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60 Jahre Jazzkeller
Schweißperlen im Bier
60 Jahre Jazzkeller Frankfurt – im Rahmen der „Nacht der Museen“ ist auch der legendäre Musikclub eine heiße Adresse.
Eine Überraschung gibt es im aktuellen „Nacht der Museen“-Programm. Zum ersten Mal ist der Jazzkeller dabei. Ein Musikclub wenn das Motto „48 Museen mal anders“ heißt? „Ich dachte mir wir sind doch ein lebendes Museum und ich bin immer auf der Suche, diesen Laden, den ich so gern habe, immer wieder neu und vor allem auch anderen Besuchern darzustellen“, erklärt Inhaber Eugen Hahn. So feiert er den 60. Geburtstag seines Jazzkellers mit Führung, Filmen, Plattenauflegen, Livemusik und Jam Sessions bis in den frühen Morgen im Rahmen des Stadtevents. „Wenn das wie eine gute Marketingidee aussieht, danke fürs Kompliment“, lacht er. Denn ein Stratege und Selbstdarsteller war er nie, aber immer sein eigener Sprecher und Promoter für seine kleine Insel in der „Jazzgass“ nahe der Luxus-Shoppingmeile Goethestraße in der Geldstadt Frankfurt.
„Hier wird man ja von offizieller Seite nicht so richtig unterstützt. Wenn man mal eine Projektstütze haben möchte, wird man nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Also muss man alles selber machen. Das ist sowieso das Beste“, sagt Hahn ohne Bitterkeit. Aber eigentlich müsste ja ein Jazz-Live-Laden, der schon so alt geworden ist, auf dessen Bühne die Namhaftesten dieser Welt standen, eine andere Aufmerksamkeit erfahren. Ist er mit seinen maximal 100 Plätzen zu klein, um ein Aushängeschild der Stadt zu sein? Immerhin gilt das 1952 als domicile du jazz von Trompeter Carlo Bohländer gegründete Lokal als „Gebärmutter des Jazz in der Main-Metropole“ und eine „der besonderen Frankfurter Institutionen mit Weltruf“ wie Kulturdezernent Prof. Felix Semmelroth das Jubiläum würdigt. Immerhin fungierte das Amt für Wissenschaft und Kunst 2004 als Mitherausgeber von Jürgen Schwabs „Der Frankfurt Sound. Eine Stadt und ihre Jazzgeschichte(n)“. Und darin wird natürlich auch der „Keller“ gewürdigt. „Wahrscheinlich aber gibt es niemand im ganzen Stadtparlament, der solche Clubs besucht“, mutmaßt Hahn. „Aber wer mal hier gewesen ist, kann dann schwärmen, Mensch, ich habe hier den XY live gehört, saß am ersten Tisch an der Bühnenkante, die Schweißperlen sind halbwegs in mein Bier getropft, der Klang der Instrumente kam genau von da, wo sie standen und nicht von irgendwo weit her aus den Boxen ...“ Musik als physisches Erlebnis in einer zunehmend virtuellen Welt.
Als der Ost-Berliner 1986 zusammen einer damaligen Lebensgefährtin, der Jazzvokalistin Regine Dobberschütz, den Laden mit Legendenstatus übernahm, war er erst einmal enttäuscht. „Dank seiner Nachtkonzession hatte der Jazzkeller seine sicheren Gäste nach 1 Uhr“, erinnert sich Hahn an „verquere Typen darunter“, die nie im Leben 20 Mark für ein „richtiges Konzert“ bezahlt hätten. Aber genau die wollte er veranstalten. Aber 15.000 für ein Konzert von Star-Trompeter Dizzy Gillespie ausgeben? „Da haben mich alle für verrückt erklärt.“ Der Flügel war noch vier Jahre abzubezahlen, auch das Lüftungssystem. Doch der Programmdirektor des US-Army-Senders AFN hatte die Idee: „Lass’ ihn wie in New York drei Sets spielen und nehme jedes Mal Eintrittsgeld. Wir mussten nur das Hotel drauf zahlen, waren aber dank Dizzy Thema bis ins letzte Kreisblatt in Mittelhessen“ – ein echter Coup von Hahn wie auch die Verpflichtung von Chet Baker. „So haben wir das dann ziemlich gut auf die Reihe gekriegt.“
