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Jazzfestival

Hat Frankfurt den Swing verloren?

Städte wie Köln, Berlin und sogar Bremen haben Frankfurt den Rang als Jazzstadt Nummer  1 in Deutschland abgelaufen. Wie konnte das passieren? Eine Spurensuche wenige Tage vor Beginn des Jazzfestivals.
Alle Jahre wieder, im goldenen Herbst, wird das Deutsche Jazzfestival im Sendesaal des Hessischen Rundfunks gerne zum Anlass genommen, den Status Frankfurts als bedeutendste Jazzstadt der Republik zu unterstreichen. Natürlich ist dabei jedem klar, dass neun regionale, nationale und internationale Künstler und Gruppen auf drei Festivaltage verteilt einmal pro Saison allein nicht genügen, diesem Anspruch gerecht zu werden. Der Kulturdezernent der Stadt Frankfurt, Felix Semmelroth, betont: „Frankfurt gehört nach wie vor zu den wichtigen Jazz-Zentren in Deutschland. Hier leben und arbeiten herausragende, international renommierte Musikerinnen und Musiker wie zum Beispiel Christof Lauer, Elvira Plenar, Heinz Sauer oder Stephan Schmolck. Von der seit Jahrzehnten weltweit erfolgreichen Barrelhouse Jazzband bis zum jungen, Presse und Publikum gleichermaßen begeisternden Contrast Quartet gibt es ein breites Spektrum an Ensembles, das eng mit dem Namen der Stadt verbunden ist.“ Der Stadtrat verweist neben dem Jazzfestival gerne auch auf renommierte Konzertreihen wie „Jazz im Palmengarten“ oder „Jazz im Museum“. „Vor allem aber die Clubs und Initiativen, die das ganze Jahr über ein vielfältiges Jazzprogramm präsentieren, tragen in hohem Maße zum pulsierenden Frankfurter Jazzleben bei. Verschiedene Institute wie die Frankfurter Musikwerkstatt bieten spezielle Aus- und Fortbildungsbildungsmöglichkeiten im Jazz.“

Aber gerade die Förderung und Weiterentwicklung junger Musiker in Frankfurt wurde in den vergangenen Monaten immer wieder heftigst beklagt. Unter der Überschrift „Jazz or no“ trat die Initiative zur Wiedereinrichtung des Aufbaustudienganges Jazz und Popularmusik an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst auf den Plan, um Unterschriften zu sammeln und mit Konzerten auf die unbefriedigende Situation aufmerksam zu machen. Die magische Marke von 500 Unterzeichnern ist fast erreicht. Es werden Flyer verteilt wie bei „Jazz zum Dritten“, als Klaus Doldinger am 3. Oktober auf dem Römerberg spielte, und eine Facebook-Seite soll für weitere Aufmerksamkeit für das Anliegen sorgen. Thomas Rietschel allerdings, der Präsident der HfMDK, erklärte in einem Gespräch mit den Studierenden bereits im Februar, dass das Konzept der Hochschule einen solchen Studiengang nicht vorsehe. Mit drei halben Professuren und ohne die fehlenden finanziellen Mittel (von einem mittleren sechsstelligen Betrag ist die Rede) gebe es bei allem Verständnis für die Wünsche seiner Studenten absolut keinen Spielraum. Nur den Aktivitäten einiger Lehrender ist zu verdanken, dass es einen Weiterbildungsstudiengang „Jazz- und Popularmusik“ in Frankfurt gibt. Jedoch kostet der die Musiker 750 Euro pro Semester. Kein Wunder, dass Jonas Lohse, der Haus-Bassist im Jazzkeller, über die Hochschule als „Totalausfall, einfach nur peinlich“ wettert. „Und so orientiert sich der Nachwuchs in Richtung Mainz oder Mannheim, mit denen sich Frankfurt ja nun eigentlich nicht gern vergleicht“, legt Bastian Fiebig (Vierfarben Saxophon) den Finger in die Wunde.

Von der Stadt Frankfurt kommt konkretere Hilfe für die Newcomer. „Das Kulturamt fördert vor allem im Bereich der Infrastruktur. Proberäume, praxisbezogene Aus- und Fortbildung, Auftrittsmöglichkeiten und andere sind hierbei wichtige Aktionsfelder“, sagt Irmgard Tennagels, die Musikreferentin der Stadt. „Und seit 1991 vergibt die Stadt das Arbeitsstipendium Jazz, das in diesem Jahr vom Kulturdezernenten um 2000 auf 7500 Euro erhöht wurde.“ Eine Plattform zur Präsentation sieht Tennagels vielerorts, gerne auch bei den vom Kulturamt und der Stadt unterstützten Konzerten der Jazzinitiative, bei „Jazz im Museum“ oder dem Deutschen Jazzfestival. Von den Siegern des Arbeitsstipendiums 2008, dem Contrast Quartet, war Pianist Yurij Sych 2009 Gast des Christof Lauer-Patrice Héral Duos und sein Kollege Martin Standke trommelt in diesem Jahr bei Stephan Schmolcks Harm-o-troniX mit.

