Partner
Europawahl
„Eine palästinensische Flagge ist eine Selbstverständlichkeit“
Der Grünen-Spitzenkandidat für die Europawahl Sergey Lagodinsky war auf Wahlkampftour in Frankfurt. Ein Gespräch über die EU, Fake News und Pro-Palästina-Demos.
Trotz Regen und vollem Terminplan hatte Sergey Lagodinsky, Spitzenkandidat der deutschen Grünen für die Europawahl, kurz Zeit für ein Gespräch in der JOURNAL FRANKFURT-Redaktion. Der unter anderem in Kassel großgewordene Jurist und Publizist kennt Frankfurt noch gut aus seiner Kasseler Zeit. „Ich fühle mich hier wohl.“ Frankfurt sei für ihn immer ein beliebtes Ausflugsziel gewesen, das er für seine Kombination von traditionellen Bauten, der Skyline und der Gemütlichkeit zu schätzen weiß. Auch seine aktive Zeit in der jüdischen Gemeinde war ein Grund, in die Mainmetropole zu kommen: „Die jüdische Infrastruktur ist auf Frankfurt konzentriert.“
Europawahl: „Das Thema Freiheit bleibt, und deren Verteidigung, nach innen wie nach außen“
Lagodinsky, der bei den Grünen gleich hinter Terry Reintke auf Platz 2 ist, setzt sich seit jeher für Bürgerrechte, Digitales und Internationales ein. Das soll auch bei der Europawahl nicht anders sein: „Das Thema Freiheit bleibt. Und deren Verteidigung, nach innen wie nach außen.“ Mit Sorge blickt er auf Orban in Ungarn, die problematischen Tendenzen in Griechenland und nach Italien. Im künftigen EU-Parlament fürchtet er mehr „rechtsradikale und superkonservative“ Fraktionen. „Das wird ein Kampf sein“, sagt der 48-Jährige.
Beim Thema Ukraine-Krieg sind seine Ambitionen nicht weniger entschlossen: „Es geht mir nicht um: Je mehr Militär, desto besser, sondern Friedenserhaltung. Und das werden wir nicht schaffen, wenn wir Putin gewähren lassen. Die Ukrainer haben sich für Europa und Demokratie entschieden. Das kann doch nicht bestraft werden durch Aggression und Besatzung?“, sagt Lagodinsky. Er selbst stammt aus einer russisch-jüdischen Familie und wurde in Astrachan an der Wolga in der damaligen Sowjetunion geboren.
Grünen-Spitzenkandidat Lagodinsky will Digitalindustrie fördern, statt nur zu regulieren
Beim Stichwort Freiheit blickt Lagodinsky ebenso auf die digitale Infrastruktur. Bei einem kürzlichen Treffen mit KI-Unternehmen habe er betont, dass die Regulierung durch das neue EU-KI-Gesetz zwar wichtig sei, es aber auch darum gehen müsse, die Unternehmen zu fördern – und zwar so, dass es innovationsfreundlich, datenschutz- und umweltkonform sei.
Er sieht dennoch die Probleme der bisherigen EU-Gesetze. Der im März 2024 beschlossene European Media Freedom Act sei ein „zweischneidiges Schwert“, weil er in die Presse- und Meinungsfreiheit eingreife. Das Gesetz soll unter anderem vor Fake News schützen und eine unabhängige Pressearbeit bewahren. Kritisiert wurde hingegen, dass es lediglich Mindeststandards enthalte.
Sergey Lagodinsky © Burkhard Schwetje
Lagodinsky betont an der Stelle, dass nicht „alles wegreguliert“ werden könne, da die digitale Entwicklung derart massiv voranschreite: „Vieles wird entschieden bei der Frage der Haltung der Konsumenten.“ Die Medienkompetenz müsse verbessert werden, wofür eine stärkere Sorgfalt im Bildungsbereich vonnöten sei. „Selbst ein kleines Video kann ein Schritt gegen unsere demokratische Festigkeit sein und somit trägt man dazu bei, Fake News zu verbreiten.“
Pro-Palästina-Demos: „Eine palästinensische Flagge ist eine Selbstverständlichkeit“
Fake News konnte er an andere Stelle gleich selbst revidieren: Bei einem bilateralen Treffen im türkischen Parlament im vergangenen Dezember war er als Vorsitzender der EU-Türkei-Delegation dabei. Hierbei ging es auch um das Thema Menschenrechte, wie er erzählt. Jede Kritik an Angriffen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit in der Türkei hätten die türkischen Parlamentskollegen damit erwidert, dass in Deutschland selbst keine Versammlungsfreiheit herrsche, weil Pro-Palästina-Demos und die Palästina-Flagge verboten worden seien.
