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Das Aus für das Camp
Occupy Frankfurt geräumt
Am frühen Montagnachmittag war es soweit: Das Frankfurter Verwaltungsgericht entschied, dass das Occupy Camp vor der Europäischen Zentralbank unzulässig sei. Kurz darauf begann die Räumung.
Kurz vor 14 Uhr rückte die Polizei mit etwa 40 Einsatzfahrzeugen an und begann, das Occupy-Camp vor der Europäischen Zentralbank (EZB) mit Absperrgittern zu umstellen. Zwei Stunden zuvor hatte das Frankfurter Verwaltungsgericht den Antrag der Bewegung abgelehnt, das Zeltlager weiterhin als Zeichen des Protests vor der EZB aufrecht zu erhalten. „Der Verbleib in der Grünanlage verstößt gegen die Grünflächennutzungsverordnung“, trug die Polizei die Urteilsverkündung an die Demonstranten weiter. Demnach dürfen die Occupier zwar weiterhin gegen die Finanzdiktatur demonstrieren, aber eben nur auf dem Willy-Brandt-Platz – und ohne Zelte. Laut Befinden des Verwaltungsgerichtes sind nämlich sowohl Zelte, als auch Hütten, Sessel, Stühle, Sofas und sonstige Einrichtungsgegenstände „keine Versammlungsmittel im Sinne des Versammlungsgesetzes“. Besonders schwer wiegt zudem, dass das Gericht die dauerhafte Besetzung der Anlage nicht durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gedeckt sieht, weil die verschiedenen Gruppen nicht durch einen gemeinsamen inhaltlichen Zweck verbunden seien. Dafür störe das Camp die öffentliche Ordnung.
„Mit dieser Entscheidung hat das Verwaltungsgereicht Frankfurt dazu beigetragen, dass die Grünfläche wieder an die Frankfurter Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden kann“, sagt Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU), der andererseits bedauert, dass es zwischen Stadt und Demonstranten zu keinem Vergleich gekommen sei. Nach den vielen Gesprächen, sei es nun an der Zeit gewesen, zu handeln. Auch deshalb, weil die Occupisten sich nicht an Abmachungen gehalten und stattdessen neue Barrikaden errichtet hätten. "Die schnelle Räumung hat verhindert, dass sich das Camp weiter verfestigt und der Polizei unnötig Mehrarbeit entsteht", sagt Frank. Die Schließung verlief friedlich.
Underdessen wird harsche Kritik an Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) geübt, der sich bis vor kurzem gar nicht und auch jetzt nur spärlich zum Occupy-Camp und der Räumung äußert. Noch am vergangenen Montag kündigte Feldmann an, vorerst alle gerichtlichen Entscheidungen abwarten zu wollen. Dies ist jedoch offensichtlich nicht geschehen. Stadtrat Frank betonte, der Oberbürgermeister sei während der gesamten Verhandlungen in alle Schritte eingeweiht gewesen. Wo Peter Feldmann nun tatsächlich steht, wird auch aus dem mickrigen Statement, dass er auf Anfrage schriftlich abgab, nicht so recht deutlich. „Ich bin sehr froh, dass die Stadt Frankfurt und die Verhandlungsführer von Seiten des Occupy Camps am Willy Brandt Platz ihre Positionen in einem rechtsstaatlichen Verfahren darstellen konnten und es zu einer klaren richterlichen Entscheidung gekommen ist. Ich bin sehr dankbar, dass von keiner Seite eine Eskalation erfolgte. Es geht jetzt nicht mehr um Symbole, sondern um Inhalte. Ich werde mich wie versprochen persönlich an Veranstaltungen beteiligen, in denen nun die notwendige kritische Diskussion über die potentiellen Folgen der Finanzkrise für unsere Stadt geführt wird“, so der Oberbürgermeister.
Das etwas ausgedünnt wirkende Lager zog einige hundert Schaulustige an. In seinen letzten Atemzügen liegend, erregte es vielleicht so viel Aufmerksamkeit wie schon lange nicht mehr. Gegen 14.15 Uhr begann die Polizei mit der Feststellung der Personalien der Camp-Bewohner. Sie sollten ihr persönliches Hab und Gut mitnehmen. Auch vor Ort: Peter Postleb von der Stabsstelle Sauberes Frankfurt: „Wir werden die Zelte nacheinander abbauen, und dann muss erst einmal der Schädlingsbekämpfer ans Werk gehen“, sagt er. Doch bevor der anrückt, müssen zunächst die Protestler weichen.
Die Räumung von Occupy Frankfurt geht gemächlich vonstatten. Hier und da trinken einige der Camp-Bewohner noch ein Bierchen, die Rumänen, die weiter hinten wohnen, unterhalten sich entspannt, einige spielen vor den Augen der Polizisten noch eine Partie Fußball. Nach und nach wollen die Beamten die Personalien der Bewohner aufnehmen, sie dann zum Verlassen der Grünanlage auffordern, sie im Zweifel gegen ihren Willen aus dem Camp holen.
