Wald am Ende

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Nils Bremer /

robinwood_polizei

Öffentliches Gelände ist der Wald bei Kelsterbach schon seit ein paar Wochen nicht mehr. Heute wurden dann noch ein paar Schleusen mehr eingebaut. Am Waldrand: Presseausweis bitte. Auf halbem Weg zum Waldcamp: Presseausweis bitte. Am Waldcamp: Presseausweis bitte. Dann sagt die Polizei, wir würden jetzt gesammelt an eine Stelle gebracht, wo wir gerne Bilder machen dürfen. Es ist ein abgesperrter Bereich mit Blick aufs Robin-Wood-Haus, dass nun von Spezialeinheiten fachmännisch von seinen Bewohnern befreit und anschließend zerlegt werden soll. Die Zelte am Boden sind da schon geräumt - es ist kurz vor zehn, seit zwei Stunden sind einige hundert Polizisten schon am Werk.

airport security

Auch die Fraport-Security ist im Wald präsent, der Flughafenbetreiber betrachtet das Gelände von nun an als seinen Besitz. Deswegen darf geräumt werden. Ingrid Kopp vom Bündnis der Bürgerinitiativen ist skeptisch, ob das juristisch in Ordnung geht, weil der Grundbucheintrag noch nicht geändert sei. Doch im Moment beschäftigt sie eher die Frage, was mit der BI-Hütte passiert. Die Polizei hat das Angebot gemacht, dass die Initiativen sie an anderer Stelle wieder aufbauen könnten. Einigen Flughafengegnern passt das nicht. "Lasst sie zerhauen, das ist auch ein Symbol", sagt einer. Derweil haben sich vor der Sperre zum Waldcamp einige Demonstranten niedergelassen, einige haben ein paar Umwege über das Ufer des Mönchwaldsees genommen, andere konnten sich mit den Polizisten arrangieren. Einige Waldbesetzer sind auch schon dort, nachdem die Polizei sie durchsucht, den Papierkram erledigt und entlassen hat.

abgefuehrt

Die Stimmung schwankt zwischen Wiedersehensfreude und Frustration, es werden Umarmungen geschenkt und warme Worte. Einer, den wir schon im vergangenen Sommer trafen, findet keine Worte - er möchte nicht reden.

journalisten_im_wald

Den Weg vom Journalistentreff zur kleinen Demo begleitet mich ein Mitarbeiter der Fraport. Er hat eine Warnweste an. "Sie haben ja keine Warnweste an", sagt er. "Und wir wollen ja nicht, dass Sie in Gefahr geraten." Beruhigend zu wissen, dass man um die Sicherheit der Journalisten derart besorgt ist. Dafür stehen wir alle an einer Stelle, an der man nicht wirklich gute Bilder bekommt. Das Bild ist für zwei Stunden das gleiche: eine Spezialeinheit der Polizei ist mit zwei Hubwagen dabei, sich am Robin-Wood-Haus zu schaffen zu machen. Doch die Besetzer haben sich festgekettet, den Zugang zum rund 20 Meter hohen Baumhaus erschwert. Es dauert. Den Journalisten ist kalt. Die Agenturfotografen sind so zynisch, sich einen Schlager auszudenken: "Reißt die Hütte ab, reißtdiehütteab!" Sie lachen. Irgendwie ist ihnen alles scheißegal. Außer, wenn ihre Laptopbatterien versagen oder die UMTS-Verbindung mal wieder abreißt. Es ist ja auch ein bisschen langweilig. Dann schaffen es die Polizisten doch noch, die Robin-Wood-Leute aus ihrem Häuschen zu holen. Endlich Bilder.

robinwood

Der Landtagsabgeordnete Willi van Ooyen ist da schon wieder weg, er war wohl kurz bei der Demo weiter vorne, ist dann aber weitergefahren nach Wiesbaden. Dort lag heute Roland Kochs Regierungserklärung an. Viel wichtiger aber, dass das Parlament die Räumung des Waldes ausdrücklich billigte. Man merkt schon: CDU und FDP haben eine Mehrheit. Und die Sozialdemokraten sind der Räumung auch nicht gänzlich abgeneigt, für den Flughafenausbau sind die Genossen eh. Was bleibt nach einem kalten Tag wie diesem? Ingrid Kopp sagt: "Wir werden den Ausbau des Flughafens weiter sehr kritisch begleiten. Der Widerstand ist noch nicht zu Ende." Ein Kontaktbeamter der Polizei findet das gut: "In einem Land, in dem die Menschen nicht mehr auf die Straße gehen, um zu demonstrieren, möchte ich nicht leben."

Es stimmt schon: kein Vergleich zu den Startbahn-West-Protesten. Der Wald wird gefällt und die Konsensgesellschaft bedauert vieles und nichts. Das Grauenvollste habe ich dann auf dem Rückweg gesehen, ein Hinweisschild des Wanderwegs "Rhein-Main-Vergnügen".

aussicht_flughafen

145 Hektar Wald sind schon gerodet. Dort, wo das Waldcamp stand, sollen bis Herbst noch Bodenproben gezogen, Hirschkäfer vermessen und Echsen vertrieben werden, dann geht's auch dem letzten Stück an den Kragen. Die Aussicht auf den Flughafen, das steht fest, wird im Kelsterbacher Wald, oder das, was von ihm übrig ist, schon bald wesentlich besser sein. Die Familien dürfen sich schon mal umstellen: statt zu einigen zutraulichen Wildschweinen werden sie ihre Kindern in ein paar Jahren zu einer Betonpiste führen dürfen. Ein Vergnügen ...


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