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Ray Triennale beginnt
Die Gegenwärtigkeit der Fotografie
Mit einem Festival wird die Ray Triennale eröffnet – es geht um zeitgenössische Fotografie und den Begriff der Extreme. Fündig geworden sind die Kuratoren gleich mehrerer Institutionen auf der ganzen Welt.
Irgendwann ganz oben im Frankfurter Kunstverein tritt die Fotografie aus dem Raum heraus, webt sich ineinander und überlagert sich und der Betrachter weiß nicht mehr so ganz, wo das eine Foto anfängt und das nächste beginnt. Das ist ein Gefühl, das sich bei den Besuchern von Ray2018 ohnehin irgendwann einstellen wird. Hunderte Fotografien in 15 Institutionen im Rhein-Main-Gebiet sind vom 24. Mai an zu sehen, die Eröffnungen finden zeitgleich am Mittwochabend statt.
Foto: Norbert Miguletz
Beteiligt sind 15 Institutionen und fünf Kuratoren: Matthias Wagner K vom Museum Angewandte Kunst, Anne-Marie Beckmann von der Deutsche Börse Photography Foundation, Celina Lunsford vom Fotografie Forum Frankfurt, Alexandra Lechner von den Darmstädter Tagen der Fotografie und Peter Gorschlüter vom Museum für Moderne Kunst. Dort, im MMK3 nämlich, wird in den nächsten Tagen auch das Herz des Festivals schlagen, das Festivalzentrum soll als Ankerpunkt dienen für all die Vorträge, Künstlergespräche, Führungen und Workshops, die von Donnerstagmorgen bis Sonntagabend geplant sind.
Die Ausstellungen gleichwohl laufen noch bis in den September hinein, so auch jene im Kunstverein, eine Überblicksschau aus dem Foam Fotografiemuseum in Amsterdam, die 20 junge künstlerische Positionen zeigt. Dort wie auch bei Ray insgesamt lässt sich der Fokus nicht allein auf das Feld der reinen Fotografie festlegen. Martin Errichiello und Filippo Menichetti etwa verstehen sich als Fotografen sowie Archäologen, Geografen und Historiker. Die Künstler reisten entlang der Autobahn Salerno – Reggio Calabria, eine wichtige Mobilitätsachse im Süden des Landes und Teil der Autostrada del Sole. Diese Autobahnstrecke liefert den symbolischen Handlungsstrang für das vielschichtige Projekt, anhand dessen Teile einer verborgenen italienischen Geschichte sichtbar werden und eine Ästhetik der Brüche und Kontraste aufscheint. Die kontrollierte Sprengung der baufälligen Autobahnbrücke Viadotto Italia ist gleichzeitig Symbol ökonomischer Entwicklung aber auch politischen Versagens und wirkt wie eine Metapher einer gescheiterten Utopie. Dieses Bild liefert das Motiv der gesamten Ausstellung.
Im Museum für Moderne Kunst, nur einen Katzensprung über die neue Altstadt vom Kunstverein entfernt, sind Fotografien von Cao Fei, Richard Mosse und Paulo Nazareth versammelt, die sich dem Sujet der Nomaden in heutiger Zeit widmen. Extrem sind dabei nicht nur die individuellen und gesellschaftlichen Folgen der Globalisierung, welche die von drei Kontinenten stammenden Künstlerinnen und Künstler untersuchen. Auch ihre künstlerischen Strategien erweisen sich als Grenzgänge.
Foto: Richard Mosse, Moria, Courtesy the artist, carlier | gebauer, Berlin and Jack Shainman Gallery, New York
Im Museum Angewandte Kunst werden mit "Extreme. Bodies" Darstellungen von Körper und Identität beleuchtet. Die Fotografie dient dabei als Zeugenschaft des Körpers. Das Extreme findet seinen Ausdruck in der Fotografie selbst, in der Haltung der Fotografin und des Fotografen oder im Wahrnehmen von Habitaten jenseits normativer gesellschaftlicher Vorgaben. Wie bei Carolin Saage, die seit Jahren Transgender weltweit porträtiert, jenseits oder innerhalb ihres Umfeldes, die auf und hinter die selbstgewählte Inszenierung blickt und sich dabei extremen Gefühlswelten aussetzt.
Foto: Carolin Saage
Unter den Werken im MAK sind auch Fotografien von Martin Liebscher, einem Freund der digitalen Selbstduplizierung. In seinen Familienbildern posiert er in unterschiedlichsten Gesten und Haltungen an bekannten Orten. Die einzelnen Bilder werden anschließend am Computer zusammengefügt. So entstehen Bildwerke, die die Vorstellung von Identität und Selbstinszenierung ins Absurde führen.