„Ich konnte das negieren. Ich sehe ständig Flaggen und Demonstrationszüge, weil wir die Freiheiten haben.“ Es solle „natürlich“ geprüft werden, welche Slogans antisemitisch konnotiert seien und Grenzen überschreiten, sagt er und nennt als Beispiel die Auflage, die den Slogan „From the river to the sea“ verbietet. Eine palästinensische Flagge sei für ihn jedoch eine Selbstverständlichkeit. „Ich fühle mich auch manchmal angesprochen, aber das müssen wir ertragen, solange es im Rahmen einer zivilisierten, politischen Auseinandersetzung ist und nicht in Gewalt ausartet oder die Gewalt feiert.“
EU-Staaten sollten bei Israelpolitik auf Deutschland schauen
Im Umgang mit Israel wünscht sich der Grünen-Spitzenkandidat eine Kehrtwende – und lobt die Bundesrepublik: Deutschland habe eine Sonderrolle, weil es die Existenzsorgen Israels zum Ausgangspunkt seiner Politik und auch seiner Kritik gemacht habe. „Das mache andere, auch europäische Staaten nicht.“ Deshalb wäre das eine wichtige Korrektur der Israelsicht in vielen Staaten.
„Wichtig ist aber auch an dieser Stelle, die humanitäre Lage in den Palästinensergebieten – insbesondere in Gaza – nicht aus den Augen zu verlieren. Einen Genozid sei hingegen nicht belegbar. Aber: „Wenn das so humanitär prekär ist, dann kann die Unterstützung nicht grenzenlos sein“, habe er in Gesprächen mit israelischen Botschaftern betont.
„Ich glaube, wir müssen diese sehr tragische Situation dafür nutzen, doch in Richtung Zwei-Staaten-Lösung zu gehen, auch gegenüber unseren israelischen Kollegen. Wir können ja nicht ständig solche Eskalationen erleben und dann immer an der Seite von Israel stehen. Irgendwann müssen wir eine grundsätzliche Lösung herbeiführen.“
Lagodinsky, der bei den Grünen gleich hinter Terry Reintke auf Platz 2 ist, setzt sich seit jeher für Bürgerrechte, Digitales und Internationales ein. Das soll auch bei der Europawahl nicht anders sein: „Das Thema Freiheit bleibt. Und deren Verteidigung, nach innen wie nach außen.“ Mit Sorge blickt er auf Orban in Ungarn, die problematischen Tendenzen in Griechenland und nach Italien. Im künftigen EU-Parlament fürchtet er mehr „rechtsradikale und superkonservative“ Fraktionen. „Das wird ein Kampf sein“, sagt der 48-Jährige.
Beim Thema Ukraine-Krieg sind seine Ambitionen nicht weniger entschlossen: „Es geht mir nicht um: Je mehr Militär, desto besser, sondern Friedenserhaltung. Und das werden wir nicht schaffen, wenn wir Putin gewähren lassen. Die Ukrainer haben sich für Europa und Demokratie entschieden. Das kann doch nicht bestraft werden durch Aggression und Besatzung?“, sagt Lagodinsky. Er selbst stammt aus einer russisch-jüdischen Familie und wurde in Astrachan an der Wolga in der damaligen Sowjetunion geboren.
Beim Stichwort Freiheit blickt Lagodinsky ebenso auf die digitale Infrastruktur. Bei einem kürzlichen Treffen mit KI-Unternehmen habe er betont, dass die Regulierung durch das neue EU-KI-Gesetz zwar wichtig sei, es aber auch darum gehen müsse, die Unternehmen zu fördern – und zwar so, dass es innovationsfreundlich, datenschutz- und umweltkonform sei.
Er sieht dennoch die Probleme der bisherigen EU-Gesetze. Der im März 2024 beschlossene European Media Freedom Act sei ein „zweischneidiges Schwert“, weil er in die Presse- und Meinungsfreiheit eingreife. Das Gesetz soll unter anderem vor Fake News schützen und eine unabhängige Pressearbeit bewahren. Kritisiert wurde hingegen, dass es lediglich Mindeststandards enthalte.
