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Jürgen Stellpflug

Wer ist der Mann hinter Testwatch?

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Jürgen Stellpflug ist ehemaliger Chefredakteur der Testzeitung „Öko-Test“. Nach seinem Ausscheiden 2018 betreibt er den Verein „Testwatch“ und überprüft Testverfahren sowie Ergebnisse. Ist es eine persönliche Vendetta?

Lukas Mezler /

Wenn Jürgen Stellpflug über Produkttests spricht, klingt es wie ein persönliches Anliegen – eine Mission fast. Er sitzt am Küchentisch, redet schnell, aber präzise. Fast alles, was in der Welt der Verbraucherinformationen Rang und Namen hat, hat er sich schon angesehen. Denn Stellpflug vertraut nicht blind. „Ich will es genau wissen“, sagt er. Ein Satz, der ihn gut beschreibt. Stellpflug ist jemand, der gerne nachrechnet, nachfragt, nachbohrt. Einer, der sich mit der ersten Antwort nicht zufriedengibt. „Die sagen dann, das Produkt sei mit Note 2 bewertet worden. Ja, und? Mit welcher Methode denn?“

Stellpflug ist 68 Jahre alt, lebt in Frankfurt und war früher Chefredakteur bei „Öko-Test“. Heute hat er sich der Aufgabe verschrieben, den Testern auf die Finger zu schauen. Seit rund fünf Jahren betreibt er „Testwatch“. Dazu gehören ein Verein von zwölf Mitgliedern, ein Newsletter, eine Website. Aber dahinter steht ein Mann mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Testbranche.

„Ich finde dauernd Fehler“, sagt er. Dabei gehe es ihm nicht um Skandale oder Enthüllungen. Sondern um die Sorgfalt. Um Genauigkeit. Um den Anspruch, dass Verbraucherinnen und Verbraucher wirklich verlässliche Informationen bekommen. Was wie ein Vertrauensberuf klingt – Produkttests – ist für ihn nicht mehr vertrauenswürdig. „Gerade bei Stiftung Warentest oder Öko-Test passieren erstaunlich viele menschliche Fehler. Mal wird ein Prüfwert falsch übernommen, mal die Methodik nicht korrekt angewendet.“

„Journalismus verkommt zur Unterhaltungsindustrie“

Seine Kritik träfe vermeintlich objektive Institutionen. „Ich sehe das als journalistische Aufgabe. Die vierte Gewalt. Aber leider verkommt Journalismus immer mehr zur Unterhaltungsindustrie“, sagt Stellpflug. Was er damit meint: Medien würden zunehmend auf Aufmerksamkeit und Klickzahlen setzen, statt auf gründliche Recherche und sachliche Aufklärung. Auch bei Produkttests zähle oft mehr, wie gut sich ein Thema vermarkten lasse, nicht wie verlässlich die Ergebnisse seien. Bei Testwatch prüft er nach, wer wann wie testet – und warum. Vor allem aber: Ob dabei alles korrekt zugehe.

Ein neues Produkt kommt auf den Markt, ein Label ist aufgedruckt. Stellpflug wird hellhörig. „Ich suche mir dann ein Produkt mit einem besonders unseriösen Label und schaue, welche Konkurrenzprodukte es gibt. Meistens finde ich schnell heraus, was nicht stimmt.“ Dass ihn Firmen heute anschreiben und um Hilfe bitten, sei keine Seltenheit mehr. „Es passiert immer öfter, dass getestete Firmen sagen: Da stimmt was nicht. Könnt ihr euch das mal anschauen?“ Ein Geschäftsmodell sei Testwatch dennoch nicht. „Der Verein hat 600 bis 700 Euro im Jahr. Das ist kein Job, das ist ein Anliegen.“ Keine Werbung auf der Website, kein Sponsoring. Und er selbst? „Ich muss kein Geld mehr verdienen. Ich will einfach, dass die Leute nicht für dumm verkauft werden.“

„Ich wollte nicht, dass es aussieht wie eine persönliche Vendetta“

Die ersten zwei Jahre nach Gründung von Testwatch ließ er laut eigenen Aussagen seinen früheren Arbeitgeber bewusst außen vor. „Ich wollte nicht, dass es aussieht wie eine persönliche Vendetta.“ Erst als die Fehler aus seiner Sicht immer häufiger wurden, fing er an, öffentlich zu schreiben. Heute schickt er jede seiner Testprüfungen an Öko-Test. Doch eine Antwort bekomme er nicht mehr. „Die wollen nicht. Ich bekomme keine Stellungnahmen. Die Türen sind zu.“

Stellpflug wirkt nicht verbittert, eher konzentriert. Er lacht, wenn er Beispiele erzählt – etwa von Portalen wie testsieger.de, die Durchschnittsnoten aus einer Mischung aus Stiftung Warentest und dubiosen Anbietern errechnen würden. „Da hat einer ein Produkt mit ‚mangelhaft‘ bewertet, der nächste mit ‚sehr gut‘, und was macht das Portal? Zieht einen Schnitt. Das ist doch absurd.“

„Niemand prüft die Tester“

Er weiß, wie wenig Aufmerksamkeit seinen Prüfungen der Produkttester geschenkt wird. „Niemand prüft die Tester. Es gibt niemanden außer mir, der das in dieser Breite macht. Das ist vielleicht ein bisschen arrogant, aber das kann niemand.“ Besonders bei Technikportalen sieht er noch Aufklärungsbedarf. „Da gibt es viele Tests, aber kaum eine nachvollziehbare Methode. Wenn keine Testmethode angegeben ist, weiß ich schon: Da stimmt was nicht.“

Private Kaufentscheidungen treffe er selten auf Basis von Labels. „Ich kaufe kein Produkt, nur weil Öko-Test draufsteht. Dann steigen die Verkaufszahlen und das Label lohnt sich – das will ich nicht.“ Und wenn doch, dann vergleicht er. Sucht mehrere Quellen, wägt ab. „Bei Mährobotern zum Beispiel: Wenn sowohl Stiftung Warentest als auch Computerbild das selbe Modell empfehlen, dann kann man das ernst nehmen.“ Er zeigt seinen Rasenroboter. Ein Husqvarna – teuer, aber zuverlässig. Und natürlich selbst getestet. Jürgen Stellpflug ist kein Don Quijote gegen die Windmühlen der Konsumgesellschaft. Aber er ist jemand, der sich dazu verschrieben hat, genauer hinzuschauen. „Tests machen Menschen“, sagt er. „Und Menschen machen Fehler.“ Man müsse sie nur finden und benennen.

Info
Auf JOURNAL-Anfrage bezieht die Testzeitung Öko-Test Stellung: „Jürgen Stellpflug ist ehemaliger Chefredakteur von Öko-Test und 2018 ausgeschieden. Seit einigen Jahren betreibt er die Plattform Testwatch und kritisiert dort unsere Tests. Wir prüfen jeden Hinweis auf mögliche Fehler von Dritten. In den sehr seltenen Fällen, in denen uns wirklich ein Fehler unterläuft, korrigieren wir diesen umgehend in unseren Veröffentlichungen.“

Lukas Mezler
Lukas Mezler
Jahrgang 1997, Studium der Sozial- und Kulturanthropologie an der Goethe-Universität Frankfurt, EHESS in Paris. Seit Oktober 2024 beim JOURNAL FRANKFURT.
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