Partner
Bornheim, das heiße Pflaster
Man sollte ja vermuten, dass in Bornheim die Welt, also Frankfurt, irgendwie noch in Ordnung ist. Dass die Leute noch Anstand haben. Gestern zumindest wurde ich eines Besseren belehrt. Claudia Roth, die Bundesvorsitzende der Grünen, war im Stadtteil unterwegs, um dem Direktkandidaten Marcus Bocklet unter die Arme zu greifen, der im Wahlkreis 38 gleich zwei Gegner hat: die CDU und die SPD. Da dürfte ihm die Bundesprominente gerade recht gekommen sein. Doch zunächst müssen wir Journalisten warten: Roth und Bocklet verspäten sich. An den schnell aufgebauten Wahlstand tritt eine ältere Dame. Sie fragt nach Nargess Eskandari-Grünberg, die Grünenpolitikerin, die auf einer Diskussion zum Moscheebau meinte, wem die Moschee nicht passe, der könne ja wegziehen. "Wissen Sie", so die Alte, "ich bin hier geboren und nun soll ich wegziehen? Wie kann man denn sowas sagen. Wohl nur, wenn man mit einem Ausländer verheiratet ist." Antwort der grünen Ortsbeirätin am Stand: "Sie ist nicht mit einem Ausländer verheiratet." Darauf die Alte: "Doch, doch." "Ihr Mann heißt Grünberg." "Genau, ein Jude." "Ja, aber das macht ihn doch nicht zum Ausländer?" "Einmal Jude, immer Jude!"
Solch Unerträgliches Zeugs muss man sich anhören. Und Roth ist noch immer nicht in Sicht. Dann endlich kommt sie. "Geh doch zurück nach Berlin, Du Schlampe", blafft ein Passant sie an. "Da komm ich doch gerade erst her", entgegnet Roth fröhlich. So souverän muss man damit auch erstmal umgehen können. Dann stellt sich Bocklet auf einen Bierkasten und sagt: "Jahaaa, willkommen meine Damen und Herren, noch 11 Tage bis zur Landtagswahl!" Die Speaker's Corner ist eröffnet.
Bocklet spult sein Programm ab, da sind einige im Publikum schon unruhig. "Was die für nen Scheiß labern", sagt einer. Er wird prompt ans Mikro gebeten, was ihm schon wieder nicht so recht ist. Dabei geht es hier doch um den Bürgerdialog. "Muss ich jetzt ja nicht ins Mikro sagen", sagt er. Und dann tut er es doch. Schimpft auf die Politiker, denen alles egal sei. Er bekomme Hartz IV und "Sie, Sie haben ein schönes Leben auf Staatskosten". Er ist wirklich wütend. Bocklet und Roth versuchen ihn zu beruhigen und meinen, die Hilfen für Langzeitarbeitslose seien in der Tag unzulänglich, dafür wollten sie sich einsetzen. Der Mann scheint beruhigt. Ein anderer schimpft nur von Ferne: "Was für Idioten, was für Idioten!" Dann rennt ein Ehepaar durchs Bild, man hört nur: "DIESE STIMME, DIESE STIMME, ICH KANN DIESE FRAU NICHT ERTRAGEN!"
Man kann nicht sagen, dass Claudia Roth es einfach hätte. Ihre gute Laune ist noch immer nicht verflogen. Vielleicht hat sie sich einfach ein dickes Fell zugelegt. Dann wird sie auch noch mit Petra Roth verwechselt. "Wir haben zwar den gleichen Nachnamen, das war's dann aber auch schon", sagt sie und lacht.
Nach einer halben Stunde wird die Sache dann doch noch seriöser. Da wird über biologisches Kindergartenessen gesprochen und über Integrierte Gesamtschulen und über Bildung und Atomkraft. Geht doch!
Und unbemerkt von Bocklet und Roth entspinnt sich in der letzten Reihe der Zuhörerschaft noch eine politische Diskussion zwischen drei Jugendlichen mit Migrationshintergrund:
"Wo issn der Koch?"
"Wer ist der Koch?"
"Der is Ministerpräsident, Alda!"
"Und was will der machen?"
"Euch abschieben, man!"
"Hehe, wasn Hurensohn!"
"Ey, wenn der kommt, geben wir ihm aufs Maul."
Dann lachen sie. Das war ja auch wirklich witzig. Und eigentlich auch ein Beweis, dass diese Schichten gar nicht so bildungsfern sind, wie immer behauptet wird. Sie interessieren sich für Politik. Und haben eine gesundere Auffassung davon, als die antisemitische Omi, die durch und durch Deutsche ist. Vielleicht sollte sie wirklich wegziehen. Und das Feld der Jugend überlassen.
