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Ein Charakterkopf
„Ist es nicht eine Vermenschlichung, einem Affen nach seinem Tod ein Denkmal zu bauen?“ Kulturdezernent Felix Semmelroth muss die Stimme erheben, um das Gekreische der Schimpansen im benachbarten Gehege zu übertönen. Er spricht von der Büste des beliebten Gorillamannes Matze, die gleich feierlich enthüllt werden soll. „Nein.“ antwortet er sich selber. Die Büste soll einfach eine Erinnerung sein an einen, wie Semmelroth und Zoodirektor Niekisch immer wieder betonen, „ganz, ganz außergewöhnlichen Charakter“. Der Silberrücken Matze wurde noch als Kind in seiner Heimat Zentralafrika gefangen und reiste in den ersten Jahren seines Lebens mit einer Schaustellertruppe um die Welt. 1962 kam er in den Frankfurter Zoo, wo er bis zu seinem Tod im August letzten Jahres als Anführer der Gorillagruppe lebte und liebte (er zeugte 17 Kinder mit verschiedenen Weibchen seines Harems und war der älteste, sexuell aktive Gorilla der Welt).
In den fast 50 Jahren, die er in Frankfurt verbrachte, hat Matze sich eine Menge Freunde gemacht. Viele Frankfurter standen schon als Kinder mit großen Augen vor dem Gehege, besuchten ihn über die Jahre immer wieder und einige fühlten sich ihm so verbunden, dass sie der Bitte um Spenden für sein Denkmal freudig nachkamen. Zusammen haben Matzes Fans über 11.000,- gespendet.
Leider hatte ich nicht die Ehre, ihn persönlich kennenzulernen (ich habe dafür Bekanntschaft mit Viatu gemacht, seinem Nachfolger, der allerdings eher durch unrühmliches Verhalten Schlagzeilen gemacht hat: Er biss sein eigenes Kind kurz nach der Geburt tot.) Nach allem was man so hört, habe ich da wirklich was verpasst:
„Was mich an Matze besonders beeindruckte, war seine große Souveränität und seine Gelassenheit.“ Zoodirektor Niekisch
"Matze war eine ausgeprägte Persönlichkeit und seit vielen Jahrzehnten für mich fester Bestandteil eines jeden Zoobesuchs.“ Kulturdezernent Felix Semmelroth
„Meine liebste Erinnerung an Matze waren unsere Wasserspiele. Im alten Menschenaffenhaus kam Matze morgens und abends für je etwa eine halbe Stunde in eine kleine Absperranlage. Bei hohen Temperaturen spritzte ich gerne die Box nass und tränkte ihn direkt aus dem Schlauch, wenn Matze gute Laune hatte, schlitterte er dann auf dem nassen Fußboden hin und her und lachte herzhaft mit mir zusammen.“ Thomas Kempf, Tierpfleger Borgori-Wald
„Matze war eine wahrhaft charismatische Führungspersönlichkeit. Er brauchte nur kurz mit seinen tiefliegenden Augen einen eindrücklichen Blick Richtung Unruhestifter zu schicken und schon kehrte Ruhe ein.“ Carsten Knott, Reviertierpfleger Borgori-Wald
Aber nicht nur an Matze selbst soll die Bronzebüste erinnern, sondern auch an seine freilebenden Artgenossen. Die gehören nämlich zu den gefährdetsten Arten überhaupt, weil durch „Abholzung, Jagd, Ackerbau, Siedlungen und die Suche nach Bodenschätzen riesige Teile der Regenwälder in Zentralafrika zerstört werden, die ihren natürlichen Lebensraum darstellen“, erzählt Christof Schenk von der Zoologischen Gesellschaft.
Er kämpft mit seinem Team und finanzieller Hilfe vom Frankfurter Zoo für den Schutz der Gorillas in den Urwäldern des Ostkongo. Der Zoo engagiert sich auf vielfältige Weise für dieses Anliegen. Zum Beispiel auch mit der Handyrückgabe-Aktion, die momentan läuft. Alte Handys kann man im Zoo abgeben. Das darin enthaltene Metall Coltan, dessen Förderung einer der Hauptgründe für den Kahlschlag im Kongo ist, wird recycelt.
Auf dass vielen Gorillas ein so langes und erfülltes Leben wie Matze ermöglicht wird.
6. Dezember 2009, 14.26 Uhr
Alicia Lindhoff
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