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Ein Jahr Bürgermeister Olaf Cunitz
Stadtplanung als Ausloten von Möglichkeiten
Vor einem Jahr wurde Olaf Cunitz Planungsdezernent und Frankfurter Bürgermeister. Wie geht es ihm mit der Erkenntnis, Projekte anzuschieben, die erst sein Nachfolger wird einweihen dürfen?
Olaf Cunitz ist ein 68er. Zumindest was sein Geburtsjahr angeht. Ansonsten beschränkt sich sein Häuserkampf darauf, neue Wohngebiete in Frankfurt zu schaffen. Auch wenn das nicht jedem in seiner Partei gefällt. Wo genau der Graben hier verläuft wurde letzte Woche deutlich, als der Bürgermeister auf seine Magistrats- und Parteikollegin Rosemarie Heilig traf. Die Umweltdezernentin beharrte im Gespräch mit der Bildzeitung darauf, dass Äcker in Frankfurt auch Äcker bleiben müssten. Da ist der Planungsdezernent anderer Meinung. Die Stadt müsse die enormen Pendlerströme in den Griff bekommen. "Die Frage ist: Was ist am Ende ökologischer?" Die Grünen seien auch die Partei, die sich stets gegen Zersiedelung, gegen die Eigenheimzulage und die Pendlerpauschale ausgesprochen habe. Da müsse man auch für die entsprechenden Angebote in zentraler Lage sorgen. Innerhalb der Frankfurter Stadtgrenzen, aber auch darüber hinaus im angrenzenden Umland, sieht der Grünen-Politiker noch Potential. Das auszuschöpfen, dafür haben ihm erst Petra Roth und ihr Nachfolger Peter Feldmann viele Möglichkeiten in die Hand gelegt. Seit der letzten Magistratsumbildung unter dem neuen SPD-Oberbürgermeister steht Olaf Cunitz sieben Ämtern mit 1000 Mitarbeitern vor. Eine Aufgabe vor der er, um es diplomatisch zu sagen, von Anfang an mehr als Respekt hatte. Ob die Arbeit überhaupt möglich ist, das aber bejaht der Politiker nach einigen Monaten mit dieser Ämterfülle. "Es ist bei einigen Projekten sinnvoll, gleich sieben Amtsleiter an einen Tisch bringen zu können", sagt er.
Eines dieser Projekte ist die Einhausung der A661. Über dem Bauwerk könnte ein neuer Stadtteil entstehen; der Plan für die Siedlung trägt den Namen Ernst Mays. Der Stadtrat, der von 1925 bis 1930 Siedlungsdezernent unter Oberbürgermeister Ludwig Landmann war, hatte zwischen Bornheim und Seckbach mit der Rotenbuschsiedlung eine seiner vielen Stadterweiterungen geplant. Verwirklicht wurde sie nicht. Nun hat Olaf Cunitz die Wohnbebauung dort zu seinem Projekt gemacht. Nur haben sich seit den 20er-Jahren einige Dinge verändert. Zum einen war mit der Person May ein Stadtplaner aktiv, der eine bis dato unerreichte Machtfülle besaß, um die Dinge, die er in die Wege leitete, auch noch während seiner Amtszeit fortschreiten zu sehen. Zum anderen ist der Bau im dichtbesiedelten Gebiet, aber längst nicht nur dort, mit allerhand planerischen Fallstricken versehen. Anrainer wollen befragt, Umweltgutachten eingeholt, Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben und Architektenwettbewerbe in die Wege geleitet werden. So kommt es, dass der Planungsdezernent die Ehre hat, Bauvorhaben einzuweihen, die teils vor über zehn Jahren in die Wege geleitet wurden. "Natürlich können wir uns durch Nachverdichtung von Jahr zu Jahr schleppen, aber wir kommen nicht weiter in der Frage, wie wir dem Bevölkerungswachstum und dem demographischen Wandel in Frankfurt und der Region begegnen, wenn wir nicht auch die großen Projekte angehen." Seinem Nachfolger will er jedenfalls eine reichgefüllte Schublade der Ideen und angeschobenen Entwicklungen hinterlassen.
Dieser Ehrgeiz mag damit zusammenhängen, dass Herr Cunitz eine erstaunliche Karriere hinter sich hat, er also mithin ebendiese Eigenschaft auch in anderen Bereichen zeigte. 1999 trat er bei den Grünen ein, arbeitete kurze Zeit später als Mitarbeiter von Landtagsabgeordneten. 2006 wurde er im Frankfurter Stadtparlament Vorsitzender der Grünen-Fraktion. Am 15. März 2012 wechselte er als Bürgermeister und Planungsdezernent in den schwarz-grünen Magistrat. Und bekam es nun als Historiker mit Juristen- und Amtsdeutsch zu tun, auch so eine Tatsache, mit der er sich nicht abfinden wollte und für eine einfachere Sprache in Behördenunterlagen eintrat. Gleichwohl: Die Zeiten ändern dich. Mittlerweile gehen ihm auch Begriffe wie Unterwegung ganz locker über die Lippen - in diesem Fall geht es um den Bebauungsplan für den geplanten Kulturcampus in Bockenheim, noch so ein Großprojekt, das aus planungsrechtlichen wie finanziellen Gründen erst nach 2020 verwirklicht werden soll. Das Geld sitzt nicht mehr so locker bei Stadt, Land und Bund. Gerade derzeit wird wieder heftig debattiert über die Einsparungen bei Romantikmuseum und Paradieshof. Letzterer war ein Projekt des Planungsamtes, das sich durch die Ansiedlung eines Theaters auch einen Aufbruch für das Apfelweinviertel erhoffte, dass ebendiesen nach jahrzehntelanger Ballermannartigkeit auch dringend nötig hätte. Mit Fördertöpfen für die Umgestaltung bei den Hausbesitzern zu werben, diese Idee habe sich erschöpft, sagt Olaf Cunitz. Auch die Macht der Politik ist eben begrenzt. Wussten auch schon die Hausbesetzer. Mit denen teilt der Bürgermeister immerhin die Passion für gitarrenlastige Musik. Heavy Metal und so. Er dürfte auch der erste Amtsträger Deutschlands sein, der in seiner öffentlichen Biografie die Punkband "Die Ärzte" zu Wort kommen lässt: "Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt." Ein Lied, das übrigens mit folgender Strophe endet:
Nein – geh mal wieder auf die Straße, geh mal wieder demonstrieren
Denn wer nicht mehr versucht zu kämpfen – kann nur verlieren!