Dann wäre Bornheim auch nicht mehr so ein heißes Pflaster.
Solch Unerträgliches Zeugs muss man sich anhören. Und Roth ist noch immer nicht in Sicht. Dann endlich kommt sie. "Geh doch zurück nach Berlin, Du Schlampe", blafft ein Passant sie an. "Da komm ich doch gerade erst her", entgegnet Roth fröhlich. So souverän muss man damit auch erstmal umgehen können. Dann stellt sich Bocklet auf einen Bierkasten und sagt: "Jahaaa, willkommen meine Damen und Herren, noch 11 Tage bis zur Landtagswahl!" Die Speaker's Corner ist eröffnet.
Bocklet spult sein Programm ab, da sind einige im Publikum schon unruhig. "Was die für nen Scheiß labern", sagt einer. Er wird prompt ans Mikro gebeten, was ihm schon wieder nicht so recht ist. Dabei geht es hier doch um den Bürgerdialog. "Muss ich jetzt ja nicht ins Mikro sagen", sagt er. Und dann tut er es doch. Schimpft auf die Politiker, denen alles egal sei. Er bekomme Hartz IV und "Sie, Sie haben ein schönes Leben auf Staatskosten". Er ist wirklich wütend. Bocklet und Roth versuchen ihn zu beruhigen und meinen, die Hilfen für Langzeitarbeitslose seien in der Tag unzulänglich, dafür wollten sie sich einsetzen. Der Mann scheint beruhigt. Ein anderer schimpft nur von Ferne: "Was für Idioten, was für Idioten!" Dann rennt ein Ehepaar durchs Bild, man hört nur: "DIESE STIMME, DIESE STIMME, ICH KANN DIESE FRAU NICHT ERTRAGEN!"
Man kann nicht sagen, dass Claudia Roth es einfach hätte. Ihre gute Laune ist noch immer nicht verflogen. Vielleicht hat sie sich einfach ein dickes Fell zugelegt. Dann wird sie auch noch mit Petra Roth verwechselt. "Wir haben zwar den gleichen Nachnamen, das war's dann aber auch schon", sagt sie und lacht.
Nach einer halben Stunde wird die Sache dann doch noch seriöser. Da wird über biologisches Kindergartenessen gesprochen und über Integrierte Gesamtschulen und über Bildung und Atomkraft. Geht doch!
Und unbemerkt von Bocklet und Roth entspinnt sich in der letzten Reihe der Zuhörerschaft noch eine politische Diskussion zwischen drei Jugendlichen mit Migrationshintergrund:
"Wo issn der Koch?"
"Wer ist der Koch?"
"Der is Ministerpräsident, Alda!"
"Und was will der machen?"
"Euch abschieben, man!"
"Hehe, wasn Hurensohn!"
"Ey, wenn der kommt, geben wir ihm aufs Maul."
Dann lachen sie. Das war ja auch wirklich witzig. Und eigentlich auch ein Beweis, dass diese Schichten gar nicht so bildungsfern sind, wie immer behauptet wird. Sie interessieren sich für Politik. Und haben eine gesundere Auffassung davon, als die antisemitische Omi, die durch und durch Deutsche ist. Vielleicht sollte sie wirklich wegziehen. Und das Feld der Jugend überlassen.
Dann wäre Bornheim auch nicht mehr so ein heißes Pflaster.
17. Januar 2008, 16.22 Uhr
Nils Bremer
Mehr Nachrichten aus dem Ressort Kultur
Sieben Vorführungen in Frankfurt
Italo-Französische Filmwoche
Auch in diesem November heißt es wieder: Frankreich gegen Italien. Die französische Filmwoche und Verso Sud buhlen erneut parallel um die Zuschauergunst als letzte Frankfurter Filmreihen in diesem Jahr.
Text: Gregor Ries / Foto: Der Porträtfilm „Ciao, Marcello - Mastroianni L'Antidivo” von Regisseur Fabrizio Corallo © DFF
KulturMeistgelesen
- Kunstausstellung in EschbornGesammelte Fotografien der Deutschen Börse
- Lilian Thuram in FrankfurtFranzösische Fußballlegende spricht über Rassismus
- Literatur in FrankfurtNeue Lesebühne im Café Mutz
- Filmfestival in WiesbadenExground Filmfest legt Fokus auf Flucht und Migration
- No Other LandEin Skandalfilm, der keiner sein will
23. November 2024
Journal Tagestipps
Freie Stellen