Im 1822-Forum ist ein spannender junger Künstler zu sehen, der sich mit dem Zeitalter des Menschgemachten auseinandersetzt. "A Million Years of Permanent Sleep" zeichnet ein dystopisches Bild unserer Zukunft.
Tamara Marszalkowski /
Beton und rote Erde, eingefasst von hellem Metall: Sie sehen aus, als stammten sie aus einer nicht allzu fernen Zukunft. Die schmalen, langen Aluminiumröhren mit den Schaufenstern erzählen eine Geschichte, die aus der Zeit fällt. Die Skulpturen im 1822-Forum erinnern an Rammkernsonden und bilden eine Möglichkeit von einer Welt ab, wie sie einmal aussehen könnte. Sie sind vertikal an der Wand angebracht und werden dort von speziell angefertigten Haken fixiert. In A Million Years of Permanent Sleep zeichnet der Künstler Dennis Siering ein dystopisches Bild der Gesellschaft. Siering studiert bei Susanne Winterling Bildhauerei an der Hochschule für Gestaltung Offenbach und steht kurz vor seinem Abschluss. Siering arbeitet sich in seinem Schaffen an der vom Menschen gestalteten Umwelt ab, sei es Architektur oder seine Wohn- und Lebensräume, die immer Moden und Lebensgewohnheiten untergeordnet sind.
Ein schlummerndes Geheimnis In regelmäßigen Abständen sind die Halterungen der Stelen an der weißen Galeriewand zu sehen. In manchen Halterungen fehlt jedoch die Stele. Sie erinnern an die Bohrkerne wissenschaftlicher Rammkernsonden. Die Halterungen deuten auf eine Systematik, die jedoch Leerstellen aufweist. Das System ist unvollständig und geht doch weiter. Der Betrachter wird dazu angehalten die Leerstellen mit seinem eigenen Vorstellungsvermögen zu füllen. Geht es um Warenverknappung oder fehlen Objekte einfach?
Rammkernsonden sind Instrumente aus der geologischen Erforschung der Erdgeschichte. Sie beinhalten Bodenproben. Die im 1822-Forum gehängten Stelen wirken, als spiegelten sie mal die Vergangenheit, mal die Jetztzeit oder eine geheimnisvolle Zukunft wider. Organische Materialen wie Erde, Sand und Stein verbinden sich mit Epoxidharz und erinnern mal an tiefschwarze Vulkanerde oder Marmor. Aber auch anorganische Stoffe wie Kabel, Beton oder Carbonfaser tauchen hier und da plötzlich auf. Dann durchziehen sie die erdänhliche Schicht oder schimmern in der marmorähnlichen Substanz auf. Das Material verdichtet sich. Siering beherrscht das Spiel mit extrem schöner Oberfläche. In ihrem Innern behüten die Stelen ein schlummerndes Geheimnis.
Dystopie ohne moralischen Zeigefinger Die synthetischen Materialien greifen das Thema des Menschgemachten auf, das Zeitalter des Anthropozäns. Der Begriff wird derzeit diskutiert, um eine neue geochronologische irdische Epoche zu benennen. Es beschreibt den Zeitabschnitt, in dem der Mensch zum stärksten Einflussfaktoren auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse der Erde geworden ist. Der erzählerische Raum der Ausstellung erweitert sich um ein Vielfaches durch den Katalog. Dort vermengen sich Aufnahmen von Sierings Arbeiten mit Zitaten, wissenschaftlichen Bildern aus der Raumfahrt oder mikroskopischen Aufnahmen aus den Geowissenschaften. Mithilfe des Buches wird das Erzählerische ablesbar.
Sierings Ausstellung erzählt eine Geschichte, ohne sie auszubuchstabieren. Er stellt eine Möglichkeit dessen dar, was sein könnte, ohne bereits etwas vorwegzunehmen. Er zeichnet ein dystopisches Bild unserer Zukunft, jedoch ohne dabei den moralischen Zeigefinger zu heben. Denn die Dinge stehen allein für sich, sie werden und müssen nicht erklärt werden. Im Vordergrund dieser Werke steht, das Bild nicht zu schließen. Deswegen arbeitet Siering fragmentarisch. Eine spannende Ausstellung, die die Fantasie beflügelt und viele Fragen aufwirft.
>> "Dennis Siering: A Million Years of Permanent Sleep", noch bis zum 8. Juli 2017, 1822-Forum, Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag 14 bis 18 Uhr, Samstag 13 bis 16 Uhr, Eintritt ist frei, Fahrgasse 9.