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Das war 2024
A5-Ausbau, Cannabis-Legalisierung und Antisemitismus in Frankfurt – Der Jahresrückblick
Welche politischen Themen haben die Menschen in Frankfurt 2024 bewegt? Was wird die Stadt auch im kommenden Jahr noch beschäftigen? Das lesen Sie im JOURNAL-Rückblick.
1849 wurde in Frankfurt mit der Unterzeichnung der Verfassung des Deutschen Reichs, besser bekannt als Paulskirchenverfassung, ein wichtiger Grundstein für die parlamentarische Demokratie gelegt. Dieses Jahr im März, also 175 Jahre später, kehrte das historische Dokument zurück an seinen Ursprung. Das 46-seitige Dokument wurde von über 400 Abgeordneten des Paulskirchenparlaments unterzeichnet. Trotz des Scheiterns der Verfassung ist diese ein bedeutendes historisches Zeitzeugnis des ersten Versuchs eines gesamtstaatlichen und demokratischen Deutschlands. Zum Jubiläum wurde 2024 auch eine limitierte Menge an Zwei-Euro-Münzen mit Gedächtnischarakter an das historische Ereignis von der Bundesbank in Umlauf gebracht.
Die zerbrochene Ampel-Regierung in Berlin hat Cannabis zum 1. April teillegalisiert. Menschen ab 18 Jahren dürfen Cannabis konsumieren und bis zu 25 Gramm mit sich führen. Die Stadt will durch ein Modellprojekt außerdem die regulierte Abgabe von Cannabis in Fachgeschäften ermöglichen. An dem Projekt teilnehmen und damit in den Geschäften einkaufen, dürfen volljährige Personen mit Wohnsitz in Frankfurt, die gesund sind und an regelmäßigen Befragungen teilnehmen. Anfang 2025 soll das Projekt starten.
Die Dezernentin für Soziales und Gesundheit Elke Voitl (Grüne) hofft durch die Legalisierung auf positive Effekte: „Die regulierte Abgabe von Cannabis hat in vielerlei Hinsicht großes Potenzial. Sie kann Verbraucher*innen schützen, die Justiz entlasten und den illegalen Drogenhandel reduzieren. Frankfurt ist bereit. Frankfurt ist soweit.“ Eine positive Entwicklung beim Thema Drogenkonsum bei Jugendlichen zeigte die Drogentrendstudie 2023: Demnach ging der Konsum von Alkohol, Zigaretten und Cannabis zurück, dagegen stieg der Konsum von E-Zigaretten und auch Lachgas blieb eine beliebte Droge. Für Voitl ein Indiz, dass sich „Jugendliche von öffentlichen Debatten offenbar nicht so beeinflussen lassen wie gedacht, sondern andere Kriterien für sie eine Rolle spielen“.
Im April kam der Verdacht gegen zwei Mitarbeiter des Frankfurter Ordnungsamts auf, Schmiergeld für Mietwagen-Lizenzen verlang zu haben. Ein Fall, bei dem 1500 Euro für eine bevorzugte Bearbeitung des Antrags verlangt wurden, führte zur Anzeige. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die beiden Männer.
Schon 2018 hatte es ähnliche Verdachtsmomente gegeben, die beiden Verdächtigten blieben aber zunächst in ihren Positionen. Beide sollen beispielsweise auch für Taxikonzessionen Schmiergeld verlangt haben. Im Jahre 2017 wiederum hatte ein Mann geklagt, weil er über 25 Jahre auf Erteilung der Konzession hätte warten müssen; es standen damals etwa 1500 Bewerber auf der Liste. Auch wurde dabei öffentlich, dass Taxikonzessionen immer noch handschriftlich ausgefüllt auf Karteikarten verwaltet werden – ein Umstand, der sich auch 2024 noch nicht geändert hat.