Der erste Aktivist, den es trifft, trägt eine Guy-Fawkes-Maske. Er führt einen Trupp Polizisten in sein Zelt. Es ist an ein größeres Zelt drangebaut, das Licht ist schummrig, der Eingang ähnelt eher einer Höhle, es wimmelt vor Fliegen in der Luft. Der junge Mann setzt sich vor den Eingang des Zeltes und beginnt zu monologisieren. Dies sei sein einziges Zuhause. "Ich verstehe ja, dass Sie nur Ihrem Beruf nachgehen, Ihrer Berufung. Doch das ist es, was ich auch mache. Dieser Protest ist meine Berufung – und deswegen werde ich auch nicht gehen." Die Polizisten hören zu, fragen nach den Personalien. "Ich bin obdachlos", sagt der Aktivist. Und dass er gegen die Macht der Banken, gegen den Finanzkapitalismus und gegen die Ungleichheit in der Gesellschaft eintrete. Die Polizisten fordern den Mann auf, sein Zelt zu verlassen. "Werden Sie dazu körperliche Gewalt anwenden?" "Nur, wenn Sie sich gewaltsam wehren." Dann lässt er sich abführen.
Ein paar Männer des Ordnungsamtes und der Stadtpolizei bleiben. Sie halten ein weißes Blatt Papier mit der Ziffer 1 vor das Zelt und machen ein Foto. Dann beginnen Sie damit, das Zelt auszuräumen. "Sie können gern mal reinschauen", sagt uns einer der Männer. Der Gestank im Zelt ist fast unerträglich, eine Mischung aus halbverrotteten Nahrungsmitteln, Urin und Alkohol schlägt uns entgegen. "Kaum auszuhalten, nicht wahr", sagt der Beamte, der mit der Räumung betraut wurde mit gequältem Blick, als wir nach wenigen Sekunden das Zelt wieder verlassen. Die Mitarbeiter der Stadt müssen entscheiden, welche Dinge für den einstigen Bewohner noch von Wert sind – und welche sofort entsorgt werden können. Lebensmittel und ähnliche verderbliche Ware wird weggeschmissen, Tassen, Aschenbecher oder Kleingeld wird aufbewahrt. Jedenfalls eine Zeit lang, wie uns später Postleb sagt. Jeder einzelne Gegenstand werde erfasst, Listen würden angelegt – auf dass die Bewohner später ihren Besitz wieder ausgehändigt bekommen können.
Am Tag danach
Am Dienstagmorgen um 9 treten die Mitarbeiter der Stadtreinigung und der FES auf den Plan. Schnell ist klar, dass es ein langer Tag wird. Etliche LKW müssen mit Müll beladen werden, auch ein Raupenbagger steht bereit, die Reste des Camps zusammenzukehren. "Die Polizei möchte heute abend die Absperrgitter wieder wegräumen. Bis dahin müssen wir fertig sein", sagt Peter Postleb. Auch das Grünflächenamt hat sich schon ein Bild von der Lage gemacht. Die Büsche am Rand der Anlage müssen entfernt werden, weil sich dort vermutlich Ratten angesiedelt haben. Erst, wenn die Schädlinge bekämpft sind, kann neuer Rasen gesät, können neue Büsche gesetzt werden. "Wir hoffen, dass das Bewässerungssystem keinen Schaden genommen hat", sagt Postleb. "Das wird sonst richtig teuer."
„Mit dieser Entscheidung hat das Verwaltungsgereicht Frankfurt dazu beigetragen, dass die Grünfläche wieder an die Frankfurter Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben werden kann“, sagt Ordnungsdezernent Markus Frank (CDU), der andererseits bedauert, dass es zwischen Stadt und Demonstranten zu keinem Vergleich gekommen sei. Nach den vielen Gesprächen, sei es nun an der Zeit gewesen, zu handeln. Auch deshalb, weil die Occupisten sich nicht an Abmachungen gehalten und stattdessen neue Barrikaden errichtet hätten. "Die schnelle Räumung hat verhindert, dass sich das Camp weiter verfestigt und der Polizei unnötig Mehrarbeit entsteht", sagt Frank. Die Schließung verlief friedlich.
Underdessen wird harsche Kritik an Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) geübt, der sich bis vor kurzem gar nicht und auch jetzt nur spärlich zum Occupy-Camp und der Räumung äußert. Noch am vergangenen Montag kündigte Feldmann an, vorerst alle gerichtlichen Entscheidungen abwarten zu wollen. Dies ist jedoch offensichtlich nicht geschehen. Stadtrat Frank betonte, der Oberbürgermeister sei während der gesamten Verhandlungen in alle Schritte eingeweiht gewesen. Wo Peter Feldmann nun tatsächlich steht, wird auch aus dem mickrigen Statement, dass er auf Anfrage schriftlich abgab, nicht so recht deutlich. „Ich bin sehr froh, dass die Stadt Frankfurt und die Verhandlungsführer von Seiten des Occupy Camps am Willy Brandt Platz ihre Positionen in einem rechtsstaatlichen Verfahren darstellen konnten und es zu einer klaren richterlichen Entscheidung gekommen ist. Ich bin sehr dankbar, dass von keiner Seite eine Eskalation erfolgte. Es geht jetzt nicht mehr um Symbole, sondern um Inhalte. Ich werde mich wie versprochen persönlich an Veranstaltungen beteiligen, in denen nun die notwendige kritische Diskussion über die potentiellen Folgen der Finanzkrise für unsere Stadt geführt wird“, so der Oberbürgermeister.
