Ein Beatle als Bach-Fan? Hätten Sie’s gewusst? Die „Ringo-Variations“ decken es auf. In der Künstlernovelle von Rainer Wieczorek treffen Welten aufeinander. Der Autor kommt nach Darmstadt und Frankfurt.
Detlef Kinsler /
JOURNAL FRANKFURT: Im Zusammenhang mit Ihren Buchveröffentlichungen wird in Rezensionen gerne gewürdigt, dass die Künstlernovelle bei Ihnen quasi eine Renaissance erfährt. Was reizt Sie an dieser Erzählart? Rainer Wieczorek: Mir gefällt das kleinere Format der Novelle verglichen mit dem Roman. Ich gehe ökonomisch mit der Lesezeit meiner Kunden und Kundinnen um. Ich muss den Punkt finden, an dem sich eine Geschichte dreht. Und die Künste – welcher Gattung auch immer – regen meine Fantasie mehr an als alles andere.
Ihr viel beachtetes Buch über Heinz Sauer hat dafür gesorgt, dass man Sie musikalisch eher mit Jazz assoziiert. Jetzt ist Ringo Starr Ihr Thema. Waren Sie in Ihrer Jugend Beatles-Fan? Die Beatles lieferten den Sound meiner frühen Jugend, der Aufbruchstimmung der Sechzigerjahre. Ich liebe diese Musik noch heute. In den Siebzigern habe ich zum ersten Mal Heinz Sauer gehört; das war Musik für Erwachsene, war eine tiefe Auseinandersetzung mit menschlichem Leid, erotisch, aggressiv.
Mit Ringo widmen Sie sich dem Beatle, der immer – nicht nur weil er der Schlagzeuger war – eher im Hintergrund stand. Ein Grund sich ihm zu widmen? Mit der Erzählposition Ringo konnte ich einen unverbrauchten Blick auf die Beatles werfen. Das lädt zur Identifikation ein, sind wir doch im eigenen Leben öfter die Nummer vier als die Nummer eins.
Dass Glenn Gould die zweite Hauptrolle spielt, kommt nicht von ungefähr. Auf der Gould-Website unter der Überschrift „The Cult of Glenn Gould" finden sich tatsächlich auch Namen wie George Martin, James Dean und Jimi Hendrix. Und irgendwie ist Gould vom Typ her ein „Popstar"... ...und zieht sich interessanterweise wie die Beatles Mitte der Sechzigerjahre von seinem Publikum zurück, um seine Kunst vertiefen zu können. Diese Bewegung nehme ich erzählerisch auf und gebe meiner Novelle die Form der „Goldberg-Variationen“ Bachs.
Ich hörte von einem irritierten Besucher einer Lesung. Er hatte wohl ausschließlich Biografisches erwartet und wusste nicht recht zu deuten, was Wirklichkeit und was Fiktion ist… An dieser Irritation habe ich sorgfältig gearbeitet. Man beachte nur den Titel. Es geht in diesem Buch – neben vielem anderen – um die Gier nach Ruhm und Erfolg und dem Wunsch, sich von der Außenwelt zurückzuziehen.
Info Rainer Wieczorek & Uli Partell (Piano), Darmstadt, HoffART Theater, Lauteschlägerstr. 28a, 27. April, 19 Uhr, Eintritt: 12 Euro
Zum Vormerken: Frankfurt, Romanfabrik, 20. November, 19.30 Uhr mit Uli Partheil am Piano
Weil sein Hobby schon früh zum Beruf wurde, ist Fotografieren eine weitere Leidenschaft des Journal-Frankfurt-Musikredakteurs, der außerdem regelmäßig über Frauenfußball schreibt.