In den letzten Jahren erlebt der Traditionsclub eine Verjüngung. Zur Jazzkeller-Familie stieß u.a. der Keyboarder Marc Petri von der Funkband Flow Area und Saxophonist Peter Klohmann betreut die „Junge Szene Rhein/Main“. „Der gelernte Kontrabassist Hahn hat delegieren gelernt, steht – letztes Jahr 70 geworden – nicht mehr hintern Tresen, aber weiter gerne an der Kasse. „Ich bin ja Gastgeber, habe immer einen Satz zum Abend parat oder was Persönliches.“ Und wenn es der Hinweis auf einen verschmierten Lippenstift ist. Aber genau das mag das längst bunt gemischte Publikum. So hört man ein Wort regelmäßig beim Herausgehen: „Danke für den schönen Abend.“
>> 60 Jahre Jazzkeller Frankfurt, Nacht der Museen, Ffm., Kleine Bockenheimer Straße 18a, 21.4., 19-3 Uhr, Eintritt: 12,–
www.jazzkeller.com
„Hier wird man ja von offizieller Seite nicht so richtig unterstützt. Wenn man mal eine Projektstütze haben möchte, wird man nicht gerade mit offenen Armen empfangen. Also muss man alles selber machen. Das ist sowieso das Beste“, sagt Hahn ohne Bitterkeit. Aber eigentlich müsste ja ein Jazz-Live-Laden, der schon so alt geworden ist, auf dessen Bühne die Namhaftesten dieser Welt standen, eine andere Aufmerksamkeit erfahren. Ist er mit seinen maximal 100 Plätzen zu klein, um ein Aushängeschild der Stadt zu sein? Immerhin gilt das 1952 als domicile du jazz von Trompeter Carlo Bohländer gegründete Lokal als „Gebärmutter des Jazz in der Main-Metropole“ und eine „der besonderen Frankfurter Institutionen mit Weltruf“ wie Kulturdezernent Prof. Felix Semmelroth das Jubiläum würdigt. Immerhin fungierte das Amt für Wissenschaft und Kunst 2004 als Mitherausgeber von Jürgen Schwabs „Der Frankfurt Sound. Eine Stadt und ihre Jazzgeschichte(n)“. Und darin wird natürlich auch der „Keller“ gewürdigt. „Wahrscheinlich aber gibt es niemand im ganzen Stadtparlament, der solche Clubs besucht“, mutmaßt Hahn. „Aber wer mal hier gewesen ist, kann dann schwärmen, Mensch, ich habe hier den XY live gehört, saß am ersten Tisch an der Bühnenkante, die Schweißperlen sind halbwegs in mein Bier getropft, der Klang der Instrumente kam genau von da, wo sie standen und nicht von irgendwo weit her aus den Boxen ...“ Musik als physisches Erlebnis in einer zunehmend virtuellen Welt.
Als der Ost-Berliner 1986 zusammen einer damaligen Lebensgefährtin, der Jazzvokalistin Regine Dobberschütz, den Laden mit Legendenstatus übernahm, war er erst einmal enttäuscht. „Dank seiner Nachtkonzession hatte der Jazzkeller seine sicheren Gäste nach 1 Uhr“, erinnert sich Hahn an „verquere Typen darunter“, die nie im Leben 20 Mark für ein „richtiges Konzert“ bezahlt hätten. Aber genau die wollte er veranstalten. Aber 15.000 für ein Konzert von Star-Trompeter Dizzy Gillespie ausgeben? „Da haben mich alle für verrückt erklärt.“ Der Flügel war noch vier Jahre abzubezahlen, auch das Lüftungssystem. Doch der Programmdirektor des US-Army-Senders AFN hatte die Idee: „Lass’ ihn wie in New York drei Sets spielen und nehme jedes Mal Eintrittsgeld. Wir mussten nur das Hotel drauf zahlen, waren aber dank Dizzy Thema bis ins letzte Kreisblatt in Mittelhessen“ – ein echter Coup von Hahn wie auch die Verpflichtung von Chet Baker. „So haben wir das dann ziemlich gut auf die Reihe gekriegt.“
In den letzten Jahren erlebt der Traditionsclub eine Verjüngung. Zur Jazzkeller-Familie stieß u.a. der Keyboarder Marc Petri von der Funkband Flow Area und Saxophonist Peter Klohmann betreut die „Junge Szene Rhein/Main“. „Der gelernte Kontrabassist Hahn hat delegieren gelernt, steht – letztes Jahr 70 geworden – nicht mehr hintern Tresen, aber weiter gerne an der Kasse. „Ich bin ja Gastgeber, habe immer einen Satz zum Abend parat oder was Persönliches.“ Und wenn es der Hinweis auf einen verschmierten Lippenstift ist. Aber genau das mag das längst bunt gemischte Publikum. So hört man ein Wort regelmäßig beim Herausgehen: „Danke für den schönen Abend.“
>> 60 Jahre Jazzkeller Frankfurt, Nacht der Museen, Ffm., Kleine Bockenheimer Straße 18a, 21.4., 19-3 Uhr, Eintritt: 12,–
www.jazzkeller.com
20. April 2012, 10.58 Uhr
Detlef Kinsler
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