Tift Merritt: Ich folge dir gleichfalls mit freudigen Schritten

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Detlef Kinsler /

tift_merritt_kinsler_939Kurz vor Konzertbeginn kam nach die Order von Backstage: Sechs Weizenbier, bitte. „Ist Tift Merritt doch mit Band da?“, fragte ich erstaunt. „Nein“, kam die klare Antwort. „Sie ist allein auf der Bühne, hat einen Begleiter dabei...“ Wenig später dann kam die Sängerin auf die Bühne, griff sich ihre Gitarre, verzog das Gesicht nach dem ersten Anschlag und rief nach ihrem Tour-Manager. „Hast Du die Gitarre nicht gestimmt?“ Sichtlich irritiert, ging der erst mal in die Knie (als wolle er Abbitte leisten), fummelten am Stimmgerät und den Kabeln herum und bekam von Merritt die unmissverständlich Aufgabe, die Klampfe noch mal – und bitte richtig – zu stimmen. Abgang, allerdings ohne Instrument was Tift ihm feixend hinterher rufen ließ... Andere Künstler wären in so einem Moment schon ausgeflippt, nicht so die Lady aus den Staaten. Also setzte sie sich erst mal an den Flügel und kommentierte: „So habe ich ein Konzert noch nie begonnen.“ Und so erlebte die Brotfabrik dank des „Ausfalls ihres Helfershelfers (war´s das Weißbier?) etwas Besonderes.

Von der ersten Minuten an war klar: hier ist ein absoluter Profi am Werk, souverän, dabei äußerst sympathisch und immer auf Augenkontakt mit dem Publikum aus. Kaum verwunderlich, dass Merritt in den USA schon eine große Nummer ist, mit Auftritten in den Shows von Letterman und Leno, Grammy-Nominierungen und einer Nr. 1 für ihr aktuelles Album „Another Country“ in denTop Heatseekers-Charts des Billboard Magazine. Ist das nun Country, was sie da singt? Ja und nein. Merritt ist Singer/Songwriter, deren Songs von Folk und Country genährt durchaus auch Pop sind, nicht nur in der gepflegten Ballade, sondern auch in den rockigen Songs, ob mit Gitarre oder Flügel interpretiert. Da werden die Absätze ihrer kniehohen Wildlederstiefel zum Schlagzeug-Ersatz. Sie hat einige wirklich ungewöhnliche gute Songs, der Rest mag Standard sein, aber auf hohem Niveau war auch die Meinung von Musiker, Produzent und Labelchef Tom Ripphahn als Gast in der Brotfabrik. Uwe Vollmershausen, einst als Chef der legendären Musichall ganz nah dran am Musikgeschehen, war begeistert von Stimme und Ausstrahlung der kleinen Person. Und Kollegin Barbara Leiff meinte nur: „Eine Stimme wie ein Engel.“

Wie sehr sie diese Stimme im Griff hat, bewies Tift Merritt immer dann, wenn sie sich am Bühnenrand hinsetzte und dann vollkommen ohne Verstärkung sang und spielte. Mit der Mundharmonika kam dann auch noch Blues-Appeal auf. Für ihr letztes Album ließ sie sich von Paris inspirieren, da hatte sie sich – ohne sich der Konsequenzen bewusst zu sein – in einer Straße mit Kneipe an Kneipe und „Mardi Gras-Feeling“ eingemietet. Die vielen in den Bar laufenden TVs und die nachts auf die Straße torkelnden Männer inspirierte sie für eine Geschichte genauso wie ein Cousin welchen Grades auch immer, der – in der Army – eigentlich lieber Autor gewesen wäre und in seinen Cousine verliebt war („Darf man das in Deutschland?“). Aber Frankreich ist Vergangenheit, jetzt ist Tift Deutschland-Fan. „Es ist heute die letzte Nacht meiner Tour, ich bin richtig traurig, dass es vorbei ist, denn ich habe so viel Interessantes über Deutschland erfahren, auch, dass man Hefeweize
n nicht aus der Flasche trinkt.“ Klar musste auch ein deutsche Zitat her, aber keines, das sie aktuell gelernt hat, sondern eines aus der Zeit, als sie Bach lernte. „Ich folge dir gleichfalls mit freudigen Schritten.“

Und ihr Publikum folgte ihr mit freudigen Schritten. In die französisch (war's „Mille Tendresses“?) gesungene Zugabe (jedenfalls klang´s wie eine Hommage an die große Edith Piaf?), zum CD-Stand und zum Signieren. Und jeder bekam noch eine Widmung, ein freundliches Wort oder gar eine Umarmung. Sie versteht ihre Fans zu beglücken.

Foto: Detlef Kinsler


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