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Abschied im Schauspiel Frankfurt

1000 Dank an Felix Semmelroth (und ein Oberbürgermeister als ungebetener Überraschungsgast)

Im Schauspiel gab sich Frankfurts Kulturszene das Mikro in die Hand, um einen Mann zu loben: Kulturdezernent Felix Semmelroth (CDU) an seinem letzten Tag im Amt. Und alle spielten ein wenig Theater.
In seinem Buch "Wir alle spielen Theater" hat der Soziologe Erving Goffman in beeindruckender Gradlinigkeit dargelegt, wie wir alle beständig verschiedene Rollen einnehmen. Ein Kellner im Restaurant benimmt sich so, wie es seine Rolle verlangt. Und in einem Theater schauspielern nicht nur die Darsteller, sondern ebenso das Publikum ist Teil einer einzigen großen Inszenierung. Manchmal hilft es, Veranstaltungen in einer Stadt unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Besonders leicht fällt dies naturgemäß in einem Theater. Und besonders spannend wird es, wenn jemand aus der Rolle fällt.

An diesem Donnerstagabend ließ sich ein besonderes Stück im Chagallsaal des Schauspiel Frankfurt bewundern. Was in Frankfurt in Sachen Kultur Rang und Namen war da.

30. Juni 2016 – letzter Tag für Kulturdezernent Felix Semmelroth. Der Christdemokrat geht in den vorzeitigen Ruhestand, gezwungenermaßen, denn Teile seiner Partei hielten andere Ressorts für wichtiger. So wanderte die Kultur zur SPD – und Felix Semmelroth ließ es sich nicht nehmen, die Entscheidung als das zu kritisieren, was sie für die CDU ist: Ein Fehler. Eine Sozialdemokratin soll am 14. Juli zu seiner Nachfolgerin gewählt werden: Ina Hartwig.

Im Chagallsaal wurde nun gelobt und gelobt. Na klar: Unter der zehnjährigen Amtszeit Semmelroths wurden Museen erweitert und neugebaut, wurden überaus erfolgreiche Intendanten wie Oliver Reese eingesetzt oder Museumsleiter wie Susanne Gaensheimer, geriet hier und da der Kulturetat unter Beschuss, war aber nie ernsthaft in Gefahr, weil ihn der zuständige Stadtrat mit Verve verteidigte.

Die frühere Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU, Foto rechts) erinnerte an Anekdoten aus ihrer Zeit, sie holte Semmelroth einst in ihr Büro, bald war der frühere Sozialdemokrat ihr Büroleiter, dann Kulturdezernent. Der Kränze wurden viele gebunden an diesem Abend, immer wieder unterbrochen von kleinen Kulturperlen. Bühnen-Chef Bernd Loebe lobte, Stephan Pauly von der Alten Oper lobte, Frau Gaensheimer dankte und Thomas Dürbeck dankte auch. Letzterer ist kulturpolitischer Sprecher der CDU und war der einzige aktive Politiker, der das Wort bekam. "Man muss nur schauen, wer heute Abend hier nicht spricht, das sagt schon alles", sagte Herr Dürbeck. Die Antwort überließ er dem Publikum. Dann zitierte er noch aus der Buchserie Game of Thrones: "Power resides where men believe it resides; it's a trick, a shadow on the wall, and a very small man can cast a very large shadow."

Wir möchten an dieser Stelle gerne etwas Licht ins Dunkel bringen. Nicht anwesend war an diesem Abend zum Beispiel Frankfurts CDU-Chef Uwe Becker. Oder der Fraktionsvorsitzende Michael zu Löwenstein. Wer aber da war, war Peter Feldmann, der sozialdemokratische Oberbürgermeister. Er hätte gerne gesprochen, doch man ließ ihn nicht. Also ging er früher.

Auch dazu gibt es eine Vorgeschichte und somit vervollständigen sich die Frankfurter Thronspiele. Angeblich soll Herr Feldmann vor einigen Wochen beim Kulturdezernenten gefragt haben, warum er nicht eingeladen sei. Die Antwort soll ebenso prompt gekommen sei: Weil eben nur Freunde und politische Weggefährten geladen seien, der Oberbürgermeister gehöre nicht dazu. Spricht man den Oberbürgermeister darauf an, reagiert er mit einem Haufen Komplimenten über den scheidenden Kulturdezernenten und nur Gutes ist ihm zu entlocken. Überhaupt: Gebe es nicht wichtigere Themen?

Sicherlich. Aber es geht hier ja um die Aufführung einer großen Tragikomödie. Peter Feldmann wäre nicht er selbst, wenn er nicht die Chuzpe besitzen würde, einfach trotzdem zu kommen, sich neben seine Amtsvorgängerin zu setzen und darauf zu warten, etwas sehr Nettes über Felix Semmelroth sagen zu dürfen. Hat auch den Vorteil, dass FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube keine Generalkritik schreiben kann, die daran andockt, dass Herr Feldmann mal wieder nicht auf der gleichen Veranstaltung wie er selbst war (so geschehen beim Hollein-Abschied vor einigen Wochen). Doch der Zeitpunkt, den Oberbürgermeister einzubinden verstreicht, schließlich geht der SPD-Mann vor Ende des offiziellen Programms.

Die Häme und ja, auch ein bisschen die diebische Freude ihrer CDU-Parteifreunde darüber kann Petra Roth nun ganz und gar nicht teilen. "Man muss auch gönne könne", sagt sie und dass es ihrer Partei – nicht nur in Frankfurt, sondern ebenso in Berlin – manchmal anscheinend gar nicht kleinkariert genug sein könne. Wenn nun das Stadtoberhaupt in eine durch und durch städtische Institution wie das Schauspiel komme, dann solle es bitte schön auf einer von diesem getragenen Veranstaltung auch etwas sagen dürfen. "Alle Fragen des Protokolls mal beiseite: Man muss auch den Stil wahren", sagt Petra Roth.

Dass er ebendiesen Stil dann doch nicht missen lässt, bewies Felix Semmelroth am Ende des offiziellen Teils dieses Abends. Dort sprach er nicht nur allen Dank aus, die an diesem Abend gekommen waren, hob seine Ehefrau (Foto links) und seine vorausschauende Sekretärin in den Himmel, er entschuldigte sich auch für all jene Ereignisse seiner Amtszeit, in denen er launenhaft, aufbrausend, ja auch verletzend gewesen sei. "Das tut mir leid."

Für Michael Friedman ist der CDU-Politiker nun kein Dezernent mehr. "Sie sind Felix Semmelroth. Das ist weitaus mehr!"

Vorhang.
 
Fotogalerie:
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1. Juli 2016, 09.48 Uhr
Nils Bremer
 
 
 
 
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Text: Florian Aupor / Foto: Über den Holbeinsteg zum Museumsufer © Adobe Stock/Branko Srot
 
 
 
 
 
 
 
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