Vor 50 Jahren explodierten drei Brandsätze in Frankfurter Kaufhäusern. Daran erinnert die Künstlergruppe profikollektion nun mit einem Audiowalk – und will gleichzeitig anregen, die Taten aus einer neuen Perspektive zu betrachten.
Nicole Nadine Seliger /
Als „zeitgenössische Form der Erinnerungsarbeit“ bezeichnet Jan Deck (Foto mit Katja Kämmerer) von der Künstlergruppe profikollektion sein aktuelles Projekt. Der freischaffende Theaterkünstler hat gemeinsam mit Katja Kämmerer und Marc Behrens den Audiowalk „Burn Warehouse Burn" erarbeitet, den Teilnehmer vom 5. bis zum 8. September in der Frankfurter Innenstadt erleben können. Anlass für die Aktion sind die Kaufhausbrände von 1968, als in der Nacht vom 2. auf den 3. April drei Brandsätze gezündet wurden, einer im Kaufhof, zwei im ehemaligen Kaufhaus M. Schneider. Verletzt wurde niemand, es entstand ein hoher Sachschaden, von umgerechnet mehr als einer Million Euro. "Wir haben uns überlegt, wie man die städtische Geschichte anders darstellen kann, auf künstlerische Weise“, erzählt Deck. Die Künstler wollen die Brände in der Aprilnacht 1968 als singulären Akt betrachten, losgelöst von der heutigen Sichtweise.
Mit dem Audioguide durch die Innenstadt Nach vorheriger Anmeldung laufen die Besucher in kleinen Gruppen mit Kopfhörern und mp3-Playern durch die Innenstadt, 45 Minuten lang führt sie der Guide an verschiedene Orte. Wohin genau, will Deck nicht verraten. „Ein bisschen Überraschung muss das ja bleiben“, sagt er. Die Zeil als Standort der betroffenen Kaufhäuser sei aber dabei. Eine Collage aus historischen Zeitungstexten, Zeugenaussagen, neu verfassten Texten und eigens komponierter Musik führt die Teilnehmer an Orte, die für die Ermittlungen und die Taten wichtig waren. Vor einem Jahr begann das Kollektiv mit der Recherche, vor wenigen Monaten mit der akribischen Gestaltung der Tour. Das Projekt wird von den Mitteln des Kulturamtes der Stadt und dem Musikfonds e.V. finanziell gefördert.
Vandalismus, politischer Akt oder Kunst? Historiker sehen in den Kaufhausbränden eine Radikalisierung, den ersten Schritt auf dem Weg mancher Aktivisten in den Terrorismus. Spätere Mitglieder der Rote Armee Fraktion (RAF) wie Andreas Baader und Gudrun Ensslin waren an den Taten in der Aprilnacht beteiligt. Die vier Täter begründeten ihr Handeln als Aktion gegen den Vietnamkrieg der USA, verurteilt wurden sie wegen Vandalismus. Das Projekt „Burn Warenhouse Burn“ stellt den wissenschaftlichen Blick auf die Ereignisse infrage. Über dem Audiospaziergang steht die Frage: Würden wir heute zu dem gleichen Schluss kommen wie die Richter vor 50 Jahren? „Vielleicht war es auch ein politischer Akt oder eine Kunstaktion“, gibt Deck zu Bedenken. „Denkt differenziert!“, ist die Haltung, die er den Teilnehmern des Audiospaziergangs mit auf den Weg gibt.
"Es ist wichtig, die richtigen Fragen zu finden" Eine abschließende Antwort zu finden, ist nicht das Ziel von profikollektion. „Es ist nicht das Entscheidende, eine Antwort zu geben“, sagt Deck, „wichtiger ist es, die richtigen Fragen zu finden.“ Fragen, die in der „Mainstream-Historie“ nicht mehr gestellt würden. Ein weiterer Anlass für das aktuelle Projekt sei auch die Brandserie gewesen, die seit 2017 in Frankfurt für Aufsehen sorgt, erzählt Deck. Mehrere Holzgebäude, wie der Goetheturm und der Chinesische Pavillon im Bethmannpark, wurden durch Feuer zerstört.
Deck und Kämmerer haben Erfahrung mit Aktionen im Stadtraum. Seit zehn Jahren arbeiten die beiden gemeinsam an historischen Projekten, für „Burn Warehouse Burn“ werden die beiden zusätzlich von dem Soundkünstler Marc Behrens unterstützt. 2017 widmete sich das Duo Horkheimers Geist im Studierendenhaus in Bockenheim, 2016 dem ehemaligen Gefängnis auf dem Klapperfeld. Für 2019 ist die nächste große Performance zu einem historischen Thema geplant.
>> Burn Warenhouse Burn, Audiowalk, 5.-7.9. (17-22 Uhr) und 8.9. (15-20 Uhr), alle 35 Minuten starten neue Touren, Anmeldung erforderlich (mail@profikollektion.de)