Das etwas ausgedünnt wirkende Lager zog einige hundert Schaulustige an. In seinen letzten Atemzügen liegend, erregte es vielleicht so viel Aufmerksamkeit wie schon lange nicht mehr. Gegen 14.15 Uhr begann die Polizei mit der Feststellung der Personalien der Camp-Bewohner. Sie sollten ihr persönliches Hab und Gut mitnehmen. Auch vor Ort: Peter Postleb von der Stabsstelle Sauberes Frankfurt: „Wir werden die Zelte nacheinander abbauen, und dann muss erst einmal der Schädlingsbekämpfer ans Werk gehen“, sagt er. Doch bevor der anrückt, müssen zunächst die Protestler weichen.
Die Räumung von Occupy Frankfurt geht gemächlich vonstatten. Hier und da trinken einige der Camp-Bewohner noch ein Bierchen, die Rumänen, die weiter hinten wohnen, unterhalten sich entspannt, einige spielen vor den Augen der Polizisten noch eine Partie Fußball. Nach und nach wollen die Beamten die Personalien der Bewohner aufnehmen, sie dann zum Verlassen der Grünanlage auffordern, sie im Zweifel gegen ihren Willen aus dem Camp holen.
Der erste Aktivist, den es trifft, trägt eine Guy-Fawkes-Maske. Er führt einen Trupp Polizisten in sein Zelt. Es ist an ein größeres Zelt drangebaut, das Licht ist schummrig, der Eingang ähnelt eher einer Höhle, es wimmelt vor Fliegen in der Luft. Der junge Mann setzt sich vor den Eingang des Zeltes und beginnt zu monologisieren. Dies sei sein einziges Zuhause. "Ich verstehe ja, dass Sie nur Ihrem Beruf nachgehen, Ihrer Berufung. Doch das ist es, was ich auch mache. Dieser Protest ist meine Berufung – und deswegen werde ich auch nicht gehen." Die Polizisten hören zu, fragen nach den Personalien. "Ich bin obdachlos", sagt der Aktivist. Und dass er gegen die Macht der Banken, gegen den Finanzkapitalismus und gegen die Ungleichheit in der Gesellschaft eintrete. Die Polizisten fordern den Mann auf, sein Zelt zu verlassen. "Werden Sie dazu körperliche Gewalt anwenden?" "Nur, wenn Sie sich gewaltsam wehren." Dann lässt er sich abführen.
Ein paar Männer des Ordnungsamtes und der Stadtpolizei bleiben. Sie halten ein weißes Blatt Papier mit der Ziffer 1 vor das Zelt und machen ein Foto. Dann beginnen Sie damit, das Zelt auszuräumen. "Sie können gern mal reinschauen", sagt uns einer der Männer. Der Gestank im Zelt ist fast unerträglich, eine Mischung aus halbverrotteten Nahrungsmitteln, Urin und Alkohol schlägt uns entgegen. "Kaum auszuhalten, nicht wahr", sagt der Beamte, der mit der Räumung betraut wurde mit gequältem Blick, als wir nach wenigen Sekunden das Zelt wieder verlassen. Die Mitarbeiter der Stadt müssen entscheiden, welche Dinge für den einstigen Bewohner noch von Wert sind – und welche sofort entsorgt werden können. Lebensmittel und ähnliche verderbliche Ware wird weggeschmissen, Tassen, Aschenbecher oder Kleingeld wird aufbewahrt. Jedenfalls eine Zeit lang, wie uns später Postleb sagt. Jeder einzelne Gegenstand werde erfasst, Listen würden angelegt – auf dass die Bewohner später ihren Besitz wieder ausgehändigt bekommen können.
Am Tag danach
Am Dienstagmorgen um 9 treten die Mitarbeiter der Stadtreinigung und der FES auf den Plan. Schnell ist klar, dass es ein langer Tag wird. Etliche LKW müssen mit Müll beladen werden, auch ein Raupenbagger steht bereit, die Reste des Camps zusammenzukehren. "Die Polizei möchte heute abend die Absperrgitter wieder wegräumen. Bis dahin müssen wir fertig sein", sagt Peter Postleb. Auch das Grünflächenamt hat sich schon ein Bild von der Lage gemacht. Die Büsche am Rand der Anlage müssen entfernt werden, weil sich dort vermutlich Ratten angesiedelt haben. Erst, wenn die Schädlinge bekämpft sind, kann neuer Rasen gesät, können neue Büsche gesetzt werden. "Wir hoffen, dass das Bewässerungssystem keinen Schaden genommen hat", sagt Postleb. "Das wird sonst richtig teuer."
Fotogalerie: Occupy-Räumung
6. August 2012, 15.52 Uhr
nil/mim/ges
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Text: Florian Aupor / Foto: Foto: Die U6 an der Hauptwache © Adobe Stock/travelview
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