Rossmarkt hoch 3

Der Meister und seine Schüler

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Der argentinische Künstler und Ex-Städelschüler Tomás Saraceno hat für den Rossmarkt ein temporäres Kunstwerk entwickelt. Den Auftrag dafür haben Frankfurter Gymnasiasten gegeben. Ein Atelierbesuch.

Grit Weber /

Tomás Saraceno hat in den letzten Wochen sehr viel zu tun. In seinem Frankfurter Atelier in der Hohenstaufenstraße häufen sich Schnüre aus Gummi und Bänder aus Nylon, liegen Kugeln, Netze und Plastik-Bälle in allen erdenklichen Größen herum. Im Büro, wo sich seine Mitarbeiter über flimmernde Bildschirme beugen, stapeln sich die Aufträge. Denn spätestens seit seiner Teilnahme an der Biennale in Venedig 2009 ist Tomás Saraceno ein international gefragter Künstler. Seine Installationen erinnern an utopische Architekturen oder an übergroße biomorphe Gewächse. Sie sind raumgreifend, manchmal aus kugelartigen Segmenten zusammen gesetzt oder aus unzähligen Gummischnüren kompliziert verknotet. Im Frankfurter Kunstverein erstreckte sich kürzlich ein Knüpfwerk aus schwarzen Kordeln vom Erdgeschoss bis in die erste Etage. In ihm können sich eine Vielzahl von Ideen bündeln: sie könnten Spinnennetze darstellen oder als Rizome und Zellgewebe durchgehen, es könnten hängende Gärten sein oder utopischen Stadtansichten. In all diesen Assoziationen kann der Betrachter wunderbar schwelgen, denn um Eindeutigkeit geht es wie meistens in der Kunst, auch in Saracenos Werken nicht.

Nach einem Kunststudium in seinem Heimatland Argentinien sattelte Tomás Saraceno noch einige Semester in der Architekturklasse der Städelschule auf. Dort beschäftigte er sich mit den utopischen Stadtentwürfen seines Lehrers Thomas Cook. Cook entwickelte vor allem in den 60er Jahren wegweisende Architekturen, die utopische Siedlungen für den Luftraum erdachten. Was für manche Menschen viel zu abgehoben und unbaubar erscheint, bildete für Saraceno die Grundlage seiner Formen, die sich immer dort am wohlsten fühlen, wo sich biologische und architektonische Prinzipien munter überschneiden. Denn in Saracenos wuchernden Gebilden finden auch die abstraktesten Ideen ihre konkrete Form.

Ganz konkret ist es nun auch für die Schülerinnen und Schüler mehrerer Frankfurter Gymnasien geworden. Denn sie haben für das Kunstprojekt „Rossmarkt hoch 3“ nach reiflicher Überlegung und Eigenexperimenten, Tomás Saraceno den Auftrag für eine temporäre Skulptur gegeben, die nun auf dem Rossmarkt in Aufstellung gebracht wurde. Am Montag fand der vorläufige Höhepunkt dieser ersten Projektrunde statt. Juliane von Herz, die Initiatorin von „Rossmarkt hoch 3“, Frankfurts Kulturdezernent Felix Semmelroth und Victorio Taccetti, Botschafter Argentiniens weihten feierlich Saracenos Kunstwerk ein. Es ist ein unregelmäßiges Gebilde, in dem sich mehrere Rhomben zu einer blasenähnlichen Ansammlung fügen. Wieder darf der Betrachter mit seinen Assoziationen spielen: sind es wuchernde Zellkolonien, der architektonische Gegenentwurf zu all den kühlen Bankentürmen, oder doch glänzende Seifenblasen, überdimensional und mit viel Atem in den Frankfurter Himmel gepustet?


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