Die Gräueltaten, die die Hamas Israel durch den Überfall am 7. Oktober 2023 angetan hat, und die gewaltsame Reaktion Israels darauf, haben auch 2024 in Frankfurt für Unruhe gesorgt. Bei einem Pro-Palästina-Camp auf dem Goethe-Uni Campus Westend im Mai wollten sich Teilnehmende „mit den Palästinenser*innen im Allgemeinen und insbesondere mit unseren Mitstudierenden und Lehrenden in Gaza solidarisieren“. Der Vorwurf des Antisemitismus gegen das Pro-Palästina Camp wurde laut, es sollen antisemitische Äußerungen gefallen sein. Zwar begrüßte der AStA grundsätzlich „selbstorganisierte Bildungsveranstaltungen“, unterstrich aber, dass es „Ausdruck eines global erstarkenden Antisemitismus“ sei, dass „solche Veranstaltungen zum Schutzraum und zur Bühne eines reaktionären Spektakels werden“.
Auch am Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel kam es auf einer Pro-Palästina-Demo mit rund 1400 Teilnehmenden zu antisemitischen Äußerungen. Hessens Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker (CDU) sagte dazu: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Mütter und Väter unseres Grundgesetztes Vernichtungswerbung gegen jüdisches Leben als von der Meinungs- und Versammlungsfreiheit abgedeckt bewertet hätten.“
Eine Kontroverse bildete ein möglicher Ausbau der Autobahn A5 zwischen dem Frankfurter Kreuz bis zur Anschlussstelle Friedberg auf zehn Fahrspuren. Zunächst schien das umstrittene Projekt gestoppt zu werden, die neue hessische Landesregierung aus CDU und SPD ließ es jedoch erneut prüfen. Eine Studie der Autobahn GmbH des Bundes bestätigte im Juni dieses Jahres die grundsätzliche Machbarkeit des Projekts.
Der amtierende Magistrat hatte das Projekt schon im Koalitionsvertrag abgelehnt und Verkehrsdezernent Wolfgang Siefert (Grüne) unterstrich: „Die Stadt Frankfurt erwartet vom Bundesverkehrsministerium, dass die Maßnahme im Rahmen der Bedarfsplanüberprüfung gestrichen und planerisch nicht weiterverfolgt wird.“ Im September demonstrierten rund 4000 Menschen gegen das Projekt. Wie es nun weitergeht, bleibt abzuwarten.
Nach München ist Frankfurt die zweitteuerste Stadt in Deutschland. Gegen Leerstand und hohe Mieten regte sich dieses Jahr Widerstand in Form von Gebäudebesetzungen und Demonstrationen. Um den Jahreswechsel 2023/24 wurde die Dondorf-Druckerei zum zweiten Mal von der Polizei geräumt, die Aktionen lösten verschiedene Reaktionen aus und führten nach vielem Hin und Her zum Nichtabriss und einer neuen Nutzung des alten Gebäudes.
Auch die Besetzung des Berger-Kinos, bei der dessen kulturelle und unkommerzielle Weiternutzung gefordert wurde, bekam sowohl Kritik als auch viel Zustimmung. Die Besetzung der Kunstbibliothek am Campus Bockenheim im Oktober sorgte für Impulse in der Stadtpolitik und könnte die Stagnation in der Entwicklung des Kulturcampus vorantreiben.
Das OLG Frankfurt hat im Juli 2024 befunden, dass die Polizisten der rechtsextremen Polizei-Chatgruppe „Itiotentreff“ zwar „schwer erträgliche menschenverachtende, rechtsextreme, gewaltverherrlichende, antisemitische, ableistische und rassistische Inhalte geteilt“ hätten, sich dabei jedoch nicht strafbar gemacht hatten.
Im Oktober hat das Polizeipräsidium Frankfurt gegen vier der Chatgruppen-Mitglieder ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Ihnen droht der Verlust des Beamtenstatus sowie aller Befugnisse als Polizeibeamte und die Einbehaltung von Dienstbezügen. Ein fünfter Beteiligter hatte bereits zuvor seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis beantragt.
2023 hat Jan Böhmermann die Inhalte der rechtsextremen Polizei-Chatgruppe aufgedeckt. Allerdings liefen bereits seit Ende 2018 strafrechtliche Ermittlungen im Zusammenhang mit der Chatgruppe.
23. Dezember 2024, 11.05 Uhr
Florian Aupor
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23. Dezember 2024
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