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Unser Tag mit der Bundeskanzlerin
Nils, 31 Jahre:
In der Straße vor unserer Redaktion stapeln sich die Polizeiwagen. Das kann bedeuten: es gibt eine Studentendemo. Oder die Bundeskanzlerin ist in der Stadt. Denn Angela Merkel reist mit dem Rheingold-Express quer durch Deutschland. Gestartet ist sie in Rhöndorf, Wohnort Konrad Adenauers. Danach ging es nach Bonn, wo die Bundeskanzlerin den Amtssitz des ersten Bundeskanzlers besuchte. Von dort aus weiter nach Koblenz und schließlich nach Frankfurt. Da bleibt nicht viel Zeit. Also schnell zum Hauptbahnhof.
Boris, 45 Jahre:
Die Kanzlerin hat mir zugewinkt. Wahnsinn - im zartlila Kostüm schwebte sie quasi an mir vorbei, links unsere OB, rechts unser MiPrä - die CDU in ihrer schönsten Form... Ganz Queen-like lächelte sie und winkte kurz auf dem Weg zum Podium - allerdings erst nach dem der eine oder andere CDU-Ordner zu klatschen anfing. Ein Insider klärte mich auf: Die Kanzlerin bleibt immer nur stehen, wenn man ihr spontan zuklatscht. Aha. Wieder was gelernt. Ansonsten aber nichts Neues bei der Rede - aber dennoch eine Neuentdeckung: das Dürum-Döner im MIB (Markt im Bahnhof) ist wirklich lecker ...
Noel, 14 Jahre:
Ich habe leider nichts gesehen, da viele große Menschen vor mir standen. Allerdings habe ich Frau Merkel gehört. Ich fand es gut was sie gesagt hat in Bezug auf die Umweltkrise. Allerdings wüsste nun immer noch nicht, wen ich meine Stimme geben soll, wenn ich wählen dürfte.
Jonas, 23 Jahre:
Inhaltlich fand ich die Rede äußerst schwach. Kaum politische Ziele, viel emotionales Geschwafel. Persönlich stieß mir vor allem die namentliche Erwähnung Kohls sauer auf.
Christina, 26 Jahre:
Von allen Seiten drängen sich Frauen und Männer um mich. Jeder will einen Blick auf das Podium vor dem Hauptbahnhof erhaschen. Denn in wenigen Minuten soll hier unsere Bundeskanzlerin eintreffen. Ich habe einen Platz rechts neben der Bühne ergattern können. Wenn ich mich auf die Zehenspitzen stelle, kann ich sogar etwas sehen. Besonders überrascht mich der bunte Querschnitt durch alle Altersklassen. Angefangen von Teenagern, die mit ihren Fotohandys bewaffnet um eine Platz kämpfen, über junge Familien mit Kleinkindern auf dem Arm bis hin zu Rentner. 3500 Menschen sollen es laut Oberbürgermeisterin Petra Roth sein. Ob sie durchgezählt hat?
„Jetzt gehen sie da mal weg, wir anderen wollen auch etwas sehen“, schimpft eine ältere Frau mit einem Kameramann, der sich direkt vor sie auf eine Bank gestellt hat. Dann endlich trifft Merkel in einem auffallenden, violetten Jackett unter dem Jubeln der Menge ein. „Wir müssen die Grundsätze der freien Marktwirtschaft international importieren“, poltert sie in festem Ton bei ihrer Rede. Sie spricht von den Beginnen der Demokratie in Deutschland und über aktuelle Probleme. Überzeugend tritt sie auf, doch wirklich konkret wird sie nicht. Erneuerbare Energie macht Merkel auch zum Thema, aber wohl eher weil die vielen grünen Windräder im Publikum kaum zu übersehen sind. Und nach Sätzen wie: „Bei einer Krise werden die Karten neu gemischt. Aber ich denke, wir können im weltweiten Vergleich weiterhin vorne dabei sein“, bin ich auch nicht schlauer als vorher.
Nochmal Nils:
Und schon macht sich Frau Merkel zurück zum Zug. Der historische Zug muss noch über Erfurt nach Leipzig. Und dann nach Berlin. Dort will Merkel am späten Abend im Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses eine Foto-Installation mit Motiven Adenauers präsentiert. Total spannend, bestimmt. Aber jetzt gilt's. Ich habe immer noch kein gutes Bild von der Kanzlerin ergattert. Ich lehne mich also mit der Kamera aus der Menschenmenge an Gleis 1 heraus, sie kommt, man klatscht, doch sie geht weiter, dann sieht sie mich - klick! Erst in der Redaktion sehe ich ihren verdutzten Gesichtsausdruck:
15. September 2009, 15.27 Uhr
Redaktion
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