Trabant und Menschenfreund

Clemens Meyer wird zum 45. Stadtschreiber von Bergen gekürt

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Er gehört zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autoren seiner Generation und hielt schon die Poetikvorlesung an der Goethe-Universität: Nun wird Clemens Meyer der neue Stadtschreiber von Bergen. Den Preis erhält er beim Festakt am 31. August.

Christoph Schröder /

Im Jahr 2015 hielt der Schriftsteller Clemens Meyer unter dem Titel „Der Untergang der Äkschn GmbH“ eine Frankfurter Poetikvorlesung, die es in sich hatte. Da purzelte wirklich alles durcheinander in einem wilden Wirbel, was den 1977 in Halle/Saale geborenen Schriftsteller in seiner Arbeit antreibt: Mit Wonne, Selbstironie und einem spürbar darunter gelegten tiefem Ernst wühlt Meyer im Urschlamm seiner Schriftstellerexistenz, und was er dabei zutage fördert, ist ein explosives Gemisch: Porno und Lohengrin, das Leipzig der Nachwendezeit und Kolportage-Romane, DDR-Schriftsteller wie Werner Bräuning oder Werner Heiduczek als Symbolfiguren eines verloren gegangenen Referenzrahmens. Manchen war das zu viel, zu ungeordnet. Aber es entsprach dem Temperament Meyers, der nun am 31. August als 45. Stadtschreiber von Bergen in das Haus an der Oberpforte einziehen wird. Meyer gehört zu den bedeutendsten deutschsprachigen Autoren seiner Generation: Sein Debütroman „Als wir träumten“ aus dem Jahr 2006 galt als Meilenstein in der Darstellung der verlorenen Generation, die aus der DDR-Umbruchzeit hervorgegangen ist. Für seinen Erzählungsband „Die Nacht, die Lichter“ wurde Meyer mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet. Und 2013 schließlich erschien sein Roman „Im Stein“, der auf komplexe Weise ein nicht minder komplexes Geflecht von Beziehungen in der Halbwelt der Stadt Leipzig freilegte. Meyer interessiert sich für die verborgenen Emotionen, die sich eruptiv Bahn brechen. Und für die einsame Suche nach Glück. Möglicherweise hat Meyer ein Imageproblem, an dem er selbst nicht komplett unschuldig ist: Zu früheren Zeiten spritzte er schon einmal wild mit einer Bierflasche in der Gegend herum, wenn er einen Literaturpreis gewann, und gab auch ansonsten mit einer gewissen Koketterie den leicht angeprollten Ossi. Wer noch immer so denkt, sollte seit „Im Stein“ und spätestens seit dem Erzählungsband „Die stillen Trabanten“ (2017) eines Besseren belehrt worden sein: In „Die stillen Trabanten“ zeigt sich kein anderer Autor als der, den man bislang kennen lernen konnte, aber Clemens Meyer demonstriert darin in aller Offenheit, dass hinter der Härte Verletzlichkeit und hinter seinem Schreiben eine große Menschenfreundlichkeit stehen muss. Am 31.8. nimmt Clemens Meyer symbolisch den Schlüssel des Stadtschreiberhauses aus den Händen seines Vorgängers Thomas Melle entgegen. OB Peter Feldmann spricht ein Grußwort; im Anschluss hält Jens Bisky, Redakteur der Süddeutschen Zeitung, die Festrede auf Clemens Meyer. Der Stadtschreiberpreis ist einer der traditionsreichsten Literaturpreise in Deutschland und mit 20 000 Euro dotiert.

>> Stadtschreiberfest, Bergen-Enkheim, Festzelt am Marktplatz, 31.8., 19 Uhr, Zelteröffnung: 18 Uhr, Eintritt frei


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