Im DFF in Frankfurt startet am 1. April die Ausstellung „Entfesselte Bilder“. Sie geht sogenannten „Plansequenzen“ auf den Grund – also langen Kamerafahrten, die ohne Pause und Schnitt auskommen.
Andreas Dosch /
Sie heißen „Tracking Shot“, „Sequence Shot“, „Long Take Shot“ oder einfach nur „One Shot“ – auf jeden Fall wird scharf geschossen. Begriffe, mit denen der cineastische Laie vielleicht wenig anfangen kann und deren filmische Umsetzung bislang möglicherweise kaum bleibende Eindrücke hinterließ. Eingefleischten Kinofans jagt allein der Gedanke an mitunter zehnminütige Kamerafahrten eine Gänsehaut über den Rücken: „Plansequenzen“, wie sie allgemein genannt werden, sind das Salz in der Suppe des Kinoerlebnisses, die Kirsche auf der Torte, der künstlerische Extrabonus obendrauf.
Das Witzige: Oft bemerkt man sie erst, wenn sie bereits in vollem Gange sind, so à la: „Huch, da war ja bislang überhaupt kein Schnitt ...!“ – worauf man den Urhebern nur staunend bescheinigen kann: „Wie haben die das bloß gemacht?!“ Gute Frage, deren Antwort die neue DFF-Ausstellung „Entfesselte Bilder“ auf den Grund gehen will. Für die Ausstellungsmacher ist die Plansequenz „eines der virtuosesten Stil- und Erzählmittel des Films: Eine verschachtelte Architektur aus bewegten Bildern, die den Film als einzigartige Kunstform präsentiert und dem Publikum eine neue Art des Sehens vermittelt – ein ästhetisches, audiovisuell mitreißendes Erlebnis.“ Kann man besser nicht ausdrücken.
Michael Kinzer, verantwortlicher DFF-Kurator, findet es „schon sehr spannend zu sehen, wie diese Sequenzen entstanden sind, welcher Aufwand dahintersteckt. Aber noch viel wichtiger und bemerkenswerter ist für mich, welche dynamische Wirkung diese ungeschnittenen bewegten Bilder entfalten, wie ungemein ästhetisch und packend sie sind.“
Ganze Spielfilme als vermeintlicher „One Shot“ inszeniert
Wobei: „Ungeschnitten“ – das ist so eine Sache. Während die Plansequenz in der Frühzeit des Films noch durch DIY-Improvisation – vor eine Lokomotive montiert, auf ein Autodach et cetera – für Publikumsüberwältigung sorgte, kreierte man mit neuartigen Techniken wie der berühmten „Steadycam“ irgendwann ruckelfreie, scheinbar dahinfließende Schauwerte, was zu immer kühner und länger umgesetzten Sequenzen führte. Mittlerweile wurden ganze Spielfilme als vermeintlicher „One Shot“ inszeniert („Birdman“, „1917“), wobei moderne Computertechnik bei manchen dieser Kandidaten mithalf, den einen oder anderen doch vorhandenen Cut nachträglich zu kaschieren. Der russische Dokumentarfilm „Russian Ark“ (2002) oder das deutsche Thriller-Drama „Victoria“ (2015) waren dann aber tatsächlich Produktionen, die dem Kamerateam für eine gesamte abendfüllende Länge keinerlei Rast gönnten.
Wie gewohnt vom DFF, taucht die Ausstellung tief ein in die Geschichte der „Entfesselten Bilder“, schildert Hintergründe, beleuchtet Entstehungsprozesse – vor allem aber kann man ganz viele ausgesuchte Beispiele dieser außergewöhnlichen Bewegtbild-Variante in Augenschein nehmen. Und schon mal die eigene Wahrnehmung trainieren für den nächsten Kinobesuch, wenn es dann möglicherweise heißt: „Huch, da war ja bislang überhaupt kein Schnitt!“
Info „Entfesselte Bilder“, DFF, Ausstellung, 1.4.-1.2.2026., www.dff.film