Impressionen von der 73. Berlinale: Während der in Frankfurt gedrehte „Bis ans Ende der Nacht“ den eher durchschnittlichen Wettbewerb beendete, startete HessenFilm & Medien neue Überlegungen, die hiesigen Filmtheater zu stärken.
Gregor Ries /
Bei einer Belegung von 80 bis 100 Prozent der Kinosäle konnte die 73. Berlinale in der aktuellen Auflage wieder an die Zeiten vor der Pandemie anknüpfen. Dass die Jury am Ende zahlreiche Kritikerfavoriten wie „Totem“ oder „Past Lives“ ignorierte, gehört leider zu den vertrauten Umständen im Festivalgeschäft. Immerhin wurde mit der österreichischen Trans-Aktivistin Thea Ehre eine Darstellerin des teils in Frankfurt gedrehten Spielfilms „Bis ans Ende der Nacht“ ausgezeichnet. HessenFilm & Medien darf den Silbernen Bären für das mit 450 000 Euro geförderte Werk als Erfolg verbuchen.
Produzentin Bettina Brokemper von Heimatfilm lobte zuvor beim Hessenempfang Frankfurt als urbanen Schauplatz. Mit Christoph Hochhäusler drehte sie hier schon „Unter dir die Stadt“. Ihre neue Zusammenarbeit „Bis ans Ende der Nacht“ (geplanter Start 6. Juli) funktioniert stärker als schwierige queere Liebesgeschichte zwischen dem schwulen Undercovercop Robert (Timocin Ziegler) und seinem auf Distanz gehaltenen Lockvogel Leni (Ehre) denn als Krimi, dessen Ermittlungsplot zunehmend in den Hintergrund gerät. Überzeugen können die mit Unschärfen, Ausschnitten und Schleifen arbeitenden Bilder des Kameramanns Reinhold Vorschneider. Der Retro-Schlager-Soundtrack dient als Kontrast zum Frankfurter Technotempel-Image.
Highlights auch beim „Lichter“-Filmfestival
Eventuell wird man das Crime-Drama auf dem kommenden „Lichter“-Festival (18.–23. April) zum passenden Thema „Liebe“ antreffen. Auch der ein oder andere Beitrag der „Hessen Talent“-Rolle aus dem Berlinale-Filmmarkt dürfte dort zu finden sein. Die Compilation mit Werken von Filmstudierenden zeigte sich stark experimentell geprägt. Janina Lutters und Dascha Peturchows Kurzspielfilme entsprangen mehr dem Teenager-Rebellion-Sektor.
„Lichter“-Chef Gregor Maria Schubert freute sich bei der Verleihung des Preises der Deutschen Filmkritik. Schließlich feierten einige der Geehrten ihre Hessenpremiere auf dem Frankfurt-Festival. Ausgezeichnet wurden unter anderen der „Lichter“-Eröffnungsfilm „Aşk Mark ve Ölüm – Liebe, D-Mark und Tod“ von Cem Kaya als bester Dokumentarfilm sowie für die Meisterleistung der Montage. Die Schauspielpreise erhielten Moritz von Treuenfels als steter Lügner in „Axiom“ und Sakia Rosendahl als ausstiegswillige Bäuerin in „Niemand ist bei den Kälbern“, wobei letzterer aufgrund der Terminverschiebung nicht mehr auf dem Festival gezeigt werden konnte.
Wie steht es um Frankfurts Kinohäuser?
Unter dem Titel „Forum Kino Hessen: Der Vorhang bleibt offen!“ luden Anna Schoeppe, Geschäftsführerin von HessenFilm und Medien, und Angela Dorn, Hessens Ministerin für Wissenschaft und Kunst (Bündnis 90/Die Grünen), zur Diskussionsrunde im Vorfeld des Hessenempfangs ein. Zahlreiche Kinobetreiber aus Frankfurt und Umgebung sowie Mitarbeiter des Filmbüros beteiligten sich an dem Panel zur Lage der Filmtheater nach der Pandemie. Zwar können Häuser wie das Mal Seh’n, das DFF-Kino oder das Filmforum Höchst in den vergangenen Monaten steigende Zuschauerzahlen vermelden. Manchem kleineren Filmtheater gelang es jedoch nur aufgrund seiner Open-Air-Nächte, sich über Wasser zu halten. Eine Initiative wie „Das Kino bleibt im Dorf“ wurde als Förderung des Landkinos aufgeworfen.
Als weiteres Modell zur Rettung des Kinos kam die Kinocard Kassel als einjährig nutzbare Flatrate zur Sprache. Dagegen wurde die Abkopplung der Filmtheater-Auszeichnung beim Hessischen Filmpreis als weniger optimale Idee verworfen, da man die damit verbundene Aufmerksamkeit nutzen möchte. Jutta Feit vom Frankfurter Verleih jip Film lenkte den Blick auf den Dokumentarfilm. Den Erfolg des Soldatinnen-Porträts „The Other Side of the River“ während der Pandemie hob sie als Zeichen hervor, dass dokumentarische Stoffe bei optimaler Werbung funktionieren können. Es bleibt zu hoffen, dass die im Grunde zu kurze Diskussionsrunde Wirkung zeigt.
Der Hessenempfang im Anschluss nahm schon Volksfestcharakter an, Vorgestellt wurde die neue Webseite von HessenFilm & Medien. Im Plädoyer für Anna Schoeppes bisheriges Schaffen wurde besonders die Verdoppelung der Filmfest-Förderung und der Einsatz der Hessischen Filmpreisträger in den Arthouse-Kinos gelobt. Allerdings muss sich dies erst noch bis zum Publikum durchsprechen – zuletzt waren die Säle hierbei kaum gefüllt.