Foto: Martin Liebscher, VG BIldkunst 2018
Die Ausstellung "Extreme. Territories" zeigt in der Deutsche Börse Photography Foundation in Eschborn Gebiete, deren Bewohner durch politische und wirtschaftliche Entwicklungen außergewöhnlichen Bedingungen ausgesetzt sind. Im Mittelpunkt stehen dabei die in der Landschaft hinterlassenen Spuren und Verschiebungen, die Zeugnis ablegen von Entwurzelung, Abgrenzung und Entfremdung. Sie entstehen durch politische Konflikte und Umwälzungen ebenso wie durch die Auswüchse von rasantem wirtschaftlichem Wachstum. Die Werke der fünf ausgewählten Künstler zeigen dies auf vielfältige und eindrückliche Weise. So zeigt das Projekt Wüstungen von Anne Heinlein und Göran Gnaudschun Fotografien und Archivmaterial aus den geschleiften Grenzgebieten in der ehemaligen DDR:
Foto: Anne Heinlein
In der Ausstellung "Extreme. Self" im Kunstforum der TU Darmstadt befassen sich drei Künstlerinnen mit ebenso persönlichen wie ideenreichen Aspekten der Wahrnehmung des Selbst. Laís Pontes hinterfragt so etwa den Aspekt der Identitätsbildung und bedient sich dabei der sozialen Medien. Sie fotografierte sich für Born nowhere in verschiedenen Rollen und stellte diese Bilder auf einer Facebook-Seite zur Diskussion. Online erhielt jedes Porträt eine Vita aus den gesammelten Kommentaren der Facebook-Nutzer. Davon ausgehend wurden vier Charaktere in Born Now Here weiterentwickelt, indem sie ausgewählten Facebook-Mitgliedern als Alter Ego anvertraut wurden.
Foto: Lais Pontes
Das Fotografie Forum wiederum, und damit befinden wir uns wieder in Nähe des Frankfurter Römers, befasst sich sowohl mit drastischen Umwelt-Entwicklungen in Bezug auf globale Erwärmung, dem Aussterben von Tierarten sowie dem Vertrauensmissbrauch in der Industrie und der Politik. Unter dem Titel "Extreme. Environments" ist so unter anderem in Werken von Lois Hechenblaikner zu sehen, welchen Einfluss der Mensch auf seine Welt hat, hier mit Fotografien und Kurzfilme zum Thema "Glacier Pathology" und "Alpine Entertainment", die einen einen Blick hinter die Kulissen des Wintersporttourismus werfen und dessen Einfluss auf die Umwelt zeigen.
Foto: Lois Hechenblaikner
Mit Beginn der Triennale starten Ray, das Journal Frankfurt und das Shoppingcenter MyZeil auch einen Fotowettbewerb auf Instagram zum Thema Extreme.
Foto: Norbert Miguletz
Beteiligt sind 15 Institutionen und fünf Kuratoren: Matthias Wagner K vom Museum Angewandte Kunst, Anne-Marie Beckmann von der Deutsche Börse Photography Foundation, Celina Lunsford vom Fotografie Forum Frankfurt, Alexandra Lechner von den Darmstädter Tagen der Fotografie und Peter Gorschlüter vom Museum für Moderne Kunst. Dort, im MMK3 nämlich, wird in den nächsten Tagen auch das Herz des Festivals schlagen, das Festivalzentrum soll als Ankerpunkt dienen für all die Vorträge, Künstlergespräche, Führungen und Workshops, die von Donnerstagmorgen bis Sonntagabend geplant sind.
Die Ausstellungen gleichwohl laufen noch bis in den September hinein, so auch jene im Kunstverein, eine Überblicksschau aus dem Foam Fotografiemuseum in Amsterdam, die 20 junge künstlerische Positionen zeigt. Dort wie auch bei Ray insgesamt lässt sich der Fokus nicht allein auf das Feld der reinen Fotografie festlegen. Martin Errichiello und Filippo Menichetti etwa verstehen sich als Fotografen sowie Archäologen, Geografen und Historiker. Die Künstler reisten entlang der Autobahn Salerno – Reggio Calabria, eine wichtige Mobilitätsachse im Süden des Landes und Teil der Autostrada del Sole. Diese Autobahnstrecke liefert den symbolischen Handlungsstrang für das vielschichtige Projekt, anhand dessen Teile einer verborgenen italienischen Geschichte sichtbar werden und eine Ästhetik der Brüche und Kontraste aufscheint. Die kontrollierte Sprengung der baufälligen Autobahnbrücke Viadotto Italia ist gleichzeitig Symbol ökonomischer Entwicklung aber auch politischen Versagens und wirkt wie eine Metapher einer gescheiterten Utopie. Dieses Bild liefert das Motiv der gesamten Ausstellung.
