Mit „Smoke Sauna Sisterhood“ widmet die estländische Regisseurin Anna Hints ihrem Heimatland ab dem 23. November einen ungewöhnlich schönen Dokumentarfilm. Der JOURNAL-Film-Tipp im Mal Seh’n Kino im Frankfurter Nordend.
Andreas Dosch /
Nicht viele Menschen begrüßen ihre Wellness-Oase mit den Worten: „Hallo liebe Sauna, du heiliger Ort!“ In Estland gehört das zur Tradition. Mehr noch: Das Phänomen der dortigen Dampf- bzw. Rauchsaunas wurde von der UNESCO sogar zum „immateriellen Kulturerbe der Menschheit“ ausgerufen, genießt somit Weihen von allerhöchster Ebene.
Hier kommt Anna Hints ins Spiel: Die Künstlerin, Musikerin und Regisseurin ist tief mit den Traditionen ihres Heimatlandes verwurzelt, dem Thema Rauchsauna widmet sie den wohl ungewöhnlichsten, wahrscheinlich auch schönsten Dokumentarfilm des Jahres, beim US-amerikanischen Sundance-Festival bereits mit dem Regiepreis prämiert und Estonias nächster Oscar-Anwärter.
Rauchsauna: vom Kulturerbe auf die Kino-Leinwand
Doch wer jetzt glaubt, ein paar Frauen (die Zahl changiert, mal ein Quintett, mal weniger, Hints immer dabei) beim gemeinschaftlichen Schwitzen zuzuschauen, wäre nicht abendfüllend und noch weniger kinotauglich, der muss sich nach Ansicht dieser faszinierenden Doku die Augen reiben:
Fast schon mystische Bilder findet sie an ihrem Schauplatz, einer Holzhütte in den Wäldern, wo sich neben der Säuberung von Körper und Geist mittels Feuer, Qualm und selbstgemachten Kräuteraufgüssen auch noch trefflich ein paar Schweineschinken räuchern lassen, während die Protagonistinnen im dezent ausgeleuchteten Ambiente der engen hölzernen Schweißkabine ihre Seelen offenbaren, von körperlichen und mentalen Verletzungen berichten, teils tragische Familienverhältnisse offenbaren, ihr Dasein als Frau in Anbetracht gesellschaftlicher Rollenbilder reflektieren oder aber sich einfach nur kollektiv wegeumeln, wenn sie auf diverse Umschreibungen des weiblichen Geschlechts zu sprechen kommen („Pullermiez“).
Die Sauna als Ort der Solidarität, Selbstreinigung und des Schutzes
Die Sauna als Solidarität und Selbstreinigung spendender, beinahe therapeutischer Schutzraum, während draußen die Jahreszeiten wechseln und man den nackten Damen beim Tollen im Schnee, Relaxen im Gras oder rituellem Singsang beiwohnt, ohne sich dabei als Voyeur zu fühlen – dafür ist „Smoke Sauna Sisterhood“ auf seine unverblümt direkte Art viel zu diskret. Eine erhebende Studie von Intimität, Kino mit Heilwirkung.
Info Mal Seh'n Kino Adlerflychtstraße 6, 60318 Frankfurt am Main
Filmstart „Smoke Sauna Sisterhood“: 23. November 2023, 17.45 Uhr