Natürlich soll das Amt für multikulturelle Angelegenheiten nicht umbenannt und schon gar nicht abgeschafft werden. Doch von Multikulti, da gibt es kein Vertun, ist in Frankfurt keine Rede mehr. Vor wenigen Tagen hat die Integrationsdezernentin Nargess Eskandari-Grünberg ihren "Entwurf eines Integrations- und Diversitätskonzepts" vorgestellt, mitsamt einer neuen Marke: "Vielfalt bewegt Frankfurt". Morgen Abend soll bei einer ersten Diskussionsveranstaltung die gleichnamige Webseite freigeschaltet werden, auf der die Nutzer den Entwurf eines Konzepts diskutieren können, ein "Meilenstein der Bürgerbeteiligung", wie der Pressechef der Stadt Nikolaus Münster vollmundig verspricht; ein erster Meilenstein vielleicht, denn politisch bindend ist das alles nicht, was die Bürger da diskutieren, entschieden wird am Ende vom Stadtparlament mit seiner schwarz-grünen Mehrheit. Wie auch immer das Konzept am Ende aussehen wird: Multikulti, dieser in Frankfurt großgewordene Begriff, hat ausgedient. Und es verwundert nicht, dass eine grüne Stadträtin daran mittut.
Schon Eskandari-Grünbergs Urvater Daniel Cohn-Bendit hatte 1991 in einem Artikel in der Zeit zusammen mit seinem Mitarbeiter Thomas Schmid (heute rechtskonservativer Welt-Chefredakteur) den Multikulti-Begriff ambivalent gesehen. Die Autoren fordern die doppelte Staatsbürgerschaft und ein Ausländerwahlrecht, ein weniger regulatives Asyl-, also lieber gleich ein Einwanderungsrecht, und vor allem die Anerkennung der Tatsache, das Deutschland ein Einwandungsland sei.
Die multikulturelle Gesellschaft ist stets auch von der Auseinandersetzung der Kulturen geprägt und zielt daher auf Integration: Keineswegs jedoch auf Assimilation: Das Fremde wird nicht zum Deutschen, sondern es entsteht etwas Drittes, etwas Neues.
18 Jahre ist dieser Satz alt und er zeigt, wie wenig rechtlich erreicht worden ist. Immerhin dürfen EU-Bürger mittlerweile schon mal bei Kommunalwahlen ein bisschen Demokratie spielen, immerhin gibt es kommunale Ausländervertretungen, die in etwa die gleiche Funktion wie Schülerparlamente haben. Immerhin bekommen Einwandererkinder auch einen deutschen Pass, doch zu einer Abkehr des Blutrechtes konnten sich die konservativen Kräfte, allen voran die hessische CDU nicht durchringen. Diese 18 Jahre zeigen nichts anderes als dies: es hat sich zu wenig getan. Und das "Konzept eines Entwurfs" zeigt es auch. Nichts ist neu. Da kann es einigermaßen deprimieren, wenn es im Vorwort heißt: "Der hier vorgelegte Entwurf bedeutet einen Anfang."
Es ist ein Neustart. Ohne den bei den Christdemokraten verhassten Begriff Multikulti. Stattdessen heißt es in Frankfurt künftig: Vielfalt, Diversität, Integration. "Integrationspolitik wird aus dieser Perspektive neu verstanden als eine gesamtstädtische, alle Schichten und Herkünfte übergreifende Politik der Ver- netzung sozialer und kultureller Vielfalt", schreiben die Wissenschaftler Regina Römhild und Steven Vertovec in ihrem Beitrag. Von Supervielfalt ist die Rede.
In den nächsten Monaten soll also diskutiert werden über den Neustart. Mit allen Bürgern, quer durch alle Kulturkreise und Bildungsschichten. "Wir wollen nicht noch mehr Projekte", sagt Nargess Eskandari-Grünberg. Doch wer sich durch den "Entwurf eines Konzepts" durchliest, der sieht genau das: Projekte, Projekte, Projekte. Mit denen wird es ein leichtes sein, weitere 18 Jahre ins Land ziehen zu lassen. Mal sehen, welches Wort dann ausgedient hat.