Die Basisarbeit findet woanders statt. „Positiv zu werten ist die Tatsache, dass es immerhin noch den Jazzkeller mit seiner Mittwochs-Session gibt“, sagt Fiebig und weist auch auf weitere „Bemühungen“ in Cafés und Kneipen wie dem Claro oder Mampf hin. Auch die vergleichsweise neue Reihe jazzlab im Rahmen der Kultur in der Fabrik in Sachsenhausen geht in die nächste Runde. Hier ist sogar die Hochschule mit von der Partie, die am 1. Februar 2011 auch wieder ihr Jazzfest in der Eschersheimer Landstraße feiert. „Übrigens: Die Jazz Session in Offenbach hat alle zwei Wochen 200 bis 400 Besucher, da spielen zum Teil interessante Jazz­acts, und Offenbach entwickelt sich zur heimlichen Jazzstadt – puh!“, legt Fiebig noch einmal nach und hofft, den Ehrgeiz von Musikern und Machern in Frankfurt so anstacheln zu können.

Das letzte Wort hier und heute gebührt einer Jazz-Koryphäe, Uli Olshausen, Mit-Programmgestalter beim Jazzfestival, FAZ-Autor und ehemals verantwortlicher Redakteur der hr-Jazzredaktion. „Im Hochschulbereich sind wir gegenüber Köln und Berlin nicht konkurrenzfähig obwohl es mit Michael Sagmeister, Christoph Spendel, Allen Jacobson, Annemarie Roeloffs und anderen ungeheuer motivierte Professoren gibt.“ Was den Ruf Frankfurts als führende Jazzstadt betrifft, der bis in die Vorkriegszeit zurück reicht und mit Namen wie dem Hot Club, Horst Lippmann, dem Jazzkeller, dem Jazz-Ensemble des Hessischen Rundfunks und dem dienstältesten Deutschen Jazzfestival (seit 1953) verbunden ist, so gibt sich Olshausen keinen Illusionen hin. „So wie Steffi Graf und Boris Becker ein Glückfall für das deutsche Tennis waren, lebte Frankfurts Jazzszene nach dem Krieg von Genies wie Albert und Emil Mangelsdorff, Joki Freund oder dem Engagement von Lippmann + Rau – das ist vorbei, das lässt sich auch nicht beliebig wiederholen. Gottlob leben und wirken hier noch Musiker wie Heinz Sauer und Christof Lauer und viele andere Top-Solisten.“

Es gibt viele Städte, die am Thron Frankfurts als Jazzstadt Nr. 1 gerüttelt haben. Neben Köln zum Beispiel auch Berlin. „Deshalb sind wir noch lange keine Jazz-Provinz“, mahnt Olshausen und nennt viele Orte, neben den schon erwähnten auch den Mousonturm und die Alte Oper, wo Jazz am Main regelmäßig stattfindet. „Sicher gibt es in Berlin viel mehr Möglichkeiten aufzutreten und mit Lust und Laune mit vielen unterschiedlichen Musikern zusammen zu spielen.“ Frankfurter Talente wie John Schröder sind in die Hauptstadt umgezogen, aber Reichtümer lassen sich da für sie auch nicht verdienen.

41. Deutsches Jazzfestival
Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben, und der muss auch das 41. Deutsche Jazzfestival vom 28.- 31.10. von der Couch zu Hause aus verfolgen. hr2-kultur überträgt wieder live aus dem Sendessal, und 2010 gibt es auch zum ersten Mal auch einen Livestream unter www.jazzfestival.hr-online.de. „Jazz im globalen Dorf“ sind die drei Tage diesmal überschrieben. Neben der hr-Bigband sind mit Stephan Schmolck, der am 11.12. endlich seinen Hessischen Jazzpreis 2010 entgegennehmen kann, und Tony Lakatos, der sein Projekt Gypsy Colours vorstellt, weitere Local Heroes am Start. Die internationalen Stars heißen diesmal Courtney Pine, Aki Takase und Bill Evans, weltmusikalische Farben prägen den Jazz der Kinsmen, Kangabas und des Ukulele-Solisten Jake Shimabukuro. Indien, Westafrika, Japan und Hawaii sind dabei Stationen. Und die Bigband probt ein Tuvawabohu! und begibt sich musikalisch in die mongolische Steppe. Obertongesang und Pferdekopfgeigen zu Gebläse – man darf gespannt sein.

Erschienen im Journal Frankfurt, Ausgabe 22/2010. Das neue Journal: ab morgen am Kiosk.
 
Fotogalerie:
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25. Oktober 2010, 11.38 Uhr
Detlef Kinsler
 
 
 
 
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