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MyZeil - Tamtam und Tumult
Das gigantische Shoppingcenter MyZeil hat eröffnet – am 25. Februar mit einer hochkarätig besetzten Gala und am 26. Februar mit einem riesigen Kundenansturm. 8 Stunden MyZeil im Selbstversuch – ich hab’s erlebt. Wenn Sie wissen wollen, was Sonya Kraus auf den Trichter geht, warum Petra Roth neben einem Galgen stand, weshalb eine Frau in MyZeil aufgespießt wurde, wie renitente Rentner das Vizz-Kinderland eroberten und warum neun Frau Antjes inklusive Käse die Zeil überrannten, dann lesen Sie mal weiter.
Es hat neun Jahre gebraucht, bis der gigantische Glaspalast MyZeil eröffnen konnte. Endlich haben das erwartungsfrohe Staunen vor der Glasfassade und damit die Staus auf der Zeil ein Ende, denn jetzt kann man den Konsumtempel mit seinen 80 Läden auch von innen bestaunen. Die erste Möglichkeit dazu bot sich bereits einen Abend vor der Eröffnung. Die vierte Etage von MyZeil, eigentlich der Gastro-Boulevard, wurde zum Schauplatz eines Galaabends. Aber das ganze MyZeil durfte man noch nicht besichtigen, dafür brachte die mit 47 Meter längste Rolltreppe Europas die geladenen Gäste vom Erdgeschoss direkt in den vierten Stock. In 120 Sekunden – eine gefühlte Ewigkeit. Aber: Zeit, um die außergewöhnliche Architektur mit den organischen Formen zu begutachten. Sehr groß und weitläufig – im Gegensatz zur Zeilgalerie – wirkt MyZeil, mit seinem anthrazitfarbenen, mit weißen Punkten verzierten Terrazzoboden, ist jedoch noch farblich trist und ziemlich kühl. Aber das wird sich noch ändern, MyZeil ist noch nicht perfekt, vieles wirkt noch provisorisch – aber es steht, ist überwältigend und man kann es nutzen.
Der Gala-Abend wurde von Sonya Kraus moderiert, die sich selbst als „Frankfurter Würstchen“ bezeichnete und erzählte, dass ihr Taxifahrer mit „MyZeil“ wenig anfangen konnte. Er fuhr sie „zum Trichter“. Die FDP-Landtagsabgeordnete Nicola Beer will künftig in MyZeil einkaufen, verriet sie in einer Ansprache. Die Begegnung mit Beer freute Sonya Kraus besonders, weil sie gemeinsam mit der Politikerin die Ziehenschule besucht hat. Während der Geschäftsführer von MAB Development, Michael L. Flesch, sich in einer Rede über die Medienberichterstattung zur umstrittenen Namensgebung des Einkaufszentrums freute, habe sie doch den Namen MyZeil bundesweit verbreitet, frohlockte der für den Glasbau verantwortliche römische Architekt Massimiliano Fuksas in einem Sprachgemisch aus Englisch, Italienisch und Deutsch, dass seine Großmutter Deutsche sei und er daher ein besonderes Verhältnis zu unserem Land, zu Frankfurt und zu MyZeil habe. Mehr konnte man bei ihm leider nicht verstehen. Ein besonderes Highlight sollte ein bekannter niederländischer Magier sein, der seine eigene Show in Las Vegas hat. Der blonde Zauberer war recht unterhaltsam, er „spießte“ etwa eine Assistentin in einer magischen Kiste auf, doch er wollte während der Show nicht fotografiert werden, nicht mal abfotografiert von einem Bildschirm. Daher verzichte ich mal aus Diskretion auf die Namensnennung.
Letztlich swingte Roger Cicero nebst Band und säuselte recht akzentfrei niederländische Sätze in Richtung der vielen aus Holland stammenden Gäste (der Projektinvestor MAB Development stammt aus der Niederlande), doch es reagierte niemand im Publikum. Dafür wurde ordentlich geschunkelt.
