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Kindheitsräume. Kindheitsträume

Räume, die erzählen

Im Museum Angewandte Kunst eröffnet die Ausstellung „Kindheitsräume. Kindheitsträume“. Gezeigt werden dreidimensionale Illustrationen von Kinderbüchern.
Eine blasse Gestalt, in einen rußfarbenen Pelz mit Kapuze und Eselsohren gehüllt, den Kopf gesenkt, kaum mehr als eine Silhouette, ein nacktes weißes Bein, das hervorblitzt, der Boden voller roter Beeren: Die Plastik des Künstlers Shaun Tan ist klein, einfach und doch ausdruckstark, erzählt dem Betrachter eine Episode aus dem Märchen Allerleirauh und wirft Fragen auf: Wer ist die Gestalt? Was ist das für ein eigenartiger Pelz, den sie trägt? Vor wem versteckt sie sich und wo geht sie hin? Wer die kleine Skulptur betrachten will, muss mit ihr auf Tuchfühlung gehen, den großen Ausstellungsraum verlassen und in ein Separée eintreten. Er findet sich in einer intimen Situation wieder, allein mit dem Werk, das ihm mindestens genauso viel zu erzählen hat wie die Stimme, die aus dem Lautsprecher dringt und das von den Brüdern Grimm niedergeschriebene Märchen wiedergibt. Insgesamt zwölf Original-Plastiken von Shaun Tan werden in der Ausstellung „Kindheitsträume. Kindheitsräume“ gezeigt, die am Freitag im MAK eröffnet. Jede einzelne illustriert ein Grimmsches Märchen und wurde als Fotografie in einer Märchenausgabe von Philip Pullman veröffentlicht.

„Kindheitsträume. Kindheitsräume“ beschäftigt sich mit der Frage, was geschieht, wenn die Bildwelten, die Bücher in unserer Vorstellung erzeugen, in die Wirklichkeit geholt werden und sich in erlebbare, dreidimensionale Räume verwandeln. Gezeigt werden die Werke von drei Künstlern, allesamt Illustrationen von Kinderbüchern. Wer die Ausstellung besucht, tritt als erstes in die vergrößerte Bilderbuchlandschaft von Øyvind Torseter ein. In seinem melancholischen Kinderbuch „Papas Arme sind ein Boot“ setzt er sich mit den Themen Verlust und Trauer auseinander. Dazu fertigte er Szenen mit Stift, Papier und Schere an, die er anschließend fotografiert und die vor allem durch ihren filigranen Zauber bestechen. „Als Kind habe ich selbst oft Theaterkulissen aus Papier in Schuhkartons hineingebaut und war daher prompt von Torseters Arbeiten fasziniert“, verrät Museumsdirektor Matthias Wagner K.

Raumfüllend ist auch die Vergrößerung einer Meereslandschaft von Annouck Boisrobert und Louis Rigaud aus ihrem auffaltbaren Buch „Pop-Up-Ozean“, das die Welt ober- und unterhalb des Meeresspiegels erlebbar macht und ohne erhobenen Zeigefinger auf ökologische Probleme hindeutet. „Ein Viertel der Bilderwelt liegt über dem Wasserspiegel, drei Viertel darunter“, sagt Kurator Peter Linden, „und so verweist dieses Werk auch auf die Ausstellung an sich, die sich mit dem Resonanzraum unter der Oberfläche befasst, mit dem Umgang und der Bedeutung der Welt hinter dem Sichtbaren.“

So unterschiedlich die Werke der drei Künstler und die Eindrücke, die sie vermitteln, auch sein mögen, ist ihnen doch eines gemein: Sie erzählen Geschichten im dreidimensionalen Raum, schaffen sinnlich erfahrbare Erlebnisräume, ohne dabei digitaler Medien einzusetzen. Die Besucher werden durch den sich eröffnenden Raum in eine Geschichte hineingezogen, die sie im Anschluss in Ruhe nachlesen können. „Illustrationen sind visuelle Texte, die von uns gelesen werden wollen“, erklärt Linden. „Die Ausstellung führt zurück ins Buch, daher gibt es auch einen Leseraum.“

„Kindheitsräume. Kindheitsträume“ richtet sich an alle Altersgruppen und ist eigens so angelegt, dass Kinder die Ausstellung als Spielort empfinden, Rampen erklimmen und sich in Nischen verkriechen können. Ein umfangreiches Workshop-Angebot rundet das Programm ab und bietet Gelegenheit, die aus der Ausstellung mitgenommenen kreativen Impulse zu verwirklichen.
 
Fotogalerie:
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25. September 2014, 16.02 Uhr
neb
 
 
 
 
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