Da kiekste, wa?! Weil wir Berliner scheinbar nicht das netteste Völkchen sind, hat der Senat eine Freundlichkeitskampagne gestartet. Überall sind nun Poster zu sehen: „Sei interessiert, sei informiert, sei Berlin!“ oder "Sei Herz, sei Schnauze, sei Berlin!" Wie man das finden soll, sei erst mal dahin gestellt. Mir würden für diese Offensive andere Städte in südlichen Bundesländern einfallen. Ohne unsere „Berliner Schnauze“ wären wir doch keine waschechten Hauptstädter, besseres Image hin oder her!!!
Trotzdem – bei meinem Wochenend-Besuch kamen mir als Wahl-Frankfurterin an der Spree überdurchschnittlich viele wütende Gesichter und schimpfende Mäuler entgegen. Im Wesentlichen könnte jeder Tourist das eben auf die normale „Berliner Schnauze“ zurück führen, aber diesmal war es anders: Weil die Wagen der S-Bahn zur von der Deutschen Bahn angeordneten (Zwangs-)Reparatur müssen, halten die chaotischen Verkehrszustände nun schon seit knapp zwei Wochen an. Für Pendler eine ungemütliche Angelegenheit. Schon um kleine Distanzen zu überwinden (etwa zwischen Hauptbahnhof und Alex), muss in die Regionalbahn eingestiegen werden, die nun ersatzweise zwischen den großen Bahnhöfen pendelt. Mit schweißtriefenden Menschen und bellenden Hunden, schreienden Kindern und streitenden Pärchen teilt man sich den Waggon dann bei 35 °C. Draußen windstill, drinnen stickig...
Aber damit nicht genug: Neue Mauern tun sich in der Stadt auf. Als ich träumend die Erich-Weinert-Straße in Richtung Schönhauser runter lief, schien die Welt dort zu Ende zu sein. Ich kam mir vor wie Jim Carrey in einer der letzten tragischen Szenen im Film „The Truman Show“. Eine dicke Holzmauer (Foto) umrahmt zurzeit die hoch gelegenen U-Bahn-Schienen der U2 zwischen Alexanderplatz und Schönhauser Allee. Bauarbeiten und Ausnahmezustand, die U2 wird bis zum S-Bahnhof Pankow ausgebaut. Die armen Prenzlberger ertragen in ihrem Kiez derzeit Lärm, Staub und Schwefelgerüche. Kein Wunder also, dass die Hauptstädter Kopf stehen. Vielleicht sollte der Senat mehr Geld in meditative Maßnahmen zur besseren Ausgeglichenheit der Stadtbewohner investieren, anstatt die Bürger der ehemaligen Frontstadt "plakativ" zu netteren Menschen zu konditionieren.