Wim Wenders

Sehr japanisch und minimalistisch: „Perfect Days“

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Wim Wenders neuer Film „Perfect Days“ schildert das Tagesgeschehen eines Tokioter Toilettenputzers. Wortkarg, aber ein äußerst meditatives Werk. JOURNAL-Filmtipp für Dezember.

Andreas Dosch /

Anfang 2022 erhielt Wim Wenders einen Brief aus Tokio. Ob er sich vorstellen könne, über das Dutzend gerade frisch im Stadtbild installierter Designer-Toilettenhäuschen ein Projekt zu gestalten, freie Wahl des Mediums, Carte blanche. Tokio-Liebhaber Wenders entschied sich für einen fiktionalen Spielfilm, den er vor Ort innerhalb von 16 Tagen in enger Zusammenarbeit mit Ko-Autor Takuma Takasaki und Hauptdarsteller Koji Yakusho, einem der populärsten Schauspieler des Landes, realisierte.

In einer langen, an künstlerischen Höhepunkten nicht armen Regiekarriere ist nun ein spätes Glanzstück entstanden, dem dessen amüsante Entstehungsgeschichte seinen stimmigen Rahmen verleiht: In gut zwei Stunden betörender Optik (Kamera: Franz Lustig) blickt „Perfect Days“ ins Leben des Toilettenputzers Hirayama (Yakusho), einem schweigsamen Mittfünfziger und „einer 9 auf der Skala der Sonderlinge“, wie sein junger Kollege feststellt.

„Perfect Days“ von Wim Wenders: Tage eines Toilettenputzers

Es ist eine sich stets wiederholende Verkettung alltäglicher Abläufe, die Wenders hier zeigt, von ermüdendem Hamsterrad-Trott jedoch keine Spur: Das gütige Lächeln, mit dem der Protagonist jeden einzelnen Morgen begrüßt, zeugt von (scheinbarer) schicksalsergebener Tiefenentspannung, mit welcher er sodann sein Tagwerk verrichtet: Auf dem Weg zur Arbeit alte Popsongs hören (The Animals, Lou Reed, The Kinks, Patti Smith), sorgfältig die Toilettentempel reinigen, im Park frühstücken, in der öffentlichen Badeanstalt Körperhygiene erledigen, im Antiquariat ein Buch kaufen, im Imbiss essen gehen.

Fast könnte man meinen, einer Dauerschleife beizuwohnen, würden nicht immerfort kleine und manchmal auch größere Begegnungen und Ereignisse die Routine brechen: Spätestens mit dem plötzlichen Auftauchen seiner jungen Nichte blitzen Details aus Hirayamas Vergangenheit auf, sieht er sich genötigt, auch mal mit anderen Menschen zu kommunizieren und wird sich schließlich (andeutungsweise) seiner selbst gewählten Eremitage bewusst. Bis zum steinerweichenden Ende ist „Perfect Days“ ein meditatives, das Leben und die Positivität zelebrierendes, einzigartiges Wunderwerk: Minimalismus in seiner schönsten Form. Und sehr japanisch.

Info
Perfect Days, Drama, Regie: Wim Wenders, J/D 2023, Start am 21. Dezember


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