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Volker, hör die Signale!
Neujahrsempfang der CDU, gestern Abend. Volker Bouffier, Hessens Innenminister, sagt: "Wenn mir einer vor einigen Jahren gesagt hätte: 'Es wird in Hessen einmal eine Regierungsbildung mit Kommunisten geben', wäre meine Antwort gewesen: Ihr spinnt!"
Ich hätte es anders formuliert: Wenn jemand Rosa Luxemburg im September 1913 gesagt hätte: 'Da wo Sie jetzt sprechen wird in 96 Jahren ein hessischer Innenminister vor der roten Gefahr warnen', wäre ihre Antwort die gleiche gewesen.
Aber genug vom Weltgeist und seiner ironischen Einlassung, den CDU-Empfang im Titania-Theater in Bockenheim stattfinden zu lassen, an dessen Fassade an eben jene Frau Luxemburg erinnert wird und auch daran, dass sie vor fast genau 90 Jahren zusammen mit Karl Liebknecht ermordet wurde. Widmen wir uns dem Hier, dem Jetzt, dem Wahlkampf.
Politik, so heißt es, sei das Bohren sehr dicker Bretter. Beharrungsvermögen, Standhaftigkeit, Geduld und Altersmilde – das sind zumindest die Eigenschaften der Frankfurter CDU-Mitglieder, die fast zwei Stunden Reden über sich ergehen ließen, bevor endlich, endlich das Buffet eröffnet wurde. Erst sprach Boris Rhein ("Sorgen Sie für klare Verhältnisse!"), Frankfurter CDU-Chef, gewohnt eloquent, moderierte dann kurze Statements der Frankfurter Direktkandidaten, gab dann das Mikro an Volker Bouffier weiter, schließlich dann Petra Roth, dann noch einmal kurz Rhein, dann: Essen!
Bouffier wollte es kurz machen, doch dann wurde es doch eine "Grundsatzrede". Um die Niederungen hessischer Politik schien er sich nicht scheren zu wollen, begann mit dem großen Thema unserer Zeit: "Wir stehen vor der größten wirtschaftlichen Herausforderung, der größten Rezession, die wir in der Geschichte der Bundesrepublik bisher erlebt haben. Aber: die Stimmung, die ist ja nicht so." Die Stimmung sei sowieso gut, auch im Wahlkampf, an den Ständen, keine Beschimpfungen wie vor einem Jahr. Bouffier lobt Hessen, freut sich, wie gut das Land dastehe nach diesen zehn Jahren CDU-Regierung. Wirtschaftlich. Sicherheitspolitisch. "Deswegen: unterstützen Sie uns!" Nickende Zustimmung im Publikum.
Doch es dräut Gefahr. "Es gibt ein Symbol in Hessen und das ist der ..." die Zuhörer murmeln es mit "... der Flughafenausbau. Vier Milliarden Euro, privatwirtschaftlich verdient, sollen dort investiert werden. Da darf es jetzt keine Verzögerungen mehr geben, keine weiteren Diskussionen, keine langen Gerichtsverfahren. Wenn Sie wollen, das der Flughafen jetzt ausgebaut wird, dann wählen Sie eine bürgerliche Regierung." Jawoll-Rufe, So-isses im Publikum.
Und zu den Grünen gewandt sagt Bouffier: "Ich hoffe auf Einsicht, denn wir ein indianisches Sprichwort sagt: wenn der Gaul tot ist, soll man absteigen. Diese Position ist nicht zukunftsfähig." Das gelte im übrigen auch in der Energiepolitik. "Da gibt es ernsthaft Leute, die das größte Kohlekraftwerk Staudinger nicht modernisieren wollen, die wollen, das eines der modernsten Kernkraftwerke der Welt abgeschaltet wird, die sagen: das kann man alles mit Windmühlen, Wasserkraft und Solar ersetzen. Dann müssen wir den Strom aus Tschechien und Frankreich kaufen. Das ist keine Frage der Ideologien, sondern der reinen Vernunft."
Schließlich kommt Bouffier zu den Kommunisten. "Wir haben im Landtag unsere Erfahrungen mit diesen Abgeordneten gemacht. Das sind Kommunisten, das sind Trotzkisten, das sind weldfremde Idealisten. In anderen Ländern würden solche Leute direkt ins Gefängnis wandern, für ihre Meinung, die Grundfeste unseres Systems in Frage zu stellen. Doch in einer Demokratie muss man auch solche Extreme ertragen. Doch man darf diese Extreme nicht in die Regierung einbinden."
Das Stichwort mit dem Gefängnis passt. Denn jetzt raten Sie mal, was mit Frau Luxemburg passierte, nachdem sie ihre Rede in Bockenheim gehalten hatte? Bingo! Je nun, das ist lange her – jetzt heißt es erstmal: noch wenige Tage bis zur Wahl, auf zum letzten Gefecht.
13. Januar 2009, 11.48 Uhr
Nils Bremer
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