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Alexander Skipis im Gespräch
"Petra Roth hat für dieses Amt gebrannt"
Alexander Skipis war erster Büroleiter von Petra Roth. Am Tag ihrer offiziellen Verabschiedung erinnert er sich an ihre ersten Tage im Amt und spricht über eine legendäre Magistratssitzung.
Journal Frankfurt: Herr Skipis, Sie sind noch am Wahlabend im Juli 1995 Petra Roths Referent geworden. Was hat sie damals ausgemacht?
Alexander Skipis: Ich erinnere mich noch gut an die erste Sitzung des Magistrats, da ging es um den Haushalt. Stadtkämmerer Tom Koenigs trug vor, irgendwann schlug Petra Roth mit der Faust auf den Tisch und verlangte: "So, jetzt erklären Sie mir das mal wie man es auch einer Hausfrau erklären würde." Dieser Satz hat ihre ganze erste Amtszeit geprägt, weil er so beispielhaft für ihren politischen Stil ist. Hielt jemand einen Vortrag, dann hat sie klar nachgefragt. Das sorgte gleich zu Beginn dafür, dass sich alle nach Kräften bemühten, gut vorbereitet in Gespräche mit ihr zu gehen.
Das widerspricht ein wenig der These Hilmar Hoffmanns, dass die wahre Macht den Dezernenten zukomme und der Oberbürgermeister vor allem moderiere und repräsentiere …
Das mag aus der Sicht eines ehemaligen Dezernenten so sein, doch die Hessische Gemeindeordnung sieht für die Oberbürgermeisterin sehr wohl ein Machtinstrument vor, nämlich den Zuschnitt der Dezernate zu verändern. Das schwebt bei allem immer mit.
Wie konnte sich Petra Roth solange an der Macht halten?
Sie hat, wie die Episode von der ersten Magistratssitzung zeigt, nicht nur einen völlig anderen Politikstil eingeführt, sie hat auch eine hohe Authentizität und Glaubwürdigkeit ins Amt gebracht. Das, was sie gedacht hat, hat sie gesagt. Deswegen waren ihre Reden ja bei manchem CDU-Funktionär so gefürchtet, denn nicht selten lag sie mit ihren Ansichten im Clinch mit ihrer Partei.
Worauf spielen Sie an?
Zum Beispiel in der Drogenpolitik. Sie hat, entgegen der damaligen Mehrheitsmeinung innerhalb der CDU, für die Fortsetzung des Methadonprogramms gekämpft. Sie hat später sogar die Vergabe des Originalstoffs an Schwerstsüchtige mit durchgesetzt - und das obwohl aus der CSU Parolen kamen, das sei wie Freibier an Alkoholiker auszuschenken. Das war damals auch für mich ein Spannungsverhältnis, wie weit diese Partei doch in ihren Ansichten von der Moderne, von dem Leben in Großstädten weg war. Diesen Entwicklungsprozess der CDU hat sie mitgeprägt - und sie hat ihn trotz vieler Anfeindungen durchgestanden. Das hat sie auch für die Menschen wählbar gemacht, die der CDU nicht so nahestanden.
Womit sie der Partei auch ganz neue Wählerschichten erschlossen hat.
Das ist richtig. Jeder Oberbürgermeister gibt an, Oberbürgermeister aller Frankfurter zu sein. Sie hat das in die Tat umgesetzt; nicht aus Populismus oder Opportunismus, sondern weil es ihre Art war, in die Gesellschaft hineinzuhorchen und daraus ihre Schlüsse zu ziehen.
Können Sie sich erklären, warum sie früher aufgehört hat?
Die Erklärung, dass es sich um eine strategische Entscheidung gehandelt hat, erscheint mir plausibel - die CDU hatte so einen Vorsprung, die Wahl würde nicht mit anderen landes- oder bundesweiten Abstimmungen kollidieren und die SPD war weit davon entfernt, einen aussichtsreichen Kandidaten zu haben. Diese Entscheidung ist ihr sicherlich alles andere als leichtgefallen, denn sie hat wie kaum einer ihrer Vorgänger für dieses Amt gebrannt.
Alle Strategie war am Ende nutzlos - der Sozialdemokrat Peter Feldmann wird im Juli Petra Roth Nachfolger. Ist die Situation mit 1995 vergleichbar?
Von den äußeren Faktoren her schon. Peter Feldmann hat keine Mehrheit in Magistrat und Parlament, er ist mehr oder weniger unbekannt und wird vom politischen Gegner verunglimpft. Zu inhaltlichen Parallelen kann ich nicht viel sagen, dafür kenne ich ihn zu wenig. Zu allererst war die Wahlentscheidung der Frankfurterinnen und Frankfurter ein Votum gegen den CDU-Kandidaten und seine Partei. Aber Feldmann hat es im Wahlkampf wohl auch geschafft, als jemand wahrgenommen zu werden, der eben noch nicht alle Antworten kennt, der in dieses Amt auch erst hineinwachsen muss. Damit hat er an Glaubwürdigkeit gewonnen - ähnlich wie Petra Roth in ihrem Fernsehduell gegen Andreas von Schoeler vor 17 Jahren.
Alexander Skipis wurde 1995 Büroleiter von Petra Roth. Bei ihrem Vorvorgänger Wolfram Brück arbeitete er bereits als Referent. 1999 ging er als Kommunikationschef zur Messe Frankfurt, 2001 wurde er geschäftsführender Gesellschafter bei der Kommunikationsagentur Leipziger und Partner, danach ging er für drei Jahre als Berater Roland Kochs in die Hessische Staatskanzlei. Seit November 2005 ist er Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, der in der Frankfurter Braubachstraße seinen Sitz hat. Das Foto zeigt ihn bei der Eröffnung des Haus des Buches neben Petra Roth.
