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Erinnerungsstätte unter der EZB
Die halböffentliche Gedenkstätte an der Großmarkthalle
Die Deportation der Juden aus Frankfurt hat nun einen Erinnerungsort – allerdings einen, der nicht ohne weiteres zugänglich ist, weil er im Sicherheitsbereich der EZB liegt. Die Verantwortlichen sehen das als Vorteil.
Vor den Gang zur Erinnerungsstätte hat die Europäische Zentralbank ein Häuschen mit nervösen Sicherheitskräften gesetzt. Die Mitarbeiter nehmen Ausweise entgegen, vergleichen sie sorgfältig mit Daten aus dem Computer, nehmen dann noch den Telefonhörer in die Hand, einige Minuten vergehen so für jeden Gast. Danach die übliche Leibesvisitation, auch Salomon Korn, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde muss sich ihr unterziehen, muss seinen Gürtel ausziehen und sein Jacket, muss seine Tasche durchleuchten lassen und einen Metalldetektor durchlaufen. Die Besuchergruppe bekommt Kopfhörer ausgehändigt – und lässt dafür die Ausweispapiere zurück. "Mein Name ist Felix Semmelroth", sagt der Kulturdezernent und hinter dem Rezeptionsschalter in der riesenhaften Empfangshalle der Europäischen Zentralbank sagt eine junge Frau nur knapp: "Your ID, please."
Der Aufwand mag seit den Terroranschlägen von Paris noch einmal zugenommen haben. Er gilt aber zu bedenken, wenn man die Erinnerungsstätte auf dem Geländer der EZB besuchen will. Zwei Wochen vorher muss man eine Führung beim Jüdischen Museum Frankfurt anfragen, so der Termin bestätigt wird, spätestens fünf Tage vorher eine Liste mit Namen und Geburtsdaten der Teilnehmer übermitteln. Ein Ausweisdokument ist mitzuführen, "bitte leisten Sie den Anweisungen des Personals unbedingt folge", sagt EZB-Direktor Werner Studener. Dann hebt er hervor, welchen Vorteil die Führungen hätten, schließlich würde so erst der Kontext der inhaltlich zurückgenommenen Gedenkstätte sichtbar.
Das mag durchaus sein, doch der logischste Zugang zur Gedenkstätte ergibt sich durch die sogenannte Rampe, die den unterirdischen Raum mit der Gleisanlage verbindet. Dort versperrt nun eine Glasscheibe den Weg, setzt gleichsam den Zaun um die EZB fort und gibt den Blick in den dunklen Tunnel frei. Wer diesen betritt und an Wand-Zitaten vorbei, in den Kellerraum vordringt, den beschleicht ein Gefühl der Beklemmung. Marcus Kaiser und Tobias Katz, die beiden Architekten der Erinnerungsstätte, haben 26 Zitate ins Mauerwerk gesetzt, haben ansonsten die Räume aber nur behutsam behandelt, sie im Grunde im heutigen Zustand belassen, nur hier und da Lichter gesetzt. "Entscheidend ist das Authentische", so Planungsdezernent Olaf Cunitz (Grüne), Architekt Katz beschreibt die Stätte als Versuch, Verbrechen an alltäglichen Orten sichtbar zu machen. Dafür konnten leider nicht mehr alle Artefakte genutzt werden, einige für die Deportation genutzte Gebäudeteile der Großmarkthalle wurden im Zuge des EZB-Neubaus abgerissen, auch die Rampe erscheint nach ihrer Sanierung als Betonkonvolut weitaus wuchtiger als sie einst gewesen sein muss.
Nun ist es der Kontext, das Wissen um die Deportationen, die diesem Ort seinen Schrecken einhauchen. Verblassende Erinnerungen an Schreie und Misshandlungen, an über 1000 Menschen, die hier gleichzeitig über lange Zeit festgehalten wurden, bevor sie Vieh gleich in Waggons abtransportiert wurden – nicht ohne sie zuvor einige ihrer wenigen Habseligkeiten zu berauben. "Die Menschen, die hier abtransportiert wurden, waren Frankfurter", betont Salomon Korn. "Es waren Deutsche durch und durch." Ohne Ankündigung wurde ihnen morgens früh bedeutet, ihre Sachen zu packen, die Polizei, die Finanzbeamten, kurzum: der Staat und seine Bürger machten mit, organisierten, schauten zu – im Geheimen gingen die Deportationen nicht vorüber, auch der Betrieb in der Großmarkthalle ging ganz normal weiter. 10.000 Frankfurter traten von hier aus den Weg in Ghettos oder Konzentrationslager an, nur wenige von ihnen überlebten und noch weniger können heute noch davon erzählen, Edith Erbrich etwa, damals noch ein Kind, die bei der Eröffnung auch anwesend ist. "Ich hab das Lachen nicht verlernt", heißt ihre Biografie und gerade das scheint auch schier unglaublich.
8,4 Millionen Euro hat die Einrichtung der Gedenkstätte, zu der auch die Gleisanlagen, ein Fußgängersteg und ein Stellwerkgebäude gehören, gekostet. Eine Million Euro davon hat die EZB beigesteuert, der Rest kommt vom Kulturamt der Stadt Frankfurt. „Es ist eine Vergangenheit, die nicht mehr vergeht“, sagt Felix Semmelroth. Nur an ihrer Zugänglichkeit, daran sollten Stadt und EZB noch arbeiten.
Der Aufwand mag seit den Terroranschlägen von Paris noch einmal zugenommen haben. Er gilt aber zu bedenken, wenn man die Erinnerungsstätte auf dem Geländer der EZB besuchen will. Zwei Wochen vorher muss man eine Führung beim Jüdischen Museum Frankfurt anfragen, so der Termin bestätigt wird, spätestens fünf Tage vorher eine Liste mit Namen und Geburtsdaten der Teilnehmer übermitteln. Ein Ausweisdokument ist mitzuführen, "bitte leisten Sie den Anweisungen des Personals unbedingt folge", sagt EZB-Direktor Werner Studener. Dann hebt er hervor, welchen Vorteil die Führungen hätten, schließlich würde so erst der Kontext der inhaltlich zurückgenommenen Gedenkstätte sichtbar.
Das mag durchaus sein, doch der logischste Zugang zur Gedenkstätte ergibt sich durch die sogenannte Rampe, die den unterirdischen Raum mit der Gleisanlage verbindet. Dort versperrt nun eine Glasscheibe den Weg, setzt gleichsam den Zaun um die EZB fort und gibt den Blick in den dunklen Tunnel frei. Wer diesen betritt und an Wand-Zitaten vorbei, in den Kellerraum vordringt, den beschleicht ein Gefühl der Beklemmung. Marcus Kaiser und Tobias Katz, die beiden Architekten der Erinnerungsstätte, haben 26 Zitate ins Mauerwerk gesetzt, haben ansonsten die Räume aber nur behutsam behandelt, sie im Grunde im heutigen Zustand belassen, nur hier und da Lichter gesetzt. "Entscheidend ist das Authentische", so Planungsdezernent Olaf Cunitz (Grüne), Architekt Katz beschreibt die Stätte als Versuch, Verbrechen an alltäglichen Orten sichtbar zu machen. Dafür konnten leider nicht mehr alle Artefakte genutzt werden, einige für die Deportation genutzte Gebäudeteile der Großmarkthalle wurden im Zuge des EZB-Neubaus abgerissen, auch die Rampe erscheint nach ihrer Sanierung als Betonkonvolut weitaus wuchtiger als sie einst gewesen sein muss.
Nun ist es der Kontext, das Wissen um die Deportationen, die diesem Ort seinen Schrecken einhauchen. Verblassende Erinnerungen an Schreie und Misshandlungen, an über 1000 Menschen, die hier gleichzeitig über lange Zeit festgehalten wurden, bevor sie Vieh gleich in Waggons abtransportiert wurden – nicht ohne sie zuvor einige ihrer wenigen Habseligkeiten zu berauben. "Die Menschen, die hier abtransportiert wurden, waren Frankfurter", betont Salomon Korn. "Es waren Deutsche durch und durch." Ohne Ankündigung wurde ihnen morgens früh bedeutet, ihre Sachen zu packen, die Polizei, die Finanzbeamten, kurzum: der Staat und seine Bürger machten mit, organisierten, schauten zu – im Geheimen gingen die Deportationen nicht vorüber, auch der Betrieb in der Großmarkthalle ging ganz normal weiter. 10.000 Frankfurter traten von hier aus den Weg in Ghettos oder Konzentrationslager an, nur wenige von ihnen überlebten und noch weniger können heute noch davon erzählen, Edith Erbrich etwa, damals noch ein Kind, die bei der Eröffnung auch anwesend ist. "Ich hab das Lachen nicht verlernt", heißt ihre Biografie und gerade das scheint auch schier unglaublich.
8,4 Millionen Euro hat die Einrichtung der Gedenkstätte, zu der auch die Gleisanlagen, ein Fußgängersteg und ein Stellwerkgebäude gehören, gekostet. Eine Million Euro davon hat die EZB beigesteuert, der Rest kommt vom Kulturamt der Stadt Frankfurt. „Es ist eine Vergangenheit, die nicht mehr vergeht“, sagt Felix Semmelroth. Nur an ihrer Zugänglichkeit, daran sollten Stadt und EZB noch arbeiten.
Fotogalerie: Erinnerungsstätte
23. November 2015, 11.46 Uhr
Nils Bremer
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