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Vormundschafts-Programm

„Es ist kein Ehrenamt wie jedes andere“

Anja Sommer arbeitet beim Kinderschutzbund und leitet das Angebot zur Gewinnung, Schulung und Begleitung von ehrenamtlichen Einzelvormündern. Im Gespräch mit dem JOURNAL FRANKFURT erklärt sie, wie man zum Einzelvormund wird und warum aktuell dringender denn je gesucht wird.
JOURNAL FRANKFURT: Wie viele Menschen betreuen Sie aktuell über das Vormundschafts-Programm des Kinderschutzbundes?
Anja Sommer: Das Projekt läuft in Kooperation mit der Stadt und es existiert eine Kooperationsvereinbarung, wonach wir mit unseren aktuellen Kapazitäten immer zum Jahresende 56 aktive Vormundschaften führen. Meistens sind es ein paar mehr. Ich würde schätzen, dass es im Moment 60 aktive Einzelvormünder sind. Aktiv bedeutet, dass die Kinder und Jugendlichen, die betreut werden, auch wirklich noch unter 18 sind. Dann endet offiziell die Vormundschaft, aber die Beziehung endet oft nicht.

Welche Kinder werden betreut?
Zum einen, und das ist der häufigste Fall, sind es unbegleitete minderjährige Geflüchtete, die ohne Eltern nach Deutschland kommen; momentan größtenteils aus Afghanistan. Nach der Machtübernahme der Taliban hat das wieder stark zugenommen.

Und die andere Gruppe sind Kinder und Jugendliche aus dysfunktionalen Familien – also aus solchen, die nicht in der Lage sind, ihre Kinder dem Kindeswohl entsprechend zu versorgen. In solchen Fällen wird den Eltern das Sorgerecht entzogen. Auch diese Kinder brauchen dann einen Vormund.

Hat sich der Bedarf an Einzelvormündern in den vergangenen Jahren verändert?
Wir hatten 2015/16, als die große Welle an Geflüchteten nach Deutschland kam, gleichzeitig eine gigantische Welle der Hilfsbereitschaft und ein riesiges Interesse in der Bevölkerung, eine Vormundschaft zu übernehmen. In der Corona-Zeit hatten wir erstaunlicherweise keinen starken Einbruch, aber man hat schon gemerkt, dass die Menschen mehr mit sich selbst und ihren eigenen Themen beschäftigt sind. Da überlegt man sich genau, ob man noch zusätzlich ein Ehrenamt übernimmt. Aktuell ist der Bedarf an Einzelvormündern besonders groß, da zurzeit so viele unbegleitete minderjährige Geflüchtete nach Frankfurt kommen wie zuletzt 2016. Das ist in der Gesellschaft momentan aber gar nicht so bekannt, weil es kaum Berichterstattung dazu gibt. Deswegen trommeln wir jetzt.

Woran könnte das liegen?
Ich denke, es wird von der Energiekrise oder auch vom Krieg in der Ukraine überschattet. Die Themen sind einfach primär im Vordergrund. Alles andere wird etwas verdrängt.

Wie viele Einzelvormünder werden derzeitig benötigt?
Wir müssen mit den Kapazitäten, die wir aktuell haben, etwa 30 Personen jährlich schulen, damit wir 50 bis 60 Kindern einen Einzelvormund an die Seite stellen können. Es gibt aber Überlegungen, ob wir bei den aktuell steigenden Zahlen nicht mehr Leute schulen. Dafür benötigen wir aber viel mehr Menschen, die sich für unser Ehrenamt interessieren und sich bewerben.

Wie wird man denn zu einem Vormund?
Es ist kein Ehrenamt wie jedes andere. Es ist eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe, die man übernimmt. Man ist für Kinder und Jugendliche an Eltern statt verantwortlich. Das geht nicht ohne fachliche Begleitung. Die Einzelvormünder sind an den Kinderschutzbund angebunden und werden dauerhaft von uns beraten und unterstützt. Zu Beginn überprüfen wir in einem sehr ausgiebigen Gespräch, ob das in die aktuellen Lebensumstände passt und die Interessenten geeignet sind. Dann laden wir sie zu unserer vorbereitenden Schulung ein. Das sind immer insgesamt sechs Module. Vier Basismodule, in denen es um die rechtlichen Grundlagen und die Kooperationspartner geht.

Dann teilt es sich auf, je nachdem ob man ein Kind aus einer dysfunktionalen Familie begleiten möchte oder ein geflüchtetes Kind, mit jeweils zwei Schwerpunktmodulen zu den spezifischen Themen und Lebensumständen. Denn da gibt es durchaus Unterschiede.

Die Geflüchteten kommen, um zu bleiben und können die Unterstützung in Form einer Einzelvormundschaft sehr gut annehmen. Das ist für beide Parteien eine sehr zufriedenstellende Aufgabe. Man kann da wirklich etwas bewirken. Die Jugendlichen schätzen das in der Regel sehr wert, wenn sich jemand aus der Frankfurter Zivilgesellschaft für sie einsetzt. Nicht weil er es muss oder Geld dafür bekommt, sondern einfach weil er Lust hat diesen einen Jugendlichen zu unterstützen.

Was sind das für Menschen, die aktuell eine Einzelvormundschaft übernehmen?
Tatsächlich ist das ein Durchschnitt durch die ganze Gesellschaft. Unserer Vormünder sind zwischen Anfang 30 und Anfang 70. Die Älteren sind meist schon etwas erfahrener und haben gelegentlich auch schon mehrere Vormundschaften übernommen. Die meisten unserer Vormünder sind aber Menschen im Alter von Anfang bis Mitte 50, die noch voll im Berufsleben stehen. Wo man sich immer denkt ‚Wow, Wahnsinn, wie machen die das noch neben der verantwortungsvollen Position, die sie im Berufsleben haben?‘ Man merkt einfach, dass das Menschen sind, die es gewohnt sind Verantwortung zu übernehmen und der Gesellschaft etwas wiedergeben wollen. Das Schöne an diesem Ehrenamt ist, dass man die Art und Weise der Unterstützung sehr individuell an sein Mündel und seinen eigenen Lebensentwurf anpassen kann.

Interessierte können sich jederzeit an uns wenden. Sie bekommen dann von uns eine Infomappe und einen Bewerbungsbogen und wir vereinbaren ein individuelles Erstgespräch.
 
Fotogalerie:
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4. Oktober 2022, 10.57 Uhr
Sinem Koyuncu
 
Sinem Koyuncu
Jahrgang 1996, Studium der Politikwissenschaft an der Goethe-Universität, seit Oktober 2021 beim Journal Frankfurt. – Mehr von Sinem Koyuncu >>
 
 
 
 
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