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Deutsche Verteidigung

„Es ist an der Zeit, Stellung zu beziehen“

Omid Nouripour, Verteidigungsexperte der Grünen und bekennender Frankfurter, war gerade in Afghanistan, um sich einen Überblick der Situation zu verschaffen. Mit uns hat er über seine Eindrücke geredet.
Herr Nouripour, Sie waren gerade fünf Tage in Afghanistan. Was ist Ihr Eindruck?
Weiterhin sind Armut, aber auch die Naturkatastrophen die größten Probleme des Landes. Afghanistan ist die Region der Welt, die am meisten durch Erdbeben gefährdet ist. Ich selbst habe auch so einige schwächere miterlebt.

Und sonst?
Ich habe alle Standorte der Bundeswehr besucht. Wir waren viel draußen unterwegs, haben Kontakt zu Afghanen geknüpft, wobei ich natürlich einen klaren Vorteil hatte, weil ich die Sprache spreche. Außerdem waren wir in Faizabad, am Ende der Welt. Ein Black Hawk der Amerikaner flog uns dorthin und die Bundeswehr hat uns mit ihren Flugzeugen rausgeholt. Zwei Tage saßen wir dort wegen des Wetters fest.

Was hat Sie am meisten bewegt?
In einem Krankenhaus in 3.500 Meter Höhe haben sie uns erzählt, dass es dort 50 Malaria-Fälle im Monat gibt. Doch immerhin konnte durch die Hilfe der Bundeswehr und der zivilen Helfer in den letzten zehn Jahren die Müttersterblichkeit halbiert werden – ein Fortschritt. Bewegend war auch der Besuch in einer Mädchenschule. Auch wenn man es nicht glauben mag: Tausende von afghanischen Mädchen besuchen eine Bildungsstätte - trotz der verschleierten Frauen mit den Burkas. Und diese Schule hat es geschafft in all den widrigen Umständen ihren Betrieb fortzusetzen. Last but not least haben wir auch ein Heim für verwaiste Kinder besucht. Große Schwierigkeiten bereitet ihnen dort die Unterernährung der Kinder. Und noch schwerwiegender sind Verbrennungen. Im Winter wird dort, vor allem in den Bergen, mit offenem Feuer geheizt – da verletzen sich die Kinder leicht.

Welches Ziel haben Sie mit Ihrem Besuch in Afghanistan verfolgt?
Ich wollte wissen, ob wir die militärischen Feldlager überhaupt noch brauchen. Die Sicherheit spielt in dem Land keine Rolle mehr und allein dafür wurden die Feldlager benötigt. Sprich: Sie könnten abgezogen werden.
Wissen die Bundeswehrsoldaten eigentlich, auf was sie sich dort einlassen?
Wir befinden uns jetzt im zehnten Jahr des Einsatzes, da wissen die Soldaten das. Aber die Bedingungen sind sehr unterschiedlich. In Kundus stehen sie jeden Tag unter Beschuss. In Faizabad ist es verschlafen. Im Norden gibt es 124 Distrikte und in 80 davon herrscht ein kriegsähnlicher Zustand. Die Bezeichnung Krieg ist also nicht falsch für Afghanistan, doch es kommt doch sehr darauf an, wo man sich aufhält.

Ist es denn nach Ihrer jetzigen Erfahrung realistisch, Ende 2011 die ersten Bundeswehr-Soldaten heimkehren zu lassen und für 2014 den vollständigen Abzug der Kampftruppen zu planen?
Man hätte 2010 schon abziehen können, zumindest in einigen Regionen. Und das hat die Bundesregierung teilweise auch schon gemacht, hält dies aber geheim. Bis 2014 müssen die Afghanen die Verantwortung für die Sicherheit selber übernehmen können. Daran müssen wir alles setzen.
Die Niederlande haben sich bereits in 2010 aus Afghanistan zurückgezogen, aber so wie es aussieht, könnte es sein, dass sie nächste Woche wieder Truppen dorthin schicken. Nach langem Hin und Her bleiben die Kanadier jetzt doch. Und die Amerikaner, die dort immerhin die meisten Streitkräfte stationiert haben, wissen noch nicht so wirklich, wo ihre Reise hingehen soll.

Und wo geht die deutsche Reise hin?
Wir wollen so schnell wie möglich, aber auch verantwortbar, aus Afghanistan raus. Aber auch die afghanische Bevölkerung muss sich hinsichtlich der Sicherheit anstrengen. Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, dass wir dort nicht bleiben wollen. Ob der Einsatz ein Erfolg wird, steht in den Sternen.

In den letzten Tagen ist Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg unter Beschuss geraten. Außer zu den Vorfällen auf der „Gorch Fock“ muss er zum versehentlichen Todesschuss auf einen Soldaten in Afghanistan und zum Öffnen von Feldpost Stellung nehmen. Was erwarten Sie von ihm?
Er muss die Verantwortung dafür übernehmen, was in seinem Hause geschieht, doch das macht er bisher noch nicht. Und jetzt kommen noch die erneuten Vorwürfe der menschenverachteten Rituale hinzu. Erst letztes Jahr geriet das Bataillon, in dem zu Guttenberg seinen Grundwehrdienst absolvierte, in die Schlagzeilen wegen dem „Rohleber“-Brauch. Ihm seien keine Probleme bekannt gewesen, sagt er. Doch die Vorfälle häufen sich. Er ist seit 15 Monaten im Amt. Es ist an der Zeit für ihn, Stellung zu beziehen, was er eigentlich in dieser Zeit verändert hat.
 
Fotogalerie: Afghanistan Omid Nouripour in Afghanistan
 
27. Januar 2011, 12.10 Uhr
Julia Lorenz
 
 
 
 
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