Die dich verarschen, die hast du selbst gewählt
Darum lass sie deine Stimme hörn, weil jede Stimme zählt
Unser Archivfoto zeigt die Ernennung inklusive Übergabe der Amtskette an Olaf Cunitz durch die damalige Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU).
Eines dieser Projekte ist die Einhausung der A661. Über dem Bauwerk könnte ein neuer Stadtteil entstehen; der Plan für die Siedlung trägt den Namen Ernst Mays. Der Stadtrat, der von 1925 bis 1930 Siedlungsdezernent unter Oberbürgermeister Ludwig Landmann war, hatte zwischen Bornheim und Seckbach mit der Rotenbuschsiedlung eine seiner vielen Stadterweiterungen geplant. Verwirklicht wurde sie nicht. Nun hat Olaf Cunitz die Wohnbebauung dort zu seinem Projekt gemacht. Nur haben sich seit den 20er-Jahren einige Dinge verändert. Zum einen war mit der Person May ein Stadtplaner aktiv, der eine bis dato unerreichte Machtfülle besaß, um die Dinge, die er in die Wege leitete, auch noch während seiner Amtszeit fortschreiten zu sehen. Zum anderen ist der Bau im dichtbesiedelten Gebiet, aber längst nicht nur dort, mit allerhand planerischen Fallstricken versehen. Anrainer wollen befragt, Umweltgutachten eingeholt, Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben und Architektenwettbewerbe in die Wege geleitet werden. So kommt es, dass der Planungsdezernent die Ehre hat, Bauvorhaben einzuweihen, die teils vor über zehn Jahren in die Wege geleitet wurden. "Natürlich können wir uns durch Nachverdichtung von Jahr zu Jahr schleppen, aber wir kommen nicht weiter in der Frage, wie wir dem Bevölkerungswachstum und dem demographischen Wandel in Frankfurt und der Region begegnen, wenn wir nicht auch die großen Projekte angehen." Seinem Nachfolger will er jedenfalls eine reichgefüllte Schublade der Ideen und angeschobenen Entwicklungen hinterlassen.
Dieser Ehrgeiz mag damit zusammenhängen, dass Herr Cunitz eine erstaunliche Karriere hinter sich hat, er also mithin ebendiese Eigenschaft auch in anderen Bereichen zeigte. 1999 trat er bei den Grünen ein, arbeitete kurze Zeit später als Mitarbeiter von Landtagsabgeordneten. 2006 wurde er im Frankfurter Stadtparlament Vorsitzender der Grünen-Fraktion. Am 15. März 2012 wechselte er als Bürgermeister und Planungsdezernent in den schwarz-grünen Magistrat. Und bekam es nun als Historiker mit Juristen- und Amtsdeutsch zu tun, auch so eine Tatsache, mit der er sich nicht abfinden wollte und für eine einfachere Sprache in Behördenunterlagen eintrat. Gleichwohl: Die Zeiten ändern dich. Mittlerweile gehen ihm auch Begriffe wie Unterwegung ganz locker über die Lippen - in diesem Fall geht es um den Bebauungsplan für den geplanten Kulturcampus in Bockenheim, noch so ein Großprojekt, das aus planungsrechtlichen wie finanziellen Gründen erst nach 2020 verwirklicht werden soll. Das Geld sitzt nicht mehr so locker bei Stadt, Land und Bund. Gerade derzeit wird wieder heftig debattiert über die Einsparungen bei Romantikmuseum und Paradieshof. Letzterer war ein Projekt des Planungsamtes, das sich durch die Ansiedlung eines Theaters auch einen Aufbruch für das Apfelweinviertel erhoffte, dass ebendiesen nach jahrzehntelanger Ballermannartigkeit auch dringend nötig hätte. Mit Fördertöpfen für die Umgestaltung bei den Hausbesitzern zu werben, diese Idee habe sich erschöpft, sagt Olaf Cunitz. Auch die Macht der Politik ist eben begrenzt. Wussten auch schon die Hausbesetzer. Mit denen teilt der Bürgermeister immerhin die Passion für gitarrenlastige Musik. Heavy Metal und so. Er dürfte auch der erste Amtsträger Deutschlands sein, der in seiner öffentlichen Biografie die Punkband "Die Ärzte" zu Wort kommen lässt: "Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist. Es wär nur deine Schuld, wenn sie so bleibt." Ein Lied, das übrigens mit folgender Strophe endet:
Nein – geh mal wieder auf die Straße, geh mal wieder demonstrieren
Denn wer nicht mehr versucht zu kämpfen – kann nur verlieren!
Die dich verarschen, die hast du selbst gewählt
Darum lass sie deine Stimme hörn, weil jede Stimme zählt
Unser Archivfoto zeigt die Ernennung inklusive Übergabe der Amtskette an Olaf Cunitz durch die damalige Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU).
11. März 2013, 12.03 Uhr
Nils Bremer
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15. November 2024
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