Der Tag danach fing für viele Schnäppchenjäger schon früh an. Saturn öffnete um 6 Uhr die Pforten und lockte mit Sonderangeboten. Schon eine halbe Stunde vorher harrten rund 250 Irre vor der Türe aus. Die Kunden mussten jedoch einen Schleichweg nehmen, denn bevor die Oberbürgermeisterin nicht das rote Band zerschnitten hatte, sollte niemand das Shoppingparadies in Gänze sehen. Viel Geheimniskrämerei also. Menschentrauben sammelten sich um halb zehn vor der MyZeiltür und warteten auf Einlass, eine Marchingband sorgte für Stimmung. „Das is dem Frankfurter sei Zeil“, flötete Petra Roth auf einem Podest in Anspielung auf MyZeil. Sie bemerkte ebenso wenig wie die weiteren Redner, darunter Michael Flesch (MAB) und der neue Centermanager Gottfried Wabra, dass sie alle neben einem zum Galgen geformten Strick standen. Bis Petra Roth das Seil erfasste.
Es war ein Requisit für die spektakuläre Akrobatikshow im Glastrichter. Zwei Damen und ein Herr tanzten förmlich in der Glasfassade begleitet von Trommlern. Eine originelle Inszenierung, doch das Publikum scharrte mit den Hufen. Flott wurde das rote Band zerschnitten und los ging’s mit dem Shoppingmarathon.
15 000 Besucher allein in den ersten 45 Minuten. Immer wieder mussten die Glastüren geschlossen werden, die Schaulustigen meckerten, weil ihnen der Durchgang verwehrt wurde. Doch es gab wegen der Überfüllung Sicherheitsbedenken. Staus an den Rolltreppen, viele Lifts funktionierten nicht und überall Panik, ein Schnäppchen oder ein Werbegeschenk zu verpassen. Kinderwagen und Menschen mit übergroßen Elektronikkartons von Saturn belagerten die Etagen. Da fiel gar nicht weiter auf, dass es durchaus noch Geschäfte gibt, die noch nicht eröffnet haben, das aber im April und im September tun wollen, oder dass einige Ladenflächen noch gar nicht vermietet sind. Die bereits existierenden Läden sind schön geworden und füllen Marktnischen, die auf der Zeil noch nicht besetzt waren. Beispiele dafür sind Marken wie Napapijri, Hilfiger Denim, Pepe Jeans oder Bose. Auch die Kinderbetreuung im 5. und 6. Stock von VIZZ ist ein neuartiges Konzept. Kinder können hier „geparkt“ werden und vergnügen sich mit Computerspielen, den diversen Rutschen oder spielen auf dem Indoor-Basketballfeld. Zur Eröffnung jedoch tummelten sich zu 90 Prozent Rentner, die in Sachen Neugier und Schnäppchenjagd auffällig aktiv waren.
Aber auch auf der Zeil ging die Post ab. Die in MyZeil vertretenen Läden ließen Rabattgutscheine verteilen – die Senioren kloppten sich sogar um die kostenlosen Leinentaschen von S. Oliver. Weiße Velotaxen kutschierten müde Passanten gratis einen Kilometer durch die Innenstadt und die durch die neue Konkurrenz fast ausgestorbene Zeilgalerie zeigte sich mit einer ausgefallenen Aktion besonders nachbarschaftlich. Neun Frau Antjes in Originalkluft mit Mützchen und Holzschuhen, übrigens keine davon aus Holland, verteilten Käsestücke an Passanten und überreichten dem neuen MyZeil-Chef Gottfried Wabra gemeinsam mit der Zeilgalerie-Chefin Bettina Fuchs ein riesiges Käserad als Willkommensgeschenk.
Bettina Fuchs ist sich im übrigen sicher, dass die Zeilgalerie langfristig von MyZeil und dessen Kunden profitieren wird, daher die freundschaftliche Geste. Es wird jedoch auch gemunkelt, dass sich die Zeilgalerie aufhübschen will. Konkurrenz belebt halt doch das Geschäft.
26. Februar 2009, 21.11 Uhr
Nicole Brevoord
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