Alexander Skipis: Ich erinnere mich noch gut an die erste Sitzung des Magistrats, da ging es um den Haushalt. Stadtkämmerer Tom Koenigs trug vor, irgendwann schlug Petra Roth mit der Faust auf den Tisch und verlangte: "So, jetzt erklären Sie mir das mal wie man es auch einer Hausfrau erklären würde." Dieser Satz hat ihre ganze erste Amtszeit geprägt, weil er so beispielhaft für ihren politischen Stil ist. Hielt jemand einen Vortrag, dann hat sie klar nachgefragt. Das sorgte gleich zu Beginn dafür, dass sich alle nach Kräften bemühten, gut vorbereitet in Gespräche mit ihr zu gehen.
Das widerspricht ein wenig der These Hilmar Hoffmanns, dass die wahre Macht den Dezernenten zukomme und der Oberbürgermeister vor allem moderiere und repräsentiere …
Das mag aus der Sicht eines ehemaligen Dezernenten so sein, doch die Hessische Gemeindeordnung sieht für die Oberbürgermeisterin sehr wohl ein Machtinstrument vor, nämlich den Zuschnitt der Dezernate zu verändern. Das schwebt bei allem immer mit.
Wie konnte sich Petra Roth solange an der Macht halten?
Sie hat, wie die Episode von der ersten Magistratssitzung zeigt, nicht nur einen völlig anderen Politikstil eingeführt, sie hat auch eine hohe Authentizität und Glaubwürdigkeit ins Amt gebracht. Das, was sie gedacht hat, hat sie gesagt. Deswegen waren ihre Reden ja bei manchem CDU-Funktionär so gefürchtet, denn nicht selten lag sie mit ihren Ansichten im Clinch mit ihrer Partei.
Worauf spielen Sie an?
Zum Beispiel in der Drogenpolitik. Sie hat, entgegen der damaligen Mehrheitsmeinung innerhalb der CDU, für die Fortsetzung des Methadonprogramms gekämpft. Sie hat später sogar die Vergabe des Originalstoffs an Schwerstsüchtige mit durchgesetzt - und das obwohl aus der CSU Parolen kamen, das sei wie Freibier an Alkoholiker auszuschenken. Das war damals auch für mich ein Spannungsverhältnis, wie weit diese Partei doch in ihren Ansichten von der Moderne, von dem Leben in Großstädten weg war. Diesen Entwicklungsprozess der CDU hat sie mitgeprägt - und sie hat ihn trotz vieler Anfeindungen durchgestanden. Das hat sie auch für die Menschen wählbar gemacht, die der CDU nicht so nahestanden.
Womit sie der Partei auch ganz neue Wählerschichten erschlossen hat.
Das ist richtig. Jeder Oberbürgermeister gibt an, Oberbürgermeister aller Frankfurter zu sein. Sie hat das in die Tat umgesetzt; nicht aus Populismus oder Opportunismus, sondern weil es ihre Art war, in die Gesellschaft hineinzuhorchen und daraus ihre Schlüsse zu ziehen.
Können Sie sich erklären, warum sie früher aufgehört hat?
Die Erklärung, dass es sich um eine strategische Entscheidung gehandelt hat, erscheint mir plausibel - die CDU hatte so einen Vorsprung, die Wahl würde nicht mit anderen landes- oder bundesweiten Abstimmungen kollidieren und die SPD war weit davon entfernt, einen aussichtsreichen Kandidaten zu haben. Diese Entscheidung ist ihr sicherlich alles andere als leichtgefallen, denn sie hat wie kaum einer ihrer Vorgänger für dieses Amt gebrannt.
Alle Strategie war am Ende nutzlos - der Sozialdemokrat Peter Feldmann wird im Juli Petra Roth Nachfolger. Ist die Situation mit 1995 vergleichbar?
Von den äußeren Faktoren her schon. Peter Feldmann hat keine Mehrheit in Magistrat und Parlament, er ist mehr oder weniger unbekannt und wird vom politischen Gegner verunglimpft. Zu inhaltlichen Parallelen kann ich nicht viel sagen, dafür kenne ich ihn zu wenig. Zu allererst war die Wahlentscheidung der Frankfurterinnen und Frankfurter ein Votum gegen den CDU-Kandidaten und seine Partei. Aber Feldmann hat es im Wahlkampf wohl auch geschafft, als jemand wahrgenommen zu werden, der eben noch nicht alle Antworten kennt, der in dieses Amt auch erst hineinwachsen muss. Damit hat er an Glaubwürdigkeit gewonnen - ähnlich wie Petra Roth in ihrem Fernsehduell gegen Andreas von Schoeler vor 17 Jahren.
Alexander Skipis wurde 1995 Büroleiter von Petra Roth. Bei ihrem Vorvorgänger Wolfram Brück arbeitete er bereits als Referent. 1999 ging er als Kommunikationschef zur Messe Frankfurt, 2001 wurde er geschäftsführender Gesellschafter bei der Kommunikationsagentur Leipziger und Partner, danach ging er für drei Jahre als Berater Roland Kochs in die Hessische Staatskanzlei. Seit November 2005 ist er Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, der in der Frankfurter Braubachstraße seinen Sitz hat. Das Foto zeigt ihn bei der Eröffnung des Haus des Buches neben Petra Roth.
11. Juni 2012, 11.31 Uhr
Interview: Nils Bremer
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24. Dezember 2024
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