Der frühere Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit sieht die kommende Jamaika-Koalition in Berlin als große Chance. "Es gibt keinen anderen Weg – deswegen wird es für die Grünen auch keine Zerreißprobe."
Nils Bremer /
Bundesweit haben fast alle Parteien Federn gelassen, was die Zahl der möglichen Koalitionen schrumpfen lässt. Mit der AfD will niemand koalieren, für Rot-Rot-Grün reicht es nicht, auch nicht für Schwarz-Gelb. Die Fortsetzung der Großen Koalition scheitert ebenfalls, denn die Sozialdemokraten suchen ihr Heil in der Opposition, wie ihr Kanzlerkandidat Martin Schulz direkt nach Bekanntgabe der ersten Hochrechnung ankündigte. Ein folgerichtiger Schritt, meint der Frankfurter Politiker Daniel Cohn-Bendit: "Die SPD muss in die Opposition, auch damit die AfD nicht die größte Oppositionspartei ist. Das hat auch mit Staatsräson zu tun." Und Neuwahlen könne keiner wollen.
Die Spitzen der Grünen-Partei geben sich hinsichtlich einer Jamaika-Koalition noch vorsichtig. Fraktionschef Toni Hofreiter spricht von "sehr ernsthaften" Gesprächen, die man nun führen müsse. Seine Kollegin Katrin Göring-Eckardt meint: "Wir werden kein einfacher Partner sein." Und der Frankfurter Abgeordnete Omid Nouripour will eine Koalition mit CDU und FDP nicht um jeden Preis. "Ich mache nichts im Leben um jeden Preis, es sei denn, meine Frau befiehlt es mir."
Daniel Cohn-Bendit sagt: "Das Spannende an Wahlen ist, dass es nach der Wahl nicht so ist, wie vor der Wahl. Vor der Wahl hieß es: Jamaika ist unmöglich. Jetzt führen alle Wege dorthin." In der Koalition liege die Chance für die Grünen, für "eine europäische, eine sozial-ökologische Politik" einzutreten. "Darin liegt eine große Aufgabe, aber auch eine große Chance für dieses Land und die Grünen." Von einem Zerreißprozess für seine Partei will der frühere Europaabgeordnete nichts wissen. "Die Wähler der Grünen verstehen, dass dies die einzige Richtung ist – in Gefahr und höchster Not bringt der Mittelweg den Tod. Und eine Jamaika-Koalition ist nicht der Mittelweg."
Unser Foto zeigt Daniel Cohn-Bendit im Jahr 2013 im Europäischen Parlament in Brüssel.