Im Museum für Moderne Kunst, nur einen Katzensprung über die neue Altstadt vom Kunstverein entfernt, sind Fotografien von Cao Fei, Richard Mosse und Paulo Nazareth versammelt, die sich dem Sujet der Nomaden in heutiger Zeit widmen. Extrem sind dabei nicht nur die individuellen und gesellschaftlichen Folgen der Globalisierung, welche die von drei Kontinenten stammenden Künstlerinnen und Künstler untersuchen. Auch ihre künstlerischen Strategien erweisen sich als Grenzgänge.
Foto: Richard Mosse, Moria, Courtesy the artist, carlier | gebauer, Berlin and Jack Shainman Gallery, New York
Im Museum Angewandte Kunst werden mit "Extreme. Bodies" Darstellungen von Körper und Identität beleuchtet. Die Fotografie dient dabei als Zeugenschaft des Körpers. Das Extreme findet seinen Ausdruck in der Fotografie selbst, in der Haltung der Fotografin und des Fotografen oder im Wahrnehmen von Habitaten jenseits normativer gesellschaftlicher Vorgaben. Wie bei Carolin Saage, die seit Jahren Transgender weltweit porträtiert, jenseits oder innerhalb ihres Umfeldes, die auf und hinter die selbstgewählte Inszenierung blickt und sich dabei extremen Gefühlswelten aussetzt.
Foto: Carolin Saage
Unter den Werken im MAK sind auch Fotografien von Martin Liebscher, einem Freund der digitalen Selbstduplizierung. In seinen Familienbildern posiert er in unterschiedlichsten Gesten und Haltungen an bekannten Orten. Die einzelnen Bilder werden anschließend am Computer zusammengefügt. So entstehen Bildwerke, die die Vorstellung von Identität und Selbstinszenierung ins Absurde führen.
Foto: Martin Liebscher, VG BIldkunst 2018
Die Ausstellung "Extreme. Territories" zeigt in der Deutsche Börse Photography Foundation in Eschborn Gebiete, deren Bewohner durch politische und wirtschaftliche Entwicklungen außergewöhnlichen Bedingungen ausgesetzt sind. Im Mittelpunkt stehen dabei die in der Landschaft hinterlassenen Spuren und Verschiebungen, die Zeugnis ablegen von Entwurzelung, Abgrenzung und Entfremdung. Sie entstehen durch politische Konflikte und Umwälzungen ebenso wie durch die Auswüchse von rasantem wirtschaftlichem Wachstum. Die Werke der fünf ausgewählten Künstler zeigen dies auf vielfältige und eindrückliche Weise. So zeigt das Projekt Wüstungen von Anne Heinlein und Göran Gnaudschun Fotografien und Archivmaterial aus den geschleiften Grenzgebieten in der ehemaligen DDR:
Foto: Anne Heinlein
In der Ausstellung "Extreme. Self" im Kunstforum der TU Darmstadt befassen sich drei Künstlerinnen mit ebenso persönlichen wie ideenreichen Aspekten der Wahrnehmung des Selbst. Laís Pontes hinterfragt so etwa den Aspekt der Identitätsbildung und bedient sich dabei der sozialen Medien. Sie fotografierte sich für Born nowhere in verschiedenen Rollen und stellte diese Bilder auf einer Facebook-Seite zur Diskussion. Online erhielt jedes Porträt eine Vita aus den gesammelten Kommentaren der Facebook-Nutzer. Davon ausgehend wurden vier Charaktere in Born Now Here weiterentwickelt, indem sie ausgewählten Facebook-Mitgliedern als Alter Ego anvertraut wurden.
Foto: Lais Pontes
Das Fotografie Forum wiederum, und damit befinden wir uns wieder in Nähe des Frankfurter Römers, befasst sich sowohl mit drastischen Umwelt-Entwicklungen in Bezug auf globale Erwärmung, dem Aussterben von Tierarten sowie dem Vertrauensmissbrauch in der Industrie und der Politik. Unter dem Titel "Extreme. Environments" ist so unter anderem in Werken von Lois Hechenblaikner zu sehen, welchen Einfluss der Mensch auf seine Welt hat, hier mit Fotografien und Kurzfilme zum Thema "Glacier Pathology" und "Alpine Entertainment", die einen einen Blick hinter die Kulissen des Wintersporttourismus werfen und dessen Einfluss auf die Umwelt zeigen.
Foto: Lois Hechenblaikner
Mit Beginn der Triennale starten Ray, das Journal Frankfurt und das Shoppingcenter MyZeil auch einen Fotowettbewerb auf Instagram zum Thema Extreme.
Web: ray2018.de
23. Mai 2018, 11.00 Uhr
nil
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