier alleine hingezogen, aber ich habe mich noch nie so dankbar und als Teil einer Gemeinschaft gefühlt. Allein diese Online-Petition zeigt, wie viele Menschen hinter mir stehen – und auch hinter denen, die dasselbe oder Ähnliches durchmachen – und dass wir zusammen eine Veränderung bewirken können. Es ist eigentlich beschämend, jemandem sein Recht zu verweigern, ohne ihn als Person zu betrachten, sondern nur als Zahl und Visum.
13. November 2024, 10.47 Uhr
Jasmin Schülke
Jasmin Schülke
Studium der Publizistik und Kunstgeschichte an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit Oktober 2021 Chefredakteurin beim Journal Frankfurt. Mehr von Jasmin
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14. November 2024
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