Sergey Lagodinsky © Burkhard Schwetje
Lagodinsky betont an der Stelle, dass nicht „alles wegreguliert“ werden könne, da die digitale Entwicklung derart massiv voranschreite: „Vieles wird entschieden bei der Frage der Haltung der Konsumenten.“ Die Medienkompetenz müsse verbessert werden, wofür eine stärkere Sorgfalt im Bildungsbereich vonnöten sei. „Selbst ein kleines Video kann ein Schritt gegen unsere demokratische Festigkeit sein und somit trägt man dazu bei, Fake News zu verbreiten.“
Fake News konnte er an andere Stelle gleich selbst revidieren: Bei einem bilateralen Treffen im türkischen Parlament im vergangenen Dezember war er als Vorsitzender der EU-Türkei-Delegation dabei. Hierbei ging es auch um das Thema Menschenrechte, wie er erzählt. Jede Kritik an Angriffen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit in der Türkei hätten die türkischen Parlamentskollegen damit erwidert, dass in Deutschland selbst keine Versammlungsfreiheit herrsche, weil Pro-Palästina-Demos und die Palästina-Flagge verboten worden seien.
„Ich konnte das negieren. Ich sehe ständig Flaggen und Demonstrationszüge, weil wir die Freiheiten haben.“ Es solle „natürlich“ geprüft werden, welche Slogans antisemitisch konnotiert seien und Grenzen überschreiten, sagt er und nennt als Beispiel die Auflage, die den Slogan „From the river to the sea“ verbietet. Eine palästinensische Flagge sei für ihn jedoch eine Selbstverständlichkeit. „Ich fühle mich auch manchmal angesprochen, aber das müssen wir ertragen, solange es im Rahmen einer zivilisierten, politischen Auseinandersetzung ist und nicht in Gewalt ausartet oder die Gewalt feiert.“
Im Umgang mit Israel wünscht sich der Grünen-Spitzenkandidat eine Kehrtwende – und lobt die Bundesrepublik: Deutschland habe eine Sonderrolle, weil es die Existenzsorgen Israels zum Ausgangspunkt seiner Politik und auch seiner Kritik gemacht habe. „Das mache andere, auch europäische Staaten nicht.“ Deshalb wäre das eine wichtige Korrektur der Israelsicht in vielen Staaten.
„Wichtig ist aber auch an dieser Stelle, die humanitäre Lage in den Palästinensergebieten – insbesondere in Gaza – nicht aus den Augen zu verlieren. Einen Genozid sei hingegen nicht belegbar. Aber: „Wenn das so humanitär prekär ist, dann kann die Unterstützung nicht grenzenlos sein“, habe er in Gesprächen mit israelischen Botschaftern betont.
„Ich glaube, wir müssen diese sehr tragische Situation dafür nutzen, doch in Richtung Zwei-Staaten-Lösung zu gehen, auch gegenüber unseren israelischen Kollegen. Wir können ja nicht ständig solche Eskalationen erleben und dann immer an der Seite von Israel stehen. Irgendwann müssen wir eine grundsätzliche Lösung herbeiführen.“
10. Mai 2024, 12.17 Uhr
Till Geginat
Till Geginat
Jahrgang 1994, Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der Goethe Universität Frankfurt, seit November 2022 beim JOURNAL FRANKFURT. Mehr von Till
Geginat >>
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Politik
Oberfinanzdirektion Frankfurt
Chatbot für Steuerfragen
Die Hessische Steuerverwaltung erweitert ihr digitales Serviceangebot. Bürgerinnen und Bürger können sich mit ihren Fragen nun auch an einen Chatbot wenden.
Text: Daniel Geyer / Foto: Symbolbild © Adobe Stock/Suriyawut
PolitikMeistgelesen
- Interview„Frankfurt hat mein Herz. Es ist mein Zuhause“
- Bundestagswahl 2025Stadt Frankfurt sucht 4600 Wahlhelfer
- Fördergeld vom Land HessenFrankfurter erhalten Hessengeld
- Ausgezeichneter WolkenkratzerFrankfurter Jury entscheidet: Hochhauspreis geht nach Singapur
- Weltdiabetestag am 14. NovemberMehr stationäre Behandlungen in Hessen
26. November 2024
Journal Tagestipps
Freie Stellen