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30 Jahre Archiv Frau und Musik
Die 52 Kaiser des Heiligen Römischen Reichs blicken streng auf die Gäste herunter, die sich am Samstagmorgen in ihrer Heimatstadt, im Kaisersaal des Römers, versammelt haben. 52 Herrscher –und keine einzige Frau unter ihnen. Das Kaisertum ist eindeutig eine Männerdomäne. Ähnlich war es lange Zeit in der Musikwelt. Das ist der Grund (man beachte die geschickte Überleitung), warum wir heute hier sind. Es ist der Empfang zum 30-jährigen Bestehens des „Archiv Frau und Musik“. Des was? Ja richtig, 10 Jahre älter als das wiedervereinigte Deutschland ist dieses Archiv und trotzdem noch immer recht unbekannt, zumindest bei Menschen, die sich nicht näher mit Musikwissenschaft oder Genderstudies beschäftigen.
Dabei ist seine Bilanz beeindruckend: Der erste Redner des Empfangs, Kulturdezernent Felix Semmelroth, lobt die Jubilare für insgesamt 300 Komponistinnen aus fünf Jahrhunderten, die die Mitarbeiterinnen (und auch Mitarbeiter) des Archivs in mühsamer Kleinarbeit ausgegraben, der Öffentlichkeit zugänglich gemacht und zur Aufführung gebracht haben.
Wie groß dieser Verdienst ist, wird besonders dann deutlich, wenn wir kurz innehalten und überlegen, wie viele Komponistinnen wir selber kennen. Vielen fällt hier wohl nur Clara Schumann ein, die sicher eine große, aber eben keineswegs die einzige Komponistin war.
Frauen wurde in der Vergangenheit nicht die nötige Kreativität und schöpferische Begabung zugetraut, um einen solch ehrenvollen Beruf auszuüben. Diejenigen, die sich widersetzten und deren Kompositionen zu Lebzeiten sogar Aufmerksamkeit erfuhren, sind häufig von den Geschichtsschreibern ignoriert worden und somit in Vergessenheit geraten.
Insgesamt reden bei dem Empfang drei Männer und nur eine Frau –und das ist die Vorstandsvorsitzende des Archivs Renate Matthei. Nichts hätte besser illustrieren können, wie wichtig die Arbeit der Arbeitsgruppe „Frau und Musik“ auch heute noch ist.
Von der Ansprache Günter Schmitteckerts, Ministerialdirigent (das, so lerne ich, hat Nullkommanichts mit musikalischem Dirigieren zu tun) des Ministeriums für Kunst und Wissenschaft, bleibt wenig hängen. Sein Geburtstagsgeschenk von mehr als 4000 Euro wird allerdings mit prasselndem Applaus der Anwesenden beantwortet. Martin Maria Krüger, der Präsident des deutschen Musikrates muss zwar in Hinblick auf den ihm unterstehenden Rat gestehen, dass in dessen Vorstand Frauen immer noch stark unterrepräsentiert sind, kann aber immerhin mit seinem weiblichen Zweitnamen punkten. Außerdem warnt er davor, den Wert des „Archivs Frau und Musik“ nur auf den „Gendereffekt“ zu reduzieren. Es biete nämlich eine völlig neue Sicht auf die Musikgeschichte.
Anwesend ist auch die junge koreanische Komponistin Sun-Young Pahg, auch wenn sie sich in typisch asiatischer Zurückhaltung in die hinterste Stuhlreihe gesetzt hat. Sie ist die erste Preisträgerin des Wettbewerbs „Composers-in-Residence-Komponistinnen nach Frankfurt“ und hat im Rahmen eines Stipendiums drei Monate lang im Hauptquartier des Archivs in den Niederrader Hoffmanns Höfen gelebt und gearbeitet. Beschlossen und gekrönt wurde ihr Aufenthalt in Frankfurt gestern mit einem Konzert und einer Klanginstallation in der „Hochschule für Musik und Darstellende Kunst. Das muss ganz toll gewesen sein, denn immer wieder danken ihr die Redner und loben den Abend.
Natürlich werden nicht nur kluge Reden geschwungen. An einem Tag, an dem sich alles um die Musik dreht, darf dieselbe nicht fehlen.
Mit drei Musikstücken werden die Gäste verwöhnt. Alle sind natürlich Werke von Komponistinnen. Die Archivs-Vorstandsfrau Renate Brosch etwa beweist mit dem gegrunzten, gezischten, geschrienen und gesummten „Monolog“ für Stimme und Pauke, dass Mund und Stimmbänder immer noch die vielseitigsten Instrumente sind. Später betten uns zwei Musiker mit Kontrabass und Posaunen auf den weichen Klangteppich der Werke von Jazzkomponistin Carla Bley. Schön!Fotos: Rüdiger Schestag
11. November 2009, 12.36 Uhr
Alicia Lindhoff
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