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Frankfurter Entwicklungshilfe in Birmingham
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Manchmal ist das Leben wie ein skurriler Traum. So sitze ich also mit dem Schlagerbarden Patrick Lindner in einer zünftigen Festzeltbox, die eben noch das Dippodrom in Frankfurt geziert hat, und esse fränkischen Krustenbraten. All das auf dem Frankfurter Weihnachtsmarkt und zwar nicht vor dem Römer, sondern vor dem altehrwürdigen City Council in Birmingham. Ich reibe mir die Augen und kann, was in den letzten Stunden passiert ist, noch gar nicht richtig fassen. Ein Stück Frankfurter Tradition, der drittgrößte Weihnachtsmarkt Deutschlands mit jährlich drei Millionen Besuchern, wird nach England importiert und ich bin mittendrin.
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Birmingham ist eine Partnerstadt Frankfurts und so war es eine nette Geste der Mainmetropole 1997 in Birmingham einen Frankfurter Weihnachtsmarkt abzuhalten. Das ganze kam so gut an, dass das Weihnachtsspektakel seit 2001 zu einer jährlich zelebrierten Birminghamer Tradition geworden ist.
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Die Zahl der mittlerweile 94 Stände nimmt stetig zu und im vergangenen Jahr zählte Birmingham 2,8 Millionen Besucher. Wir sprechen also über den fünftgrößten deutschen Weihnachtsmarkt. Das ganze ist ein großes Geschäft, nicht nur für die deutschen Beschicker, die samt Personal, Ständen und Waren per Fähre in das britische Königreich einfallen, sondern auch für die Stadt Frankfurt. Mehr Werbung für Frankfurt geht ja nicht. Den Frankfurter Weihnachtsmarkt gibt es zudem nun auch in Manchester, Edinburgh, Leeds und Nottingham. Ein echter Exportschlager, den ich mir unbedingt mal ankucken musste.
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„Sie wohnen direkt auf dem Weihnachtsmarkt“, sagt Thomas Feda, Chef der Tourismus + Congress GmbH, der zu der Birminghamreise eingeladen hat. Klingt komisch, aber er hat recht. Der „Birmingham’s Frankfurt Christmas Market“ beginnt an der Einkaufsmeile New Street, an der auch unser Hotel liegt, und zieht sich bis vor das imposante Rathaus.
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Es hätte einem zu denken geben müssen, dass der Weihnachtsmarkt hier bereits am 12. November beginnt und bis zum 23. Dezember bleibt. Volkstrauertage hin oder her, auf so was legt man hier keinen Wert. Die ganze Stadt befindet sich im Weihnachtsrausch, der Engländer kauft auch jetzt schon mal seinen Weihnachtsbaum. „Dann hat man länger davon“, klären mich Birminghamer auf. „Beim Weihnachtsmarkt geht es in Birmingham auch weniger um die Besinnlichkeit, sondern mehr um den Eventcharakter“, sagt Thomas Feda aus Erfahrung.
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Das Schild: You are now entering an alcohol restricted zone“, gibt einen weiteren Hinweis auf den wesentlichsten Unterschied zwischen Frankfurt und Birmingham. Alkohol darf in der Öffentlichkeit nur mit einer kostspieligen Lizenz und dann nur in abgesperrten Bezirken ausgeschenkt werden. Birmingham’s Frankfurt Christmas Market ist daher besonders wegen des Alkohols, der übrigens nur gegen Vorlage eines Ausweises abgegeben wird, so beliebt.
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Die gelben Tassen kommen den Frankfurtern bekannt vor: das Turnfestmaskottchen Struwwel prangt darauf, aber es gibt auch das neue Tassenmodell mit Frau Rauscher, das in Frankfurt erst in der nächsten Woche vorgestellt werden soll. 3,50 Pfund kostet der heiße Glüh- oder Apfelwein, dazu kommen drei Pfund für das Pfand (1 Pfund = 1,11 Euro). Kein günstiger Spaß, aber die Birminghamer lassen am Weihnachtsmarkt bereitwillig mehr Geld, nämlich pro Kopf 10 bis 15 Pfund, als die Frankfurter mit spärlichen 10 Euro.
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Lecker Frankfurter Würstchen, Prager Schinken, German Beer und Haxen gehen über die Ladentheken. Super kommen auch deutsches Brot und Streuselkuchen an.
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Von den Ständen könnten wir in Frankfurt nur träumen: Weihnachtspyramiden oder der X-MasPub wünscht man sich gleich an den Römer.
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Der Markt brummt, dabei ist er noch nicht mal offiziell eröffnet. Im altehrwürdigen Rathaus hat man für die Frankfurter Delegation einen Empfang vorbereitet. In bunten Zuckerguss getauchte Berliner mit Deutschlandfähnchen und – eine weitere Kuriosität – Brezeln mit bayerischer Flagge (uns, den Frankfurtern zu Ehren) wurden aufgetischt.
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Es folgen Handshakes mit Gaststar Patrick Lindner sowie dem deutschen Botschafter im vereinigten Königreich, Georg Boomgarden, und dann begibt man sich nach unten auf den Rathausplatz. Petra Roth ist nicht dabei, denn in Frankfurt tagt zur gleichen Zeit die Stadtverordnetenversammlung. Was ein Pech.
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Eine angeheiterte Menschenmasse steht vor einem Pavillon, darin hält der Lord Mayor eine Rede, die ebenso wie das anschließende Konzert von Lindner vom lokalen Radiosender Heart live übertragen wird. „I hereby declare Birmingham’s Frankfurt Christmas Market open“, spricht der Bürgermeister und ein lautstarkes Jubeln und Grölen schallt über den Platz. Festzeltstimmung ist trotz des strömenden Regens angesagt. Es folgt der Showact: Patrick Lindner hätte auch japanisch singen können, die Marktbesucher hätte es nicht gekümmert. Rentner sind kaum welche da. Ein paar wenige junge Leute schunkeln, der Rest mampft und plaudert, während der Münchner beherzt „Ihr Kinderlein kommet“ zum Besten gibt. Sechs Lieder, am Ende Stille Nacht und dann hat Patrick Lindner endlich die Massen auf seiner Seite. Es folgt die Zugabe: Moon River. Ein englischer, nicht weihnachtlicher Song.
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Ja richtig, Weihnachtsmusik habe ich nur in den Läden aber sonst kein einziges Mal auf dem Weihnachtsmarkt gehört. Ein wenig seltsam sind sie ja die Engländer. Für Patrick Lindner war sein Auftritt aber „nach 20 Jahren Showerfahrung ein denkwürdiges Erlebnis. Es gibt Auftritte, da muss man eben durch. Vor 8000 Menschen den Weihnachtsmarkt in Frankfurt zu eröffnen war schon schöner“, so der Schlagersänger, der einen Abend zuvor noch in einem mit 13 000 Leuten gefüllten Stadion gesungen hatte und nun Krustenbraten vertilgt.
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Es ist alles anders, mit Frankfurt hat es recht wenig zu tun, besinnlich ist der Markt auf keinen Fall aber ein lustiges Erlebnis ist er allemal. Nur Weihnachtsbaumnörgler sollten sich nicht hierher wagen: Der mickrige, noch nicht beleuchtete Baum, hat eine Knickspitze. Das wäre in Frankfurt nicht denkbar.
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15. November 2009, 17.11 Uhr
Nicole Brevoord
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