Die neue Rechte in der Multikulti-Stadt

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Nils Bremer /

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"Das ist wirklich Multikulti, dass selbst ich drei bis vier Minuten brauche, um zu sehen: sind das jetzt Linke oder Rechte, die da brüllen." Sagt Daniel Cohn-Bendit. Schön, dass er die Situation wenigstens mit etwas Humor nehmen kann. Es sollte schließlich eine Feier werden und eine Diskussion zu 20 Jahren Amt für multikulturelle Angelegenheiten. Auf dem Podium: Cohn-Bendit, CDU-Minister Armin Laschet und Städteplaner Albert Speer. Moderation Volker Zastrow von der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Das Grußwort hat Cohn-Bendits Nachnachnachfolgerin Nargess Eskandari-Grünberg gehalten. Irritierend sind nur die Polizisten am Eingang, die vom Eingang aus das Publikum im Auge zu behalten, sie wussten, wie man später erfährt, Bescheid, denn auf einer Webseite wurde die Störung angekündigt.

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Da war noch alles in Ordnung: Daniel Cohn-Bendit, Volker Zastrow, Nargess Eskandari-Grünberg, Armin Laschet und Albert Speer vor der Diskussion.

Und dann geht es los, ein Mann spricht sehr laut in ein Megaphon, Flugblätter werden übers Publikum ausgeschüttet, junge Männer gehen auf die Bühne und entrollen ein Transparent. Der Mann mit dem Megaphon beschwert sich darüber, dass so viele alte Männer auf dem Podium sitzen, aber wirklich gut zu verstehen ist er nicht. Auf dem Flugblatt ist eine Zeichnung Cohn-Bendits zu sehen, die dieser später zielsicher mit den Karikaturen des Stürmers vergleicht. Als Nazis wollen sich die Protestler, die nach wenigen Minuten von der Polizei hinausgeleitet werden, allerdings nicht bezeichnen lassen. "Wie nennen Sie mich? Wie nennen Sie mich?", giftet einer ins Publikum. Am nächsten Tag verschicken sie eine Mail, in der es heißt, sie seien die konservativ-subversive aktion (ksa) - schön klein geschrieben, so wie das früher gerne links der Mitte gemacht wurde. Konservativ-subversiv, was für ein schöner Euphemismus auch. Nachdem die Querköpfe entfernt waren, wurde es dann doch noch eine recht vergnügliche Diskussion. Und das obwohl sich das Podium wenig überraschend einig war: ja, wir leben in einem Einwanderungsland. Nein, Sarrazin hat weißgottnicht recht. Und: es passiert zu wenig, Integration muss quer durch alle Herkünfte und Schichten gelebt werden. Nur ein schaler Beigeschmack bleibt. Multikulti-Diskussionen inklusive Polizeischutz und Nazis-raus-Rufen hat man in Frankfurt lange nicht gesehen. Und, davon liest man ja sonst nur, Neonazis tragen keine Springerstiefel und Glatzen zur Schau. Sondern nur ihre kruden Weltansichten, in der der Islam böse und Ausländer schlecht sind. Man kann sicherlich über alles diskutieren, aber an Diskussionen sind Menschen mit Megaphonen ja nun eher selten interessiert. "Warum seid ihr Nazis nur solche Masochisten? Wenn ich einen Saal betrete, dann klatschen die Leute, bei Euch pfeifen sie", ruft Cohn-Bendit den Störern hinterher. Die brüsten sich auf ihrer Internetseite folgendermaßen: "Die Konservativen erscheinen jung, frisch und tatkräftig. Cohn-Bendit und Laschet dagegen alt, bieder und lahm." Dass es eher umgekehrt war: egal. Dass die jungen, frischen und tatkräftigen "Konservativen" hingegen eifrig in den Raum fragten: "Wo ist Sarrazin" entbehrte da nicht einer gewissen Ironie. Denn der Bundesbanker ist ja nun auch kein Jungspund mehr. Und subversiv schon gar nicht.

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Fotos: Nils Bremer, Milena Gavrovska


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