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Elias Gottstein
Frankfurt: Geilste Stadt oder Geisterstadt?
Der Musiker Elias Gottstein hadert im Song "Geilste Stadt" mit Frankfurt am Main. Als Kind und Jugendlicher war er wie verliebt, nun beklagt er die Kälte in Gegenden wie dem Europaviertel. Was ist passiert?
"Hier bin ich geboren in ihrer warmen Anonymität"
Elias Gottstein hat gute Erinnerungen an Frankfurt. Die ersten vier Jahre seines Lebens verbrachte er hier und kam dann wann immer es möglich war in den Ferien zu seinen Großeltern zurück. "Im Vergleich zu Neubrandenburg war da wenigstens was los", erzählte er im Sommer 2013 dem Journal Frankfurt, da war er gerade mit seinem Freund Luis Zielke unterwegs durch die Republik, "Guaia Guaia" hieß das Projekt der beiden Straßenmusiker, die es bis zu einem Label-Vertrag mit Universal schafften.
Nun hat Elias Gottstein ein Lied veröffentlicht, dessen Zeilen es in sich haben: "Was ist aus dir geworden? Du hässliches Stück! Das Gallus sieht aus wie scheiße, das Europaviertel total missglückt. Du bist keine Stadt mehr, du bist nur noch ein Markt, eine Brutstätte fürs Bruttoinlandsprodukt, leck mich am Arsch", singt der 25-Jährige.
Manchmal ist im Refrain kaum zu hören, ob Elias Gottstein nun von der "geilsten Stadt" oder einer Geisterstadt singt. Bilder aus dem Europaviertel werden gezeigt, kalte Gebäudeschluchten oder der unwirtliche Hafentunnel. Ein bärtiger Mann irrt im roten Anorak durch die Gegend, ausgeschlossen von der Gesellschaft findet er schließlich in einer Gemeinschaft von Geisterfiguren eine Heimat.
"Das bisschen Glas und Stahl, vielleicht ist sie doch immer noch die Alte, doch ich bin nicht mehr so wie früher."
"Vielleicht liegt meine Entfremdung daran, dass ich früher, aus dem Alltag einer grauen Kleinstadt heraus, alle meine Träume und Freiheitsgedanken auf Frankfurt projiziert habe", sagt Elias Gottstein. Mittlerweile sei er viel herumgekommen, andere Städte, andere Länder. "Vielleicht habe ich gelernt, dass auch die Natur ihre ganz eigenen Qualitäten hat." Der Musiker zieht immer noch über den Kontinent, ein Landstreicher mit Straßenromantik im Herzen, diese Lebensweise findet sich auch im neuen Lied fertig. Es soll nur eine Ouvertüre sein für das Solo-Album, das noch dieses Jahr erscheinen soll.
Für die Hauptrolle des Videos konnte Elias Gottstein "Gerd den Drucker" gewinnen, "gefunden habe ich den im Exzess in der Leipziger Straße, weil ich dachte, dass ich da am ehesten so jemanden finde." Gerd sagte sofort zu und auch sonst fanden sich über 20 Freiwillige, darunter auch Elias' Schwester Joana, die beim Dreh mittaten. Einige Szenen wurden in Stuttgart gedreht, "ich fand bei einem Besuch diesen Fahrradbus ziemlich genial, doch der ließ sich nicht so einfach hierher transportieren". Vor Ort stellte sich dann raus: Klar, ein Europaviertel wird in Stuttgart auch gerade gebaut - und es steht in seiner Ästhetik dem Frankfurter in Nichts nach.
Mit Tim Seger und Christian Öhl fand der Musiker außerdem zwei talentierte Studenten der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, den Kontakt stellte Joana Golttstein her, die als Schauspielerin schon öfter mit den Filmemachern zusammengearbeitet hatte. In wenigen Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr drehten sie den Clip. Der Gewölbekeller befindet sich übrigens im Bahnhofsviertel, kurz nachdem Kameras und Beleuchtung wieder abgebaut waren, stieg dort eine Silvesterparty. Klingt doch eigentlich gar nicht so schlecht, dieses Frankfurt, oder? "Mein Verhältnis ist ambivalent", sagt Elias Gottstein. "Im Moment verbringe ich wieder mehr Zeit hier." Mit Tim Seger und Christian Öhl sind noch weitere Videos geplant - und irgendwann bis zum Sommer soll das Album dann auch erscheinen. Die Liebe zu Frankfurt aber ist aus. "Früher war ich so oft im Gallus und fand es großartig, dass es daneben ein riesiges brachliegendes Stück Land gab. Mitten in der Stadt etwas unentwickeltes, rohes, etwas Freiheit. Nun steht da das doch ziemlich kalte, eckige Europaviertel und ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll." Ein Stück Kindheits- und Jugenderinnerung ist jedenfalls perdu und Elias Gottstein singt: "Die Stadt meiner Jugend, Langeweile hat hier nichts zu suchen, meine erste Liebe und ich hab geglaubt, dass sie für immer hält; nun bin ich der Illusion beraubt."
Die Doku "Unplugged Leben" über die beiden Straßenmusiker Elias Gottstein und Luis Zielke hat am kommenden Mittwoch TV-Premiere bei EinsFestival. Die Facebook-Seite von Elias Gottstein finden Sie hier.
Elias Gottstein hat gute Erinnerungen an Frankfurt. Die ersten vier Jahre seines Lebens verbrachte er hier und kam dann wann immer es möglich war in den Ferien zu seinen Großeltern zurück. "Im Vergleich zu Neubrandenburg war da wenigstens was los", erzählte er im Sommer 2013 dem Journal Frankfurt, da war er gerade mit seinem Freund Luis Zielke unterwegs durch die Republik, "Guaia Guaia" hieß das Projekt der beiden Straßenmusiker, die es bis zu einem Label-Vertrag mit Universal schafften.
Nun hat Elias Gottstein ein Lied veröffentlicht, dessen Zeilen es in sich haben: "Was ist aus dir geworden? Du hässliches Stück! Das Gallus sieht aus wie scheiße, das Europaviertel total missglückt. Du bist keine Stadt mehr, du bist nur noch ein Markt, eine Brutstätte fürs Bruttoinlandsprodukt, leck mich am Arsch", singt der 25-Jährige.
Manchmal ist im Refrain kaum zu hören, ob Elias Gottstein nun von der "geilsten Stadt" oder einer Geisterstadt singt. Bilder aus dem Europaviertel werden gezeigt, kalte Gebäudeschluchten oder der unwirtliche Hafentunnel. Ein bärtiger Mann irrt im roten Anorak durch die Gegend, ausgeschlossen von der Gesellschaft findet er schließlich in einer Gemeinschaft von Geisterfiguren eine Heimat.
"Das bisschen Glas und Stahl, vielleicht ist sie doch immer noch die Alte, doch ich bin nicht mehr so wie früher."
"Vielleicht liegt meine Entfremdung daran, dass ich früher, aus dem Alltag einer grauen Kleinstadt heraus, alle meine Träume und Freiheitsgedanken auf Frankfurt projiziert habe", sagt Elias Gottstein. Mittlerweile sei er viel herumgekommen, andere Städte, andere Länder. "Vielleicht habe ich gelernt, dass auch die Natur ihre ganz eigenen Qualitäten hat." Der Musiker zieht immer noch über den Kontinent, ein Landstreicher mit Straßenromantik im Herzen, diese Lebensweise findet sich auch im neuen Lied fertig. Es soll nur eine Ouvertüre sein für das Solo-Album, das noch dieses Jahr erscheinen soll.
Für die Hauptrolle des Videos konnte Elias Gottstein "Gerd den Drucker" gewinnen, "gefunden habe ich den im Exzess in der Leipziger Straße, weil ich dachte, dass ich da am ehesten so jemanden finde." Gerd sagte sofort zu und auch sonst fanden sich über 20 Freiwillige, darunter auch Elias' Schwester Joana, die beim Dreh mittaten. Einige Szenen wurden in Stuttgart gedreht, "ich fand bei einem Besuch diesen Fahrradbus ziemlich genial, doch der ließ sich nicht so einfach hierher transportieren". Vor Ort stellte sich dann raus: Klar, ein Europaviertel wird in Stuttgart auch gerade gebaut - und es steht in seiner Ästhetik dem Frankfurter in Nichts nach.
Mit Tim Seger und Christian Öhl fand der Musiker außerdem zwei talentierte Studenten der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, den Kontakt stellte Joana Golttstein her, die als Schauspielerin schon öfter mit den Filmemachern zusammengearbeitet hatte. In wenigen Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr drehten sie den Clip. Der Gewölbekeller befindet sich übrigens im Bahnhofsviertel, kurz nachdem Kameras und Beleuchtung wieder abgebaut waren, stieg dort eine Silvesterparty. Klingt doch eigentlich gar nicht so schlecht, dieses Frankfurt, oder? "Mein Verhältnis ist ambivalent", sagt Elias Gottstein. "Im Moment verbringe ich wieder mehr Zeit hier." Mit Tim Seger und Christian Öhl sind noch weitere Videos geplant - und irgendwann bis zum Sommer soll das Album dann auch erscheinen. Die Liebe zu Frankfurt aber ist aus. "Früher war ich so oft im Gallus und fand es großartig, dass es daneben ein riesiges brachliegendes Stück Land gab. Mitten in der Stadt etwas unentwickeltes, rohes, etwas Freiheit. Nun steht da das doch ziemlich kalte, eckige Europaviertel und ich weiß nicht, was ich damit anfangen soll." Ein Stück Kindheits- und Jugenderinnerung ist jedenfalls perdu und Elias Gottstein singt: "Die Stadt meiner Jugend, Langeweile hat hier nichts zu suchen, meine erste Liebe und ich hab geglaubt, dass sie für immer hält; nun bin ich der Illusion beraubt."
Die Doku "Unplugged Leben" über die beiden Straßenmusiker Elias Gottstein und Luis Zielke hat am kommenden Mittwoch TV-Premiere bei EinsFestival. Die Facebook-Seite von Elias Gottstein finden Sie hier.
26. Januar 2015, 10.48 Uhr